Zu Besuch im Höllenschlund
Die Pforte öffnet sich wuchtartig, ein Mann taucht wie aus dem schwarzen Nichts von hinten auf und flüstert ins Ohr: "Huahahaha.....jetzt geht es in die Dunkelheit.....du wirst steeeeeeeeeeeeeeeerbeeeeen!". Aus dem hallenden Gebäude sind angsterfüllte Schreie zu vernehmen, die nichts Gutes zu verheißen haben. Es knarzt aus der Ecke, plötzlich löst sich ein Skelett aus der Wand. Die Augen leuchten rot durch den Nebel. Der düstere Tunnel ist erfüllt von einem seltsamen Geruch, einer Mischung aus Dunst, altem Holz, Schmiere und dem typischen DOM-Duft nach gebrannten Mandeln und Pommesfett, der von außen in das Gefährt eindringt. Was erwartet mich wohl hinter der nächsten Ecke? Innerlich angespannt, die Nerven auf Alarmbereitschaft gestellt geht es weiter. Ein brüllendes Monster in Gestalt eines überdimensionalen Gorillas lauert mir auf, ein furchteinflößender Teufel scheint nach mir greifen zu wollen.
Begegnung mit dem Erschrecker
Und urplötzlich steht da ein echter Mensch, kreidebleich mit Blut unterlaufenen Augen, tiefen Furchen in seinem unheimlichen maskenartigen Gesicht, er hält einen abgerissenen Menscharm in der Hand und sagt: "Du kommst in die Gruuuuuuuuuuuuuuuft!". Ganz schön gruselig und dann erschrecke ich tatsächlich. Nachdem ich an ausgemergelten Figuren mit weit aufgerissenen Augen und an fiependen Mäusen vorbeigefahren bin und ich mich innerlich auf ein sicheres Ende der "Höllenfahrt" eingestellt habe, öffnen sich die Tore ins Helle und ich zucke zusammen, als ein Mann mit laufender Kettensäge neben mir steht. Meine Güte! Damit hätte ich nicht gerechnet. Doch dann muss ich einfach loslachen. Trotz Schreck und leichtem Unbehagen hat die Geisterbahnfahrt einfach Spaß gemacht. Der Wagen wird wieder in seine Ausgangsposition manövriert.
Ein außergewöhnliches Hobby
"Der Spaß und die Schreie sind unser Lohn! Dann wissen wir, dass wir es richtig gemacht haben.", sagt Mathias Arp. Seit über 10 Jahren ist er aus Leidenschaft Erschrecker auf dem Hamburger DOM. "Es dürfte wohl mein 32. DOM sein!". Zusammen mit seinen rund 25 Bekannten aus dem Scream-Team verbringt er an mehreren Wochentagen seine Freizeit in der DOM Geisterbahn der Familie Rasch. "Andere Segeln oder gehen Golfen, ich verkleide mich und erschrecke Menschen." Einen Lohn erhalten er und das Team nicht. "Wir sind froh, dass wir unser Hobby hier vollkommen ausleben können und die Chance haben, uns in andere Charaktere zu verwandeln und gleichzeitig Menschen zu erschrecken und ihnen Freude zu bereiten!" Dafür zeigen Mathias Arp und das Scream-Team einen gehörigen Einsatz. Alles wird selbst von ihnen arrangiert, vom Puder und Zahnlack über die Kakerlake an der Wange bis hin zum Kostüm und den Requisiten wie Säbel, Kettensäge, nahezu echt wirkende abgerissene Menschenarme und Nebelmaschinen. Jedes Teammitglied hat sich über