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Frauenbios

Käthe Tennigkeit

( Käthe Tennigkeit, geb. Schlichting )
(2.4.1903 Hamburg - 20.4.1944 Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel)
Widerstandskämpferin
Garten der Frauen, Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756 (Erinnerungsstein)
Moschlauer Kamp 24 (Wohnadresse) Stolperstein
Namensgeberin für: Tennigkeitweg, seit 1985
Foto aus "Gedenkbuch KOla-Fu. Für die Opfer aus dem Konzentrationslager, Gestapogefängnis und KZ-Außenlager Fuhlsbüttel". Hamburg 1987.
Die Eltern von Richard Tennigkeit ließen sich vor 1895 in Stettin nieder, wo Richards Vater Christoph (geb. 1871 im Kreis Tilsit) auf der Vulkan-Werft Arbeit als Schmied fand. Ursprünglich lautete der Familienname Tenekait und deutet auf ostpreußische und baltische Wurzeln der Familie hin. Die Mutter von Richard Tennigkeit, Anna, geb. Schwentorus (1871–1937), sprach noch die lettische Sprache. 1911 zog Christoph Tennigkeit ins damals preußische Wilhelmsburg (Köhlbrandstraße 7), wo er ebenfalls auf der Vulkan-Werft arbeitete. Seine politische Orientierung ist nicht bekannt, dürfte aber SPD-nah gewesen sein. Die fünfköpfige Familie wurde schrittweise in Wilhelmsburg ansässig, sie scheint anfangs in Eimsbüttel gelebt zu haben. Richard Tennigkeit besuchte zunächst von August 1914 bis März 1915 die Volksschule in der Bismarckstraße 83. Wahrscheinlich nach Abschluss der neunjährigen Volksschule zog auch er nach Wilhelmsburg. Er und sein jüngerer Bruder Bruno (geb. 1903) erlernten das Metallhandwerk und wurden Dreher. Im März 1920 trat Richard Tennigkeit dem Metallarbeiterverband bei. [1]
Zu diesem Zeitpunkt war auf dem Gelände des ehemaligen Gutes Berne die genossenschaftliche Gartenstadtsiedlung Berne gegründet worden Sie zog viele organisierte Arbeiter aus dem Hafen an, darunter auch Familie Tennigkeit. Dort konnten die Familien sich durch Obstbäume und eigenen Gemüseanbau und die Haltung von Kleintieren in Teilen selbst versorgen. Die Mehrheit der Bewohner war sozialdemokratisch orientiert. In den beiden Haushälften Moschlauer Kamp 22 und 24 lebten die verschwägerten Familien um Christoph und Anna Tennigkeit (Nr. 24) und Bernhard und Luise Pürwitz (Nr. 22) seit September 1926 Wand an Wand. Anna Tennigkeit und Luise Pürwitz waren Schwestern, die bereits in Stettin und Wilhelmsburg beieinander gewohnt hatten.
Richard Tennigkeit, der die Berge liebte, hatte sich im April 1922 nach Lüneburg abgemeldet, um sich als Handwerker auf Wanderschaft zu begeben. Von Juli 1922 bis Mai 1923 lebte er in Darmstadt. Über Stuttgart zog er weiter Richtung Österreich und Balkan. Den Sichtvermerken in seinem Reisepass ist zu entnehmen, dass er sich zwei Monate in Salzburg und zwei Monate in Serbien aufhielt. Von März 1924 bis Oktober 1926 lebte er erneut in Österreich (u. a. in Klagenfurt) und trat dem dortigen Metallarbeiterverband bei.
