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Frauenbios

Christa Hoffmann-Riem

(31.8.1937 Duisburg – 19.8.1990 Hamburg)
Professorin für Soziologie
Allende-Platz 1: Universität Hamburg, FB Soziologie (Wirkungsstätte)
Bestattet auf dem Wohldorfer Friedhof, Ole Boomgaarden, Grablage: Xc 34
Christa Hoffmann-Riem wurde am 31.08.1937 in Duisburg geboren, studierte an der Kölner Universität Soziologie und schloss ihre Studien bei Prof. René König – einem politisch Verfolgten des NS-Regimes und nach Rückkehr aus der schweizerischen Emigration einem der namhaftesten Vertreter der Soziologie Nachkriegsdeutschlands – ab. Sie arbeitete zwei Jahre lang an dem unter Königs Leitung stehendem Kölner Institut für Selbsthilfe und Sozialforschung und promovierte 1964 mit einer Forschungsarbeit über die Kommunikation einer Gewerkschaft mittels deren Zeitschrift. Nach einem Aufenthalt als Research Follow an der California-Universität von Berkeley lehrte sie seit 1966 Soziologie an der Universität Hamburg, seit 1977 als Professorin.
Schwerpunkte ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit waren vor allem die Familien- und Sprachsoziologie. Ihr methodischer Fokus lag auf der qualitativen Sozialforschung, besonders der Erzähl- und Biographieforschung.
Theoretisch orientierte sich Christa Hoffmann-Riem an dem Symbolischen Interaktionismus (eine soziologische Theorie, die sich mit der Interaktion zwischen Personen beschäftigt und auf dem Grundgedanken fußt, dass die Bedeutung von sozialen Objekten, Situationen und Beziehungen im symbolisch vermittelten Prozess der Interaktion/Kommunikation entsteht [1]) und der Phänomenologischen Soziologie (eine am genauen Beobachten und intuitiven Zusammenfügen von sozialen Tatsachen orientierte Sozialwissenschaft, die nicht von übergeordneten Theorien her ableitet oder empirisch auf Datenerhebungen und Statistiken beruht [2]). Ihre Prinzipien der qualitativen Sozialforschung Offenheit und Kommunikation fasste Christa Hoffmann-Riem 1980 in einem Aufsatz zusammen, der auch außerhalb der Soziologie starke Beachtung fand. [3]
Ihr bekanntestes wissenschaftliches Werk ist „Das adoptierte Kind. Familienleben mit doppelter Elternschaft.“ aus dem Jahre 1984. Es beruht auf narrativen Interviews von 30 Adoptiv-Elternpaaren, um die Lebenswirklichkeit des adoptierten Kindes zu konstruieren – seinerzeit eine neue methodische Technik in der Soziologie.
In dem Nachruf ihres Soziologie-Kollegen Prof. Gerhard Kleining von der Hamburger Universität wird Christa Hoffmann-Riems Persönlichkeit und berufliches Wirken wie folgt beschrieben: „Offenheit und Gesprächsbereitschaft, ihre methodologischen Forderungen für Soziologieforschung, waren auch markante Kennzeichen ihrer eigenen Persönlichkeit. Sie war frei von Dogmatismus, offen für das Wagnis wissenschaftlicher Erkenntnis. Sie war gleichermaßen offen für das Gespräch mit Kollegen, die ihren Rat suchten. In besonderem Maße davon profitiert haben Studierende. Ihre Veranstaltungen, glänzend vorbereitet, waren sehr gut besucht, ihre Praktika hoch geschätzt. Als Betreuerin von Examensarbeiten und Dissertationen war sie stark gefragt. Dabei hat sie eine erhebliche Arbeitslast auf sich genommen in der behutsamen Hilfe für Studierende auf ihrem Weg zur Wissenschaft.“ [4]
Ihr Bruder und ebenfalls Soziologe, Gerhard Riemann, und ihre Doktorandin und spätere Soziologie-Professorin in Hamburg, Marianne Pieper, charakterisieren einen „unprätentiösen und bescheidenen Praxisstil“ und beschreiben „…ein ganz selbstverständliches Bemühen, mit denen im Gespräch zu bleiben, um die es in ihrer Forschung geht, zu ihrer Selbstverständigung beizutragen und – darüber hinaus – ihre soziologischen Einsichten gegenüber einem nichtsoziologischen Publikum zu vermitteln, um auf bestimmte Risiken oder Gefahren aufmerksam zu machen oder Handlungsspielräume auszuloten. Sie war weit davon entfernt, viel Aufhebens um diesen Praxisstil zu machen, er gehörte einfach zu ihrer Person. … Es handelt sich um ihre Antwort auf Fragen, denen sie nie ausgewichen ist – Fragen nach den forschungsethischen Grundlagen und der Praxisrelevanz des eigenen Forschungshandelns, die häufig in den Alltagsroutinen von Sozialwissenschaftlern in Vergessenheit geraten oder verdrängt werden.“ [5]
