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Frauenbios

Esther Bejarano

(15.12.1924 Saarlouis - 10.7.2021 Hamburg)
Verfolgte des NS-Regimes, Musikerin, engagierte Zeitzeugin Mahnerin gegen neofaschistische Umtriebe
Hellkamp (Modeboutique in den 1970er Jahren)
Bestattet auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel
Esther Bejarano am 8. Mai 2021 bei ihrem wohl letzten Auftritt, aufgenommen im Gängeviertel; Quelle: Jan-Timo Schaube
Esther Bejarano ist am 10.07.2021 im Alter von 96 Jahren gestorben. Sie war so vieles: Künstlerin, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Ravensbrück, prominente Mahnerin gegen neofaschistische Umtriebe und unermüdliche Aufklärerin für Schulkinder und Jugendliche.
Vor allem war sie uns aber eine kritische und zuverlässige Freundin. Wir vermissen sie sehr.
Immer wieder meldete sie sich zu Wort, wenn Neofaschisten Einwanderer und Flüchtlinge bedrohten, wenn institutioneller Rassismus mehr oder weniger öffentlich an den Menschenrechten kratzte. Einige ihrer Aussprüche sind zu viel zitierten, geflügelten Worten geworden, zuletzt in ihrem Brief an den Bundesfinanzminister: „Das Haus brennt, und Sie sperren die Feuerwehr aus!“, als die Finanzbehörden mehrerer Bundesländer der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V.) 2018 die Gemeinnützigkeit entzogen.
Ich erinnere mich an Esthers Unterstützung, als wir Mitglieder der damaligen Initiative Bleiberecht für Roma und Cinti 1989 die alljährliche Demonstration anlässlich der Pogromnacht am 9. November dem Protest gegen die polizeiliche Räumung um ihr Bleiberecht hungerstreikender Roma aus dem Klinkerwerk in der Gedenkstätte Neuengamme widmen wollten. Esther entgegnete den Einwänden anderer Überlebender der Shoa gegen eine befürchtete Instrumentalisierung des Gedenkens an die Pogromnacht mit einer öffentlichen Erklärung unter dem Titel „Die Lebenden müssen geschützt werden. Das wurde dann später auch unser Titel für die Broschüre über den Kampf der geflüchteten Roma um ihr Bleiberecht in Hamburg.
Noch am diesjährigen (2021) Holocaust-Gedenktag sendeten die Tagesthemen Esthers eindringliche Video-Botschaft, in der sie sachlich und schonungslos die gegenwärtige Rechtsentwicklung in der Mitte der Gesellschaft einschätzt.
Esthers außergewöhnlicher Lebensweg begann am 15. Dezember 1924 als jüngstem von fünf Kindern des Kantors Rudolf Loewy und der Lehrerin Margarethe, geb. Heymann in Saarlouis. Schon früh entwickelte sie eine Leidenschaft für Musik, spielte Klavier und sang. Nach einer anfangs sorglosen Kindheit, die nach der Machtübertragung an den Hitlerfaschismus immer öfter von Zwangsmaßnahmen gegen jüdische Deutsche überschattet wurde, besuchte sie ein Vorbereitungslager für die Auswanderung nach Palästina, wurde nach dessen Auflösung in ein Arbeitslager und von dort am 19.04.1943 nach Auschwitz verschleppt, wo ihr die Verpflichtung als Akkordeonistin in das von der Lagerleitung angeordnete Mädchenorchester das Leben rettete. Im September 1943 wurde sie in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück verlegt und musste von dort aus bei Siemens Zwangsarbeit leisten. Im April 1945 zwang die SS die Ravensbrückerinnen auf einen Todesmarsch, aber Esther und einigen Freundinnen gelang die Flucht. Am 3. Mai feierte sie gemeinsam mit Rotarmisten und GIs die Befreiung vom Faschismus: man brachte ihr ein Akkordeon, Esther spielte und alle lagen sich in den Armen und tanzten.
Wesentlich später erfuhr Esther, dass ihre Eltern 1941 in Kowno ermordet worden waren und ihre Schwester Ruth 1942 in Auschwitz. Ihre beiden ältesten Geschwister konnten rechtzeitig in die USA und nach Palästina ausreisen.