Im Oktober 1926 kehrte er über Thüringen nach Norddeutschland zurück und ließ sich in der beschaulichen Gartenstadtsiedlung im Nordosten Hamburgs nieder. Dort hatte sich ein reges kulturelles und politisches Leben entfaltet. Richards Bruder Bruno, Dreher bei Kampnagel, spielte Mandoline und sang im „Berner Volkschor e. V.“, der 1924 gegründet worden war und seit 1925 im Clubzimmer der Konditorei Palm probte. Der rund 80 Sänger umfassende Chor gehörte zum Dachverband des „Arbeitersängerbundes“ und trat bei Maifeiern, bei Banner- und Jugendweihen sowie Schul- und Siedlungsfesten auf. Er löste sich 1939 auf. Um 1930 unterhielten der Freie Turn- und Sportverein Berne (FTSV), die KPD und das Reichsbanner eigene Spielmannszüge. Nachdem sich Ende 1931 die Eiserne Front als sozialdemokratisch dominierte paramilitärische Organisation gegründet hatte, gab es beim FTSV Berne eine Schutzsportgruppe.
Richard Tennigkeit und Käthe Schlichting lernten sich Anfang der 1930er-Jahre bei Gewerkschaftskursen kennen Richard war Mitglied im nicht parteipolitisch gebundenen Metallarbeiterverband, Käthe war im Transportarbeiterverband organisiert. Sie stammte aus einer sozialdemokratisch geprägten Familie. Ihr Vater, der Malermeister Heinrich Schlichting, kam aus Lübeck, die Mutter Anna Auguste, geb. Casper (gestorben 1962), aus Kappeln an der Schlei. Die Familie wohnte u. a. 1903 am Barmbeker Markt 8, Haus 3. Käthe besuchte im Stadtteil Winterhude von 1909 bis 1917 die Volksschule in der Barmbekerstraße 30. Sie und ihre Schwester Martha waren in jungen Jahren der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) (heute: Die Falken) beigetreten. Der Bruder Friedrich Schlichting starb nach dem Ende des Ersten Weltkriegs an den Spätfolgen einer Verletzung, die er als Soldat erlitten hatte.
Die Ideen der im April 1917 von der SPD abgespaltenen USPD interessierten auch Käthe Schlichting. Der USPD-Kreisverein Hamburg-Altona war von fachlich oft gut qualifizierten Arbeitern aus dem Metall- und Werftbereich geprägt. Insbesondere die Vulkan-Werft bildete ein Zentrum der USPD. Im Metallarbeiterverband wurde zwischen Mehrheitsgewerkschaftsrichtung und USPD-Anhängern heftig gestritten.
Wann genau Käthe Schlichting in die im Dezember 1918 gegründete KPD eintrat, ist unbekannt. Sie besuchte die Handelsschule, arbeitete als Kontoristin, zog um 1925 mit einer Freundin für zwei bis drei Jahre nach Nürnberg und war Anfang der 1930er-Jahre bei der im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) organisierten Bäckergewerkschaft beschäftigt und organisierte dort die Frauenarbeit. Nebenberuflich war sie als Gymnastikleiterin u. a. bei der PRO (Konsumgenossenschaft Produktion) in Hamburg-Berne tätig, die u. a. sportliche Freizeitangebote machte. Hierfür hatte sie im April 1929 eine Prüfung als Turn- und Schwimmlehrerin abgelegt und im September 1930 ergänzend die „Befähigung als Lehrerin der vorbeugenden und ausgleichenden Leibesübungen“ erworben.
Auch Richard Tennigkeit war mittlerweile Mitglied der KPD. Um 1930 saß er für die KPD im SPD-dominierten Gemeinderat von Farmsen-Berne, wo Jonny Birckholtz (1877–1937) [siehe > Birckholtzweg, in Bd. 3 online**] von der SPD als Gemeindevorsteher den Vorsitz führte und Jonny Schacht (SPD) Gemeinderat war. Bei Wahlen erreichte die SPD in Berne rund 70 Prozent, die KPD 15 bis 20 Prozent.
Richard Tennigkeit hatte 1929 den „Rotsport“ – Sportverein Fichte Eppendorf mitbegründet, wo er in der Herren-Mannschaft Großfeldhandball spielte. Sofort nach der Machtübernahme der NSDAP am 30. Januar 1933 wurden Richard Tennigkeit und seine beiden Brüder, der Tischler Otto Tennigkeit (1905–1980) und der Dreher Bruno Tennigkeit (1903–1981), von einem Greiftrupp aus Polizei und SA verhaftet, allerdings bald wieder freigelassen. Konkrete Vorwürfe gegen sie hatte es nicht gegeben. 1933 wurden KPD und SPD verboten und die Sportvereine Fichte Eppendorf und FTSV Berne aufgelöst. Ebenfalls verboten wurde die SPD-Tageszeitung „Hamburger Echo“; die „Roten Blätter“ konnten 1933/34 nur unter hohem Verfolgungsrisiko in der Illegalität in Eilbek gedruckt werden.