Deshalb setzte sich Christa Hoffmann-Riem 1984 auch energisch gegen die Pläne des Hamburger Jugendamtes ein, die Aufbewahrungsfristen der Adoptionsakten auf drei Jahre zu verkürzen. Dadurch würde es adoptierten Kindern unmöglich gemacht, an Informationen über ihre eigene Herkunft zu gelangen. In zahlreichen Eingaben an Hamburger Behörden und Politikern setzte sie sich tatkräftig und unter Ausweis ihrer nachgewiesenen Kompetenz – sie hatte gerade ihre Arbeit über das adoptierte Kind abgeschlossen – für die Erhaltung der Adoptionsakte als eines „biographisch wichtigen Dokuments der Adoptierten“ ein. Gemeinsam mit Adoptiveltern, einer Interessengruppe von Adoptierten und in diesem Bereich tätigen Sozialarbeiterinnen konnte Christa Hoffman-Riem die Vernichtung der Adoptionsakten verhindern. [6]
Schon 1984 hatte Christa Hoffmann-Riem durch einen bösartigen Tumor ein Auge verloren und darüber einen beeindruckenden autobiographischen Bericht auf Englisch verfasst. [7]
Grabstein Christa Hoffman-Riem, Quelle: ©kulturkarte.de/schirmer
Christa Hoffmann-Riem starb am 19.08.1990 an einer Krebserkrankung. Sie wurde mitten aus ihrem akademischen Leben gerissen – sie arbeitete an einer Studie zur lebensgeschichtlichen Erfahrungen von Arbeitsimmigrantinnen in Deutschland, an einem Projekt über Chancen und Risiken gentechnisch gestützter pränataler Diagnostik und wollte den Stellenwert der reproduktionsmedizinischen Behandlung in den Biographieverläufen der betroffenen Paare untersuchen. „Im Mai [1990] erfährt sie dann von ihrer Diagnose, es verändert sich alles. Sie kämpft gegen die Krankheit, sie nimmt ihr Sterben an. Dann kommt sehr schnell der 19. August.“ [8]
Die Christa-Hoffmann-Riem-Stiftung vergibt seit 1998 den „Preis für Recht und Gesellschaft“, mit welchem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgezeichnet werden, die sich durch ihr Werk insgesamt oder durch herausragende einzelne Arbeiten um die Forschung an den interdisziplinären Grenzbereichen des Rechts besonders verdient gemacht haben.
Das Hans-Bredow-Institut der Universität Hamburg (heute Leibniz-Institut für Medienforschung Hans-Bredow-Institut) hat den mit 10.000 EUR dotierten Christa Hoffmann-Riem-Preis für qualitative Sozialforschung zurecht nach ihr als einer Pionierin dieser Forschungsrichtung benannt.
Text: Ingo Böhle
Quellen:
1 Siehe u. a. Jakob Krüger: Symbolischer Interaktionismus nach Herbert Blumer. Grundsätze und Methoden. Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen, Wintersemester 2010/2011 ( https://docplayer.org/39195805-Symbolischer-interaktionismus-nach-herbert-blumer-grundsaetze-und-methoden.html).
2 Siehe u. a. Bühl, Walter L.: Phänomenologische Soziologie. Konstanz (UVK) 2002.
3 Die Sozialforschung einer Interpretativen Soziologie - Der Datengewinn. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 32, 1980, Heft 2, S. 339-372.
4 Gerhard Kleining: In memoriam Christa Hoffmann-Riem. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 42(4), S. 801 Losing a Significant Part of the Body ( www.ssoar.info/ssoar/handle/document/4103).
5 Marianne Pieper/Gerhard Riemann: Einleitung. In: Elementare Phänomene der Lebenssituation: Ausschnitte aus einem Jahrzehnt soziologischen Arbeitens. (Interaktion und Lebenslauf, 8). Weinheim 1994, S. 8-9.
6 Ebenda, S. 13-15.
7 Christa Hoffmann-Riem: Losing a Significant Part of the Body. In: Elementare Phänomene der Lebenssituation: Ausschnitte aus einem Jahrzehnt soziologischen Arbeitens. (Interaktion und Lebenslauf, 8). Weinheim 1994, S. 353-363.
8 Ebenda, S. 8.
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

