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Frauenbios

Margit Zinke

( Margit Zinke, geb. Fleischner )
(18.1.1914 in München - am 21.4.1945 im KZ Neuengamme erhängt)
Widerstand gegen das NS-Regime
Falkenried 26 (Wohandresse) Stolperstein
Namensgeberin für: Margit-Zinke-Straße
Margit Zinke, Bild: KZ Gedenkstätte Neuengamme
In den dreißig Jahren, die ihr gegeben waren, lebte Margit Zinke ein bewegtes und mutiges Leben.
Von ihrer leiblichen Mutter, der Arbeiterin Katharina Meier, von der sie noch Margarete genannt wurde, gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben, kam sie zu dem Ehepaar Woldemar Emil Fleischner und Martha Fleischner. Er war Berufssoldat. Im Range eines Majors schied er aus gesundheitlichen Gründen 1919, gerade 37 Jahre alt, aus dem Militärdienst aus. Das Paar scheint aber weiterhin über genügend Einkommen verfügt zu haben, dass es sich, wie berichtet wird, einen großzügigen Lebensstil leisten konnte, zunächst in Neuburg, dann in Donauwörth und seit 1924 in Hamburg, in einer stattlichen Wohnung im Jungfrauenthal 49. Margarete/Margit blieb das einzige Kind der Fleischners.
Ihr war eine standesgemäße Erziehung zugedacht. So kam sie mit zehn Jah­ren in Hamburg auf die Katholische Höhere Mädchenschule am Holzdamm, eine von Ursulinen-Schwestern geleitete Privatschule. Das Schulgeld betrug 25 RM pro Monat, das war zu jener Zeit nicht wenig. Die Schülerinnen kamen denn auch zumeist aus wohlhabenden Kreisen, vor allem der Konsulatsangehörigen katholischer Länder Lateinamerikas und Afrikas. Zwangsläufig kam es damit zu einer gewissen Weltoffenheit an der Schule, was die Strenge der Ursulinerinnen etwas relativierte.
Aus allen Berichten der ehemaligen Mitschülerinnen geht hervor, dass Margit nicht nur eine gute Schülerin und beliebte Klassenkameradin, sondern besonders bei Ausflügen, Feiern und Sportveranstaltungen voll mitreißenden Tatendrangs war, dabei verschiedentlich aber auch als vorlaut und dominant empfunden wurde. Mit Begeisterung war sie in der Hockeymannschaft des HSV aktiv.
Die auf Disziplin bestehende Erziehung im Hause Major Fleischner und bei den Ursulinerinnen konnte Margit nicht davon abbringen, den Mund aufzumachen, wenn ihr etwas nicht passte. Es kam zu Schwierigkeiten mit den Erzieherinnen. Bei einigen Mitschülerinnen galt Margit als „Rebellin“. Fleischners nahmen sie 1931, da war sie 17 Jahre alt, von der Höheren Mädchenschule am Holzdamm und brachten sie im Internat der Ursulinerinnen in Eutin unter. Auch hier wurde sie, wie sich Mitschülerinnen erinnern, „wegen ihrer Streiche“ wiederholt zur Schulleiterin zitiert. Mit der Mittleren Reife verließ sie im Frühjahr 1932 Eutin und kehrte nach Hamburg zurück.
Bald kam es zu schweren Konflikten mit den Adoptiveltern (die Margit bislang für ihre leiblichen Eltern gehalten hatte), die schließlich zum vollständigen Bruch führten: Im HSV hatte Margit den drei Jahre älteren Polizeiwachtmeister Heinrich Speckin kennengelernt. Sie stellte ihn den Eltern vor, er fiel als „nicht standesgemäß“ durch. Margit hielt an der Beziehung fest und verließ, noch nicht volljährig, 1934 das Haus. 1935 heirateten Margit und Heinrich. Er – die Gründe sind unklar – hatte unterdessen den Polizeiberuf aufgegeben oder aufgeben müssen und war Hafenarbeiter geworden. Man schlug sich mit Mühen durch, vor allem, da rasch nacheinander drei Kinder geboren wurden: 1936 Maria-Luise, 1937 Claus-Uwe, 1939 Lars. Heinrich Speckins Mutter, Minna Speckin, die am Langenkamp, dem heutigen Poelchaukamp, in Winterhude einen Tabakladen mit Ladenwohnung hatte, sprang bei und nahm Maria-Luise bei sich auf.