Die Gewerkschaftshäuser wurden am 2. Mai 1933 von SA und SS besetzt und das Gewerkschaftsvermögen beschlagnahmt. Der „Gaubetriebszellenleiter und Beauftragte der N.S.B.O.“ Rudolf Habedank, Leiter der Besetzungsaktion gegen das Hamburger Gewerkschafts- und das Vollksfürsorgehaus und zuständig für die Abwicklung der Gewerkschaften, schrieb Käthe Schlichting am 16 Mai 1933: „Mit Rücksicht auf die erforderliche Umstellung der Verwaltung der Gewerkschaften kündige ich Ihnen vorsorglich Ihr Angestelltenverhältnis zum nächstmöglichen Termin.“ Habedank (geb. 1893 in Mecklenburg), vordem selbstständiger Elektromeister, war 1929 in die NSDAP-Sektion Eppendorf eingetreten und seit 1931 hauptberuflicher Leiter der Nationalsozialistischen Betriebs-Organisation (N.S.B.O.) in Hamburg.
Ab 1933 gehörte er dem Stab des NS-Gauleiters Karl Kaufmann an. In dieser Position eignete er sich einen Teil des geraubten Vermögens missliebiger Organisationen an. Das Einkommen von Rudolf Habedank stieg nach 1933 auf das Zweieinhalbfache seines früheren Verdienstes. Innerhalb weniger Monate waren die alten Strukturen der NS-Gegner zerschlagen. In der Wache der Freiwilligen Feuerwehr Berne war eine provisorische Polizeiwache eingerichtet und am Rand der Berner Gartenstadtsiedlung wurde 1934 im ehemaligen Gutshaus eine SS-Motorradschule stationiert.
Im Juni 1933 heirateten Richard Tennigkeit und Käthe Schlichting. 1935 wurde ihr Sohn geboren. „Sowohl mein Vater als auch meine Mutter haben mir Freude am Lernen vermittelt und meinen Lerneifer durch stetes Lob für gute schulische Leistungen angeregt. Auch haben sie weit über die Hilfe bei Verrichtungen der Hausaufgaben hinaus mir schulisches Wissen durch gemeinsames Rechnen, Lesen und Schreiben vermittelt. Ihr Wunsch war, mir eine höhere Schulbildung zu ermöglichen. Meine Eltern haben mir immer wieder gesagt, daß nur ein kluger Mensch davor geschützt sei, den Irrlehren eines Hitlers zu begegnen (…)“, erinnerte sich der Sohn rund 20 Jahre später. Als mögliches Berufsziel hatten die Eltern für ihn den Lehrerberuf ins Auge gefasst, eine Berufsgruppe, die während des Nationalsozialismus die Indoktrination der Schulkinder mit der nationalsozialistischen Ideologie zu übernehmen hatte. Sich den Sohn als künftigen oppositionellen Lehrer vorzustellen, gibt Aufschluss über die Lebenshaltung des Ehepaares Tennigkeit.
Wanderungen am Wochenende, bei denen Richard Tennigkeit die Geige mitnahm, und Urlaub in der freien Natur bildeten weiterhin das Zentrum der Erholung und des Austauschs. Die obligatorische Kleidung für Wanderungen und Ausflüge waren bei Richard Tennigkeit die dreiviertellangen Knickerbocker-Hosen. Daneben gab es Kontakte zu ehemaligen Mitgliedern der mittlerweile verbotenen Naturfreunde, bei denen viele Bewohnerinnen und Bewohner der Gartenstadtsiedlung aktiv gewesen waren. Auch unternahmen die Tennigkeits Fahrten mit dem damals populären und naturnahen Faltboot („Flusswandern“) und zelteten an der Ostsee. Mitunter fuhren sie mit dem Fahrrad nach Rahlstedt, um dort vegetarische Kost im Reformhaus Friedrich Bein einzukaufen, da der Berner PRO-Laden solche Produkte nicht anbot.