Hammonia

Hamburger Frauenbiografien-Datenbank

Erklärung zur Datenbank

Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Zuletzt eingetragene Namen

Wesentlich aktualisiert im Januar 2024: Emma Gertrud Eckermann
Januar 2024: Astrid Matthiae
Februar 2024: Gisela Engelin-Hommes, Barbara Ahrons
März 2024: Abel Margaretha Sophia Forsmann
Wesentlich aktualisiert im März 2024: Albertine Kruse

Was erwartet Sie in der Frauenbiografie-Datenbank?

Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

Wir stellen keineswegs nur „prominente“ Frauen oder hehre Vorbilder vor – sondern auch das Wirken und Leben der „kleinen Frau“ auf der Straße, die oft im Stillen gearbeitet hat, für die Familie, die Stadt, die Partei, die Kunst, für sich.

Darüber hinaus präsentieren wir Ihnen auch Orte, Einrichtungen, Vereine und Themen, die für Frauen von historischer Bedeutung waren und sind.

An dieser Datenbank wird kontinuierlich gearbeitet. Es werden laufend neue Namen und Rechercheergebnisse eingestellt.

Wie nutzen Sie die Datenbank?

  • Sie kennen den Namen einer Frau – und möchten mehr wissen?
    Dann geben Sie den Namen ein. Sie finden: Wohn- bzw. Wirkungsstätte und mehr oder weniger ausführlich biografische Daten, ggf. mit Hinweisen auf weitere Veröffentlichungen, Webseiten.
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Die einzelnen Frauen sind in der Regel mit einer Adresse verzeichnet – für ihre Wohnung bzw. ihren Wirkungsort. Mehrere Umzüge und Ortswechsel können in der Regel nicht recherchiert werden.

Achtung: Die Namen und Verläufe von Straßen haben sich oft verändert. Wer wissen möchte, wo bestimmte Hausnummern heute zu finden sind, muss alte Stadtpläne oder u. U. Grundbucheintragungen einsehen. Es gibt beim Statistikamt Nord einen alte Kartei der so genannten "Hausnummerhistorien", in der sich alte und neue Hausnummern gegenüberstehen. Bei Umnummerierungen von Hausnummern aber auch bei Umbenennungen von Straßennamen kann hier eine raschere Auskunft möglich sein, als über den Vergleich von alten und neuen Lageplänen (freundliche Auskunft von Jörg-Olaf Thießen Staatsarchiv Hamburg). Wer dann noch nicht weiter kommt, sollte sich an das Staatsarchiv wenden. Viele Stadtpläne sind bereits online einsehbar.

Verantwortlich für die Datenbank:

Dr. Rita Bake
stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg a. D.
Gründerin des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof

Die Datenbank wurde von ihr zusammengestellt und wird laufend von ihr ergänzt und erweitert.
Diverse Frauenbiografien sind von verschiedenen Autorinnen und Autoren verfasst worden. Die Namen der Autorinnen und Autoren finden Sie jeweils am Ende ihrer Beiträge. Es gibt auch eine Rubrik: Autorinnen und Autoren, in der Sie deren biografische Angaben finden.

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