Die Ehe mit Heinrich Speckin hielt nicht. Heinrich, der kurz nach der Geburt des Jüngsten außerdem zum Kriegsdienst eingezogen worden war, hatte sich einer anderen Frau zugewandt. Margit reichte die Scheidung ein, die im Januar 1942 vollzogen wurde.
Heinrich Speckin kam zwar (bis zu seinem plötzlichen Tod am 18. Dezember 1944 wegen eines Lungenleidens, das er sich vermutlich im Krieg zugezogen hatte) seinen finanziellen und persönlichen Verpflichtungen als Vater der drei Kinder gewissenhaft nach, doch blieb Margit nichts übrig als ihre Ansprüche weiter zu reduzieren. Noch im Frühjahr 1942 zog sie mit Claus-Uwe und Lars, jetzt knapp fünf bzw. drei Jahre alt, in eine kleine Wohnung – Wohnküche, zwei Zimmerchen – der Terrassenhausanlage am Falkenried 26, Haus 10, Erdgeschoss.
Wie sie sich und die Kinder finanziell über die Runden brachte, wissen wir nicht. Es muss äußerst schwer gewesen sein. Mit Sicherheit nahm sie keinen Kontakt zu ihrer wohlhabenden Adoptivmutter auf. (Major Fleischner war bereits im Mai 1934, kurz vor ihrem Auszug aus dem Jungfrauenthal, an Lymphdrüsenkrebs gestorben.)
Nun lebte sie also, die einst gutbürgerlich-behütete Tochter mit höherer Schulbildung, allein mit zwei kleinen Kindern mitten in kleinbürgerlich-proletarischem Milieu der Falkenried-Terrassen in enger Nachbarschaft zu alteingesessenen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sowie Kommunistinnen und Kommunisten. Linke Parteien waren ja schon längst illegal, aber einzelne Mitglieder immer unter Verdacht bei den braunen Machthabern, ihren Schnüfflern und Zuträgern.
Beim Einzug Margit Speckins 1942 in das Falkenried (damals Otto-Blöcker-Straße) lebte ihr schräg gegenüber, im Haus 13, Paul Zinke. Er war 41 Jahre alt, seit zehn Jahren liiert mit der 52-jährigen Witwe Hermine Marr und hatte mit ihr einen sieben Jahre alten Sohn, Albert Lohrberg, nach dem Geburtsnamen der Mutter benannt.
Paul Zinke war gelernter Elektriker und arbeitete auf der Stülkenwerft. Er war ein politischer Mensch und hatte einiges hinter sich. Nach seinem Selbstverständnis ursprünglich „Freidenker“, hatte er sich in den frühen 1920er Jahren radikalisiert und der Arbeiterjugendbewegung angeschlossen. 1923 war er an den von kommunistischer Seite unternommenen Versuchen einer bewaffneten revolutionären Erhebung in Mittel­deutschland beteiligt gewesen. 1925 war er in Königsberg offiziell der KPD beigetreten. Seit spätestens 1932 lebte er in Hamburg, weiterhin aktiv in der seit Februar 1933 verbotenen Kommunistischen Partei. Im Juli 1935 wurde er verhaftet. Wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ kam er für neun Mo­nate ins Gefängnis.
Als sich Margit und Paul kennenlernten und näher kamen, auch in offenen und ausgedehnten Gesprächen über die NS-Diktatur und ihre Verbrechen, war Paul längst wieder in der Illegalität tätig: Um ihn und Ernst Fiering hatte sich bei Stülken eine „antifaschistische Zelle“ gebildet, der sich auch russische und polnische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter anschlossen und die in immer enger geknüpftem Kontakt stand zu der bedeutendsten Widerstandsorganisation speziell in den Großbetrieben des Hafens, zur Gruppe um Bernhard Bästlein, Franz Jacob und Robert Abshagen.
Neben der Unterstützung der slawischen Gefangenen und Zwangsarbeiter auf der Werft bei ihrem Kampf um das tägliche Überleben waren die wichtigsten Vorhaben der Gruppe um Fiering und Zinke für 1942 vor allem der Aufbau einer geheimen Funkstation und Empfangsanlage zum gemeinsamen Abhören von „Feindsendern“ (hier war der Elektriker Zinke gefragt), das Besorgen einer Vervielfältigungsmaschine sowie die Herstellung gefälschter Dokumente für Untergetauchte und von Lebensmittelkarten, dies vor allem, um den halb verhungerten Zwangsarbeitern und -arbeiterinnen aus dem Osten besser beistehen zu können.