Die Tennigkeits arbeiteten für den kommunistischen Widerstand und beteiligten sich an Sammelaktionen der „Roten Hilfe“ der KPD, die illegale Widerständler unterstützte. Die Nationalsozialisten versuchten insbesondere in Arbeitervierteln mit abschreckenden Aktionen eine Atmosphäre der Angst und Passivität zu erzeugen, so auch in Berne. Dort wurde der schwerkranke Jonny Birckholtz (SPD) 1933 auf einer Trage zum Verhör abgeholt, seine Wohnung wurde von der Gestapo durchsucht. Im November 1933 wurde das Siedlungshaus von Ernst Ehrenpfordt (SPD) in einer nächtlichen Aktion von SA-Leuten umstellt. Die Tür wurde eingetreten und das Haus von mehreren Polizeibeamten durchsucht. Im November 1934 wurde die 20-jährige Gertrud Eke, seit 1928 Mitglied der SAJ mit Tendenzen zur KPD und seit 1926 Bewohnerin der Gartenstadtsiedlung, verhaftet. Sie wurde sechs Wochen interniert und wiederholt verhört. Da sie eine fiktive Person als Kontaktpartner angab und bei ihren Aussagen blieb, wurde sie wieder entlassen. Sie hatte auch Kontakt zu Richard Tennigkeit, der ihr politische Bücher und Hefte lieh. Im März 1935 wurden neun SPD-Genossen aus der Berner Gartenstadtsiedlung verhaftet (von denen zwei im Moschlauer Kamp wohnten) und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Im Mai 1935 wurde die illegale SPD in Farmsen aufgedeckt und zerschlagen. Tennigkeits versteckten Gefährdete wie Max Heyckendorf und Adolf Kummernuß, vermutlich in einer Kammer oder Abseite auf dem Dachboden im Moschlauer Kamp. Adolf Kummernuß (1895–1979), bis 1933 Mitglied der SPD und des Transportarbeiterverbandes, war der Verbindungsmann zwischen den mittlerweile illegalen Arbeiterparteien SPD und KPD, er wurde im Juni 1935 verhaftet und im Stadthaus, der Zentrale der Hamburger Gestapo, gefoltert. Anschließend brachte man ihn ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel, wo er erneut gefoltert und rund ein Jahr in Einzelhaft gefangen gehalten wurde.
Auch Gustav Bruhn (1889–1944), Funktionär der KPD-Bezirksleitung Wasserkante, fand zeitweilig Unterschlupf bei den Tennigkeits. Er war, wie Richard und Käthe Tennigkeit und Max Heyckendorf, Mitglied der im November 1941 gebildeten Jacob-Bästlein-Abshagen-Gruppe und dort zuständig für die Werften; er wurde durch den V-Mann Alfons Pannek Ende 1943 an die Gestapo ausgeliefert und am 14. Februar 1944 im KZ Neuengamme gehenkt. Es bestand auch Kontakt zu Gertrud Meyer [siehe > Gertrud-Meyer-Straße, in diesem Band] (SAJ- und später KPD-Mitglied), die Anfang 1944 verhaftet wurde. Im Juni 1942 verteilte die Gruppe in mehreren hundert Exemplaren das „Merkblatt für Bauarbeiter“ an Arbeiter, die durch die Organisation Todt zwangsverpflichtet waren.
