Für die EU-Kommission war sie ein Erfolg: die Zukunftskonferenz, die 2021 und 2022 die Meinung von Bürgerinnen und Bürgern eingeholt hat. Doch das Maß von Erfolg liegt im Auge des Betrachters. Zwar haben sich knapp 50.000 Bürgerinnen und Bürger beteiligt und dabei rund 19.000 Ideenvorschläge sowie 22.000 Kommentare hinterlassen. Gemessen an den 450 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist das aber nicht außerordentlich viel.
Zur Auswahl stand ein Online-Plattform sowie vier Bürgerforen, um eigene Ideen einzubringen. Eine, die davon Gebrauch gemacht hat, war die 24jährige Studentin Joy Clara Schäflein aus Magdeburg, für die die Konferenz eine bisher einmalige Möglichkeit darstellte, „sich direkt an die RepräsentantInnen der drei europäischen Institutionen zu wenden und so öffentlichkeitswirksam Wünsche und Erwartungen zu formulieren. Vor allem die Themen Gleichberechtigung und europäische Grundrechte, soziale Gerechtigkeit, Bildung, fair verteilter Wohlstand und Klimaschutz waren den BürgerInnen unfassbar wichtig“, sagt sie.
Auch, dass die Konferenz mit „einer großen Sammlung an gut durchdachten und begründeten Vorschlägen“ endete, hebt sie positiv hervor. Nun verbleibe aber die Sorge, „ob diese Vorschläge wie versprochen ernstlich, ehrlich und unverfälscht weiterverfolgt und umgesetzt werden.“
Immerhin sollen laut EU Bürgerforen zu den Themen
- Lebensmittelverschwendung,
- Lernmobilität und
- virtuelle Welten
die Entscheidungsträger in Brüssel künftig beraten.
Doch es gibt ein weiteres Problem. Denn viele Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger setzen voraus, dass sich die EU in entscheidenden Punkten reformiert. Dazu zählt etwa die Abschaffung des Prinzips der Einstimmigkeit bei politischen Entscheidungen. „Viele unserer Vorschläge würden bei Einstimmigkeitsentscheidungen nicht bestehen können“, fürchtet Joy Clara Schäflein.
Auch Lars Becker, Landesvorsitzender der Europa-Union Hamburg, kritisiert, dass „die EU-Kommission Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger mit weniger Enthusiasmus aufgegriffen hat, wenn diese nicht in die bestehende Agenda passten. Es ist deshalb wichtig, bei den Anliegen am Ball zu bleiben, die die Kommission und der Rat nicht verfolgen möchten“. So wie die Initiative NoVeto, die sich unabhängig von der Zukunftskonferenz dafür einsetzt, die Vetomacht einzelner EU-Mitglieder zu reduzieren.