Am 11. Januar 1943 wechselte Zinke als Elektriker in das Schiffbaubüro der AEG. Warum wis­sen wir nicht. Sein Lohn dort betrug 0,98 RM die Stunde.
Die politische Tätigkeit Zinkes in Hamburg wurde am 28. Juni 1943 jäh unterbrochen: Er wurde zum Militär eingezogen. Das Großdeutsche Reich, bereits deutlich im Abstieg begriffen, brauchte nun bald jeden Mann zur Abwehr des Untergangs. Als politisch Vorbestrafter war Zinke allerdings „wehrunwürdig“ – also wurde er in das Bewährungsbataillon 999 gesteckt. (Diese auffällige Zahl sollte deutlich machen, dass die Bewährungs-Formationen nicht zu den regulären Verbänden gehörten.) Die Bewährungseinheiten waren zwar nicht ganz so gefürchtet wie die Strafkompanien des SS-Sonderbataillons Dirlewanger, aber auch sie rekrutierten sich aus politischen Delinquenten und Kriminellen, Betrügern, Einbrechern, Totschlägern, die zum Teil direkt aus dem Zuchthaus kamen. Nur in den aus Hamburg kommenden Transporten überwogen bis zuletzt „die Politischen“ mit mehr als 60 Prozent gegenüber den Kriminellen. Die Ausbildung war brutal. Erschießungen wegen Nichtigkeiten waren nichts Außergewöhnliches.
1943/44 waren die „999er“ hauptsächlich dazu bestimmt, die von den regulären Verbänden in Afrika, auf dem Balkan und später auf der Krim aufgegebenen Stützpunkte doch noch zu halten und feindliche Kräfte zu binden, meist kaum bewaffnet, ohne Nachschub, ohne Verpflegung – verblutende, verhungernde Haufen.
Paul Zinke hatte auch hier trotz allem Glück: Er wurde einer „Ersatzeinheit“ zugeteilt, in Jugoslawien als Lagerwache für sowjetische Offiziere eingesetzt und überlebte. Es gibt unbestätigte Hinweise, dass er einmal sogar kurz Heimaturlaub hatte. Dass er und andere deutsche Kommunisten der Einheit Kontakt zu jugoslawischen Partisanen hatten und Pläne zur Befreiung von Gefangenen schmiedeten, wie KP-Genossen später verbreiteten, lässt sich nicht belegen.
Sicher ist, dass er nach zehn Monaten, Ende April 1944, aus dem Bewährungsbataillon frei kam, doch nach wenigen Tagen war er wieder erfasst und der Organisation Todt (OT) zugeteilt. In diesem Verband, der zum Teil unter härtesten Bedingungen, in ständiger Eile, in Tag- und Nachtschichten kriegsnotwendige Bauten aus der Erde oder in die Erde stampfte, Bunker, Flugplätze, Abschussrampen, oft attackiert von feindlichen Angriffen, arbeitete Zinke die nächsten sieben Monate, bis September 1944, an wechselnden Einsatzorten in Frankreich und Deutschland, unter anderem in Trier und auch in Hamburg, was immerhin die Begegnung mit Freunden und Genossen ermöglichte.
Auch Margit hatte sich im Laufe der NS-Zeit und dann besonders während des Krieges und der zunehmenden Bombardements zu einer entschiedenen Gegnerin der NS-Herrschaft entwickelt. Die „rebellische Schülerin“ der Ursulinerinnen ließ sich auch jetzt nicht einschüchtern. Es ist gesichert, dass sie, mit zwei, später mit drei Kindern bepackt, bei Fliegeralarm im Bunker der Falkenried-Terrassen offen auf Hitler und die Nationalsozialisten schimpfte. Einmal soll sie sogar eine Hakenkreuzfahne, die im Hof aufgehängt war, heruntergenommen haben. Ohne sofortige Sanktionen waren solche Handlungen wohl nur in einem entsprechend gestimmten Umfeld wie dem Falkenried möglich. Wohlwollende Nachbarn warnten sie.
Ihr unvorsichtiges Verhalten war wiederholt auch Thema bei den geheimen Zusammenkünften der Partei- und Gesinnungsgenossen um Fiering und Paul, zu denen Margit mehr und mehr gehörte. Sie galt, obwohl sie kein Mitglied der KPD war, als „treue Genossin“. Spätestens seit den großen Bombardements auf Hamburg im Juli/August 1943 wurde sie in höchst gefährliche Aktionen des Widerstandes aus dem Hafen einbezogen.