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Richard Tennigkeit nicht zur Wehrmacht eingezogen, da er als Dreher im Hamburger Hafen in kriegswichtiger Produktion eingesetzt war und damit als „unabkömmlich“ galt. Seit August 1936 arbeitete er im Spillingwerk ( Werftstraße 5 beim Reiherstieg), einer Reparaturfirma für Dampfmaschinen und Wendegetriebe. Die Widerstandstätigkeit der Jacob-Bästlein-Abshagen-Gruppe konzentrierte sich hauptsächlich auf Unternehmen aus der Werftindustrie und der Metallbranche. Hier wurde seit Anfang 1942 mit einem Netz aus Unterstützern eine „Betriebszellen-Organisation“ aufgebaut. Ziel war die politische Schulung und Aufklärung der Widerständler sowie die Sabotage in einigen der kriegswichtigen Betriebe. Es gab Kontaktleute bei Blohm & Voss (u. a. der Tischler Jonny Stüve), den Howaldt-Werken, der Stülcken-Werft, der Deutschen Werft, bei der Werkzeugmaschinenfabrik Heidenreich & Harbeck in Barmbek (u. a. Helmut Heins, Hans Stender), der Maschinenfabrik Gall & Seitz (Max Heyckendorf) im Hafengebiet, ganz in der Nähe des Betriebes von Richard Tennigkeit, Kampnagel AG in Winterhude, der Wandsbeker Baufirma Arthur Crone & Co. (Karl Eke, Robert Abshagen, Hein Brettschneider 1904–1944, Hans Christoffers 1905–1942), den Holsatia-Möbelfabriken in Altona-Ottensen sowie Valvo (u. a. Gertrud Meyer).
Im Oktober 1942 gelang es der Hamburger Gestapo in einer großangelegten Verhaftungsaktion, Abshagen, Bästlein und rund 90 weitere Mitglieder der Widerstandsgruppe festzunehmen. Die Tennigkeits blieben zunächst verschont. Von den rund 200 Mitgliedern der Gruppe wurden ungefähr 150 verhaftet, von denen etwa 100 hingerichtet oder erschlagen wurden. Mit Hilfe eines eingeschleusten Spitzels war es der Gestapo Hamburg gelungen, einen Großteil der Gruppe zu ermitteln.
Ein befreundeter Elektriker, der in derselben Straße in Berne wohnte, half, einen überdimensionierten „Blitzableiter“ auf dem Dach des Hauses Moschlauer Kamp 24 zu montieren, der mittels eines Umschalters als Antenne zum Empfang ausländischer Sender genutzt werden konnte. Auf diese Weise konnten Tennigkeits politische Freunde mit abweichenden Informationen zur Kriegslage versorgen.
Möglicherweise infolge einer Denunziation führte die Gestapo am 24. Februar 1944 bei Tennigkeits im Moschlauer Kamp 24 eine Hausdurchsuchung durch. Zwei Männer in schwarzen Ledermänteln in einem schwarzen Auto Marke Wanderer hielten vor dem Haus, was damals in der ländlichen Berner Gartenstadtsiedlung ungewöhnlich war. Nach kurzer Zeit wurde der Sohn, der auf der Straße Fußball gespielt hatte, von seiner Mutter ins Haus gerufen. Dort stapelten sich im Wohnzimmer bereits Bücher und Papiere auf dem Tisch Auch Radioapparat, Kleidung/Wäsche und Schmuck wurden beschlagnahmt. Die Gestapo befragte auch den Sohn zum Aufenthalt von Max Heyckendorff, der aber die bedrohliche Stimmung wahrnahm und auf die Fragen lediglich „weiß ich nicht“ antwortete. Der Sohn wurde zu den Nachbarn geschickt, die Mutter musste ins Auto der beiden Gestapo-Männer steigen.
Ob bei dieser Verhaftung auch der Kriminalsekretär der Gestapo, Henry Helms, beteiligt war, lässt sich nicht nachweisen; er wird jedoch in der Akte des Amts für Wiedergutmachung erwähnt. Richard Tennigkeit wurde auf seiner Arbeitsstelle im Hamburger Hafen verhaftet. Beide wurden ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel eingeliefert. Die Gestapo wollte Aussagen erpressen, so z. B. den Aufenthaltsort des untergetauchten Max Heyckendorf. Gedroht wurde mit der Heimeinweisung des Sohnes.