Ende 1945 gelang ihr die Auswanderung nach Palästina, sie arbeitete, wo immer sie Arbeit fand, begann schließlich ein Gesangsstudium und wurde ständiges Mitglied eines Arbeiterchors, der mehrere Preise erlangte. 1948 wurde sie zum Militär eingezogen. Während des Unabhängigkeitskrieges trat sie in Soldatencamps auf.
1950 heiratete sie Nissim Bejarano, 1951 kam die Tochter Edna und 1952 der Sohn Joram zur Welt. 1960 siedelten Esther und Nissim Bejarano nach Deutschland um und ließen sich nach kurzem Aufenthalt in Saarlouis und Saarbrücken in Hamburg nieder.
Ende der 1970er Jahre musste sie erleben, dass vor der Boutique, die sie damals betrieb, eine Nazi-Kundgebung stattfand. Nicht nur wurde die Umgebung mit einer Rede beschallt, in der der Holocaust geleugnet wurde, die Holocaustleugner wurden auch noch von der Polizei vor GegendemonstrantInnen in Schutz genommen.
Von da an begann Esther ihr Engagement, als Zeitzeugin in Schulklassen aufzutreten, und trat in der Folge der VVN-BdA bei, wo sie Anfang der 1990er Jahre eine der Bundessprecherinnen wurde. Außerdem begründete sie gemeinsam mit Peter Gingold und vielen anderen das Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V., deren Vorsitzende sie bis zu ihrem Tod war.
Auch ihre Musikkarriere nahm wieder Fahrt auf: Sie wurde Mitbegründerin der Gruppe Siebenschön, mit der sie 1987 sogar in Vancouver auftrat. 1988 gründete sie gemeinsam mit Tochter Edna und Sohn Joram und mehreren InstrumentalistInnen die Gruppe Coincidence. In beiden Formationen standen Lieder aus dem Ghetto, aus dem Widerstand und antifaschistische Lieder im Mittelpunkt. 2009 schloss sie sich mit der Hip-Hop-Band Microphone Mafia aus Köln zusammen, mit der sie und Joram bis 2020 einige Hundert Auftritte im In- und Ausland hatten.
Noch im Jahr 2018 übernahm sie die Rolle der Pianistin im prominent besetzten Musikdrama gegen das Vergessen „Die Kinder der toten Stadt“.
Hier ist Esthers Diskographie:
• 1987: S dremlen Feigl ojf di Zwajgn / Vögel träumen auf den Zweigen (Lieder aus dem Widerstand) mit Siebenschön
• 1995: Esther und Edna Bejarano & Coincidence: Lider fars Lebn – Lieder für das Leben
• 2012: Per la Vita mit Microphone Mafia
• 2013: La Vita Continua mit Microphone Mafia
• 2018: Rolle der Pianistin in Die Kinder der toten Stadt
Für ihr Engagement wurde Esther vielfach ausgezeichnet, mit dem Bundesverdienstkreuz in mehreren Stufen und mit diversen Hamburger und internationalen Verdienstmedaillen. Seit 2008 war sie Ehrenpräsidentin der VVN-BdA. Noch am 08. Mai 2021 nahm sie als Passagierin einer Fahrradrikscha an den Feierlichkeiten anlässlich des 76. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus teil.
Esther zu begegnen, hat mir überdeutlich gemacht, was dieses irre geleitete Volk seinen Nachgeborenen durch den Hitlerfaschismus geraubt hat. Sie fehlt mir, auch mit 96, in der Art, wie ein Kurt Tucholsky unserer gegenwärtigen Literaturszene fehlt.
Ihr Vermächtnis an uns ist analog dem Schwur von Buchenwald;
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Text: Traute Springer
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

Hammonia

Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

Erklärung zur Datenbank

Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Zuletzt eingetragene Namen

Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae
Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons
März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann
Wesentlich aktualisiert im März 2024: Albertine Kruse

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

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Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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