Nach den Zerstörungen, die die „Operation Gomorrha“ im Juli/August 1943 auch an Staatsgebäuden und Gefängnissen angerichtet hatte, stand die Justizverwaltung chaotischen Verhältnissen gegenüber und sah sich veranlasst, rund 2000 Straf- und Untersuchungsgefangenen Hafturlaub zu geben, um wenigstens die Verwahrung der bereits Verurteilten zu sichern. Der Urlaub war auf zwei Monate begrenzt. Dann sollten sich alle freiwillig zurückmelden. Diese Auflage zeigt, in welch katastrophalem Zustand die Hamburger NS-Verfolgungsbehörden zu jenem Zeitpunkt waren, denn es war natürlich klar, dass die Freigelassenen jede Gelegenheit nutzen würden, unterzutauchen. Unter den Freigelassenen waren etwa 70 Männer und Frauen, die in der Organisation Bästlein-Jacob-Abshagen aktiv waren oder mit ihr in Verbindung standen, wie beispielsweise Zinkes.
Es wurden also sichere Verstecke gebraucht, für einige Nächte, für einige Wochen. Paul Zinke war mit dem Bewährungsbataillon in Jugoslawien, Margit Zinke schien eine gute Adresse. Einige der Abgetauchten fanden hier für ein, zwei Tage Unterschlupf. Ein besonders gefährdeter Flüchtling und wichtiges Mitglied der Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe war Hans Hornberger. Margit sollte ihn im äußersten Notfall bei sich unterzubringen. Ob er das Versteck nutzte, wissen wir nicht mit Sicherheit.
Schon im August 1943 war die Gestapo wieder unter Hochdruck dabei, die Entkommenen aufzuspüren, unter Folter zu Aussagen zu zwingen und entschlossen, sie nicht erneut aus den Fingern zu lassen. (Hornberger wurde im Januar 1944 gefangen und im Februar 1944 in Neuengamme ermordet.)
In den Bekanntenkreis um Fiering und Zinke wurde im Dezember 1943 ein Spitzel, der ehemalige KP-Mann Alfons Pannek, eingeschleust, der bei den Betroffenen keinen Verdacht weckte, der Gestapo aber in anderen Fällen bereits beste Dienste geleistet hatte. Paul Zinke, der mit der OT zeitweilig in Hamburg war und im September 1944 ganz aus ihr frei kam, traf sich verschiedentlich mit ihm, völlig ahnungslos.
Margit und Paul hatten am 1. Juli 1944 geheiratet. Am 10. Juni war eine Tochter geboren worden, Ursula Zinke.
Am 27. November 1944 wurde Paul Zinke verhaftet und, wie auch Ernst Fiering, dessen Frau und Schwester sowie andere aus der Gruppe, ins Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel gebracht.
Am Abend des 3. oder 4. Februar 1945 wurde auch Margit Zinke verhaftet und nach Fuhlsbüttel gebracht. Eine Nachbarin im Falkenried, Frau Annemüller, hatte die Verhaftung zufällig beobachtet: „Ich war gerade draußen vor der Tür, wollte meine Kinder reinholen, da sehe ich zwei Männer in Zivil da in das Haus reingehen. Hab ich gedacht, Mensch, ob die zu ihr gehen? … Dat dauerte gar nicht lange, da kamen die beiden mit ihr raus, hatten sie in der Mitte, die Kinder standen vor der Tür und schrien und weinten ,Mama, Mama‘, und sie sind mit ihr weggegangen und wir haben sie auch nie wieder gesehen.“ Die drei Kinder – das jüngste, Ursula, war acht Monate alt – wurden von einer weiblichen Person, die bei der Verhaftung dabei war, mitgenommen und kamen, nach einer kurzen Zwischenstation bei Großmutter Speckin, in verschiedene Hamburger Familien zur Pflege.
Von Margit Zinke ist aus dem Gefängnis ein mit Bleistift geschriebener Brief vom 23. März 1945 erhalten. Er ging an Minna Speckin und an Maria-Luise, die erste Tochter. Sie hatte an diesem Tag achten Geburtstag. Wir erfahren nichts über die Umstände, unter denen Margit lebte, aber von den Sorgen, die sie sich um die Kinder machte. So bat sie Großmutter Speckin, aus der Wohnung einige Dinge zu holen, die die Kinder brauchten, vor allem aber solle sie den Zucker zurückfordern, den sie einer Nachbarin geliehen hatte. Denn den bräuchten die Kinder doch. Dieser Brief ist das einzige schriftliche Zeugnis, das von Margit Zinke erhalten ist. Es ist zugleich ihr letzter Brief.