Zwei Monate später, am 20. April 1944, wurde Käthe Tennigkeit erhängt in ihrer Zelle im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel aufgefunden. Als offizielle Todesursache wurde Selbstmord angegeben, der Wahrheit näher käme wohl „in den Tod getrieben“. Es ist aber auch möglich, dass es sich um einen gewaltsamen Tod in Folge eines „Verhörs“ handelte, der als Selbstmord dargestellt wurde. Die Schwester Martha Schlichting und die Eltern durften die tote Käthe Tennigkeit noch einmal im Hafenkrankenhaus sehen. Eine Todesanzeige im gleichgeschalteten „Hamburger Anzeiger“ informierte über ihren Tod. Zur Beisetzung kamen nicht nur Familienangehörige, sondern auch Arbeitskollegen von Richard Tennigkeit aus dem Spillingwerk. In der Kondolenzliste finden sich ferner die Namen Heyckendorff und Dahrendorff.
Die „Lagerverordnung“ im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gestattete den Häftlingen lediglich, zwei Briefe pro Monat zu schreiben und zu empfangen. Die Post wurde zensiert und bei unerlaubten Briefthemen oder schlecht lesbarer Schrift vernichtet. Am 20. Mai 1944 schrieb Richard Tennigkeit aus „II Saal 6 Fuhlsbüttel“ einen Brief an seine Schwiegereltern: „Endlich kann ich Euch wieder schreiben. Durch meine Verlegung auf einen Saal kann ich immer am 20. jeden Monats schreiben. Eure Briefe habe ich dankend erhalten. Allmählich bekomme ich mein Gleichgewicht wieder, doch ein Leben ohne Käte kann ich mir immer noch nicht vorstellen.“ Saal II war ursprünglich mit 48 Betten ausgestattet aber 1942/43 ständig überbelegt, sodass Häftlinge auf dem Boden oder auf Bänken liegen mussten.
Anfang Juni 1944 wurde Richard Tennigkeit nach rund dreieinhalb Monaten im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel ins Konzentrationslager Neuengamme überstellt, wo er die Häftlingsnummer 35943 erhielt. Am 13. August 1944 bat er seine Schwiegereltern um Briefmarken, „denn ich darf jetzt öfter schreiben. Beachtet bitte meine neue Nummer“. Zwei Wochen später stand in einem Brief an seine Schwiegereltern zu lesen: „Ich bin jetzt Schutzhaftgefangener und wohl bis Kriegsende hier konzentriert. Einen Prozeß werde ich bis dahin wohl auch nicht bekommen. Mir geht es gesundheitlich gut, bin jetzt hier als Dreher beschäftigt …“
Möglicherweise arbeitete er als KZ-Häftling bei der Rüstungsfirma „Mauser-Werke AG“. Aus einem Brief vom 20. November 1944 ging erstmals andeutungsweise sein schlechter gesundheitlicher Zustand hervor: „Schickt mir kein schwarzes Brot, ich kann es schlecht vertragen“, schrieb er an seine Schwiegereltern. Vermutlich litt er zu diesem Zeitpunkt bereits an einer Magen-Darm-Erkrankung. Am 12. Dezember 1944 starb Richard Tennigkeit nach einem halben Jahr im Konzentrationslager Neuengamme. Als offizielle Todesursache wurde Typhus angegeben. Im Bericht des SS-Standortarztes über den Krankenstand im Konzentrationslager Neuengamme für den Zeitraum 26. Dezember 1944 bis 25. März 1945 wurde Typhus nicht ausdrücklich erwähnt, dessen Ursache verseuchte Lebensmittel gewesen sein dürften. Stattdessen wurde allgemein von „Magen- u. Darmerkrankungen“ geschrieben.
Der achtjährige Sohn konnte nach der Verhaftung seiner Eltern noch sechs Monate zusammen mit den Untermietern in dem Berner Siedlungshaus bleiben. Danach zog er zu Onkel und Tante nach Rahlstedt; der Onkel übernahm auch die Vormundschaft. Der Vorstand der Gartenstadt-Genossenschaft, der für die Wohnungsbelegung zuständig war und 1933 seine Gremiumsmitglieder auswechseln musste und dessen neuer Vorstand nun in der NSDAP organisiert war, genehmigte den Erhalt des Wohnrechts an dem Siedlungshaus für den Sohn von Richard und Käthe Tennigkeit.