Denn der Tod der „Schutzhäftlinge“ war bereits beschlossen. Den unausweichlichen Untergang ihres Tausendjährigen Reiches vor Augen, waren die Führer von SS und Gestapo entschlossen, zu vernichten, was sich ihnen entgegengestellt hatte und ihnen ausgeliefert war. Die Gestapo hatte sogenannte Liquidationslisten erstellt mit den Namen von Mitgliedern der Widerstandsorganisationen und von anderen Oppositionellen, die sie sich in Fuhlsbüttel und anderswo bereits gesichert hatten, darunter auch einige sowjetische Kriegsgefangene und französische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die unangenehm aufgefallen waren. Auf diesen Listen standen die Namen von 13 Frauen und 58 Männern. Zur Ermordung freigegeben waren auch Margit und Paul Zinke.
Anfang April 1945, als sich die Alliierten der Stadt näherten, gab der Chef der SS und Polizei im Wehrkreis X (Hamburg), SS-Gruppenführer Georg Henning Graf Bassewitz-Behr (starb im Januar 1949 in sowjetischer Haft), den Befehl, das Gestapo-Gefängnis in Fuhlsbüttel zu räumen, die Gefangenen ins weitgehend geleerte KZ Neuengamme zu bringen und dort die Listen abzuarbeiten.
Die Transporte fanden zwischen dem 18. und dem 20. April statt. Überliefert ist der Bericht der letzten Kalfaktorin des Frauengefängnisses, Ellen Katzenstein. Die Frauen ahnten nicht, was ihnen bevorstand. Sie dachten, sie seien über einen Zwischenaufenthalt auf dem Wege zur Freilassung. „Alle befanden sich in freudiger Erregung. Sie zeigten sich gegenseitig die Bilder ihrer Kinder und Männer.“
In den Nächten zwischen dem 21. und dem 24. April wurden alle 71 Personen in Neuengamme ermordet.
Die Frauen waren die ersten Opfer. „Sie mussten sich völlig entkleiden. Dann wurden sie in zwei Gruppen, je sechs nebeneinander, gehängt.“ Eine, Erika Etter, die Jüngste, war als Dreizehnte übrig geblieben. Sie wurde als Einzelne aufgehängt. Als den Mördern dabei nicht alles wunschgemäß gelang, erschlugen sie sie.
Die Männer, die nun an der Reihe waren, wussten, was ihnen bevorstand. Sie verbarrikadierten die Bunkertür und setzten sich zur Wehr, als die SS gewaltsam einzudringen versuchte. Dabei wurde der Schutzhaftlagerführer Thumann verletzt. Die SS warf schließlich Handgranaten durch die Bunkerfenster und tötete so einen Teil der Männer. Weitere wurden erschossen. Die Übriggebliebenen konnten nun erhängt werden.
Margit Zinke wurde 30, Paul Zinke 44 Jahre alt. In Hamburg-Bergedorf ist seit 1995 eine Straße nach ihr benannt.
Text: Johannes Grossmann aus: www.stolpersteine-hamburg.de
Quellen:
AfW 180114 Zinke, Margit; AfW 090301 Zinke, Paul; AfW 100644 Zinke, Paul; StaH, 352-5 Gesundheitsbehörde, Todesbescheinigungen 1934, 614, 3C Woldemar Fleischner; Gesamtschule Bergedorf, Margit-Zinke – Eine Frau aus dem Widerstand, 1990; Gedenkbuch Kola-Fu (1987), S. 53; Rehm (1991); Hochmuth/Meyer (1980); Gertrud Meyer (1971); Puls (1959); Holtmann (2010); Klaus Bästlein, Hitlers Niederlage, in: Meyer/Szodrzynski (Hrsg.), Vom Zweifeln und Weitermachen, 1988, S. 77ff.; Bake, Wer steckt dahinter?, 2009; Auskünfte von Albert Lohrberg, 15.11.2010; Auskünfte von Maria-Luise Speckin, 23.11.2010; Auskünfte von Herbert Diercks, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, 3.1.2011; Auskünfte von Claus-Uwe Speckin, 14.1.2011.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen unter www.stolpersteine-hamburg.de.
 

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Frauen, die in Hamburg Spuren hinterlassen haben
(Datenbank Stand: März 2024) Frauen stellen mindestens die Hälfte der Menschheit. Wenn es aber um Erinnerungen geht, sind es immer noch in der Mehrzahl Männer, die die Spitzenplätze einnehmen.

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Stand März 2024: 1316 Kurzprofile von Frauen und 437 sonstige Einträge z. B. Vereine, Aktionen, Zusammenschlüsse und Überblicksdarstellungen zu Themen der Frauenbewegungen.

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Die Zahlen allein für Hamburg sind ernüchternd: 2868 Verkehrsflächen sind nach Männern und Jungen (8) benannt (darin enthalten: Literarische Gestalten (86), frei gewählte männliche Vornamen (12) sowie nach Familien benannte Straßen (198). Letztere wurden zu den Männerstraßennamen zugezählt, weil hier in erster Linie die männlichen Familienangehörigen gemeint sind, die in vielen Fällen mit Namen genannt werden bzw. ihre Berufe aufgezählt werden).
Nur 474 Straßen sind nach Frauen und Mädchen (9) benannt. (Das sind 14% der nach Personen benannten Straßen. Darin enthalten sind: Literarische Gestalten (39), frei gewählte weibliche Vornamen (21) sowie nach Frauen und Männern benannte Straßen (66). Bei Letzteren handelt es sich in erster Linie um nachträglich nach Frauen mitbenannte Straßen, die ehemals nur nach den Nachnamen von bedeutenden männlichen Familienangehörigen benannt worden waren) (Stand: Januar 2024).

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Anzahl der Denkmäler und Erinnerungstafeln. Auch bei Ehrungen und Auszeichnungen wird oft an IHN und nur wenig an SIE gedacht.

Trotz aller Leistungen von Frauen scheint die Erinnerung an sie schneller zu verblassen, sind die Archive und Netze der Erinnerung besonders löchrig - erweist sich die Wertschätzung weiblichen Wirkens als gering. Wie oft heißt es, wenn auch Frauen geehrt werden könnten:

„Uns ist dazu keine Frau von Bedeutung bekannt!“

Ein Argument, das in Zukunft keine Chancen hat, denn es gibt jetzt diese Datenbank. Eine Bank, die ihren Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen verspricht, denn das Kapital ist das historische Wissen. Geschöpft aus Archivmaterialien, Lexika, Zeitungsartikeln und –notizen, aus veröffentlichten Biografien, zusammengetragen und erforscht von Einzelpersonen etc., bietet die Datenbank die beste Voraussetzung für eine hohe gesellschaftliche Wirksamkeit - im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit. Die Früchte dieser Datenbank sollen die Bedeutung von Frauen für Hamburgs Geschichte leicht zugänglich machen und selbstverständlich in den Alltag von heute tragen.

Im Mittelpunkt stehen verstorbene Frauen, die in Hamburg gewirkt und/oder gewohnt und die Spuren hinterlassen haben. Das können Autorinnen, Schauspielerinnen, Wohltäterinnen, Kneipenwirtinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen, bildende Künstlerinnen, Sängerinnen, Unternehmerinnen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen, Juristinnen, Journalistinnen, Widerstandkämpferinnen gegen und Opfer des NS-Regime etc. sein – aber auch Täterinnen.

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