An Käthe und Richard Tennigkeit erinnert seit Ende der 1940er Jahre eine Plakette am Haus, die von der VVN gestiftet wurde.
Text: Björn Eggert, entnommen aus: www.stolpersteine-hamburg.de
Quelle:
1 Für den gesamten Beitrag Tennigkeit: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 221-11 (Entnazifizierung), Z 8005 (Rudolf Habedank); StaH 332-5 (Standesamt), 4480 u. 4/104 (Sterberegister 1935); StaH 332-5 (Standesamt), 4514 u. We 307 (Sterberegister 1946); StaH 332-8 (Meldebücher- u. Karteien Wilhelmsburg, 1892–1927), Bruno, Richard und Christof Tennigkeit; StaH 332-8 (Hausmeldekartei), Film 2549 ( Moschlauer Kamp); StaH 351-11 (AfW), 050900; StaH 351-11 (AfW), 061035; Hamburger Anzeiger 26.4.1944 (Mikrofilm im StaH 741-4, Sign. S 12611); AB 1903, 1920 (Heinrich Schlichting); FZH/WdE 99 (Gertrud Eke); Stadtarchiv Darmstadt, Melderegisterblatt (1922/23); Herbert Diercks: Gedenkbuch Kola-Fu, Hamburg 1987, S. 12, 40 (m. Abb.), 41; Claudia Müller-Ebeling: Berne damals, Hamburg 1994, S. 110, 111, 116, 118, 120–121 (m. Abb.); Ursel Hochmuth/ Gertrud Meyer: Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand 1933–1945, Frankfurt/Main 1969, S. 107, 351 (Fußnote 20), 353 (Flugblatt), 359f., 371f. (Bruhn), 374–375 (Helms, Gestapo), 384, 385, S. 386 (Heyckendorf); Ursel Hochmuth: Illegale KPD und Bewegung „Freies Deutschland“ in Berlin und Brandenburg 1942–1945, Berlin 1998, S. 45–46, 52, 72; VVN/BdA Fuhlsbüttel-Langenhorn-Norderstedt: Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel, Hamburg 1983, S. 46, 68; ötv Bezirksverwaltung Hamburg: Dokumentation Stadthaus in Hamburg, Hamburg 1981, S. 17–18 , 19–21; Werner Johe: Neuengamme – Zur Geschichte der Konzentrationslager in Hamburg, Hrsg. Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, Hamburg 1986, S. 76–80; Ulrike Sparr: Stolpersteine in Hamburg-Winterhude. Biographische Spurensuche, 2008, S. 44–49, 116–121; Carmen Smiatacz: Stolpersteine in Hamburg-Barmbek und Hamburg-Uhlenhorst. Biographische Spurensuche, 2010, S. 46–48; Projektgruppe Arbeiterkultur Hamburg: Vorwärts – und nicht vergessen, Arbeiterkultur in Hamburg um 1930, Hamburg 1982, S. 192–193, S. 206; Klaus Bästlein: „Hitlers Niederlage ist nicht unsere Niederlage, sondern unser Sieg!“ Die Bästlein-Organisation. Zum Widerstand aus der Arbeiterbewegung in Hamburg und Nordwestdeutschland während des Krieges (1939–1945), in: Beate Meyer/Joachim Szodrzynski (Hrsg.), Vom Zweifeln und Weitermachen. Fragmente der Hamburger KDP-Geschichte, Hamburg 1988, S. 44–101; Werner Skrentny (Hrsg.): Hamburg zu Fuß – 20 Stadtteilrundgänge durch Geschichte und Gegenwart, Hamburg 1987, S. 266/267; Volker Ullrich: Die USPD in Hamburg und im Bezirk Wasserkante 1917/18, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Band 79, Hamburg 1993, S.133–162; Karl Ditt: Sozialdemokraten im Widerstand, Hamburg in der Anfangsphase des Dritten Reiches, Hamburg 1984, S. 88; www.garten-der-frauen.de/frauen; Gespräche mit W. T., September 2009 und Juli 2010.
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

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Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

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Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae

Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons

März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

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Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

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Dr. Rita Bake
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Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

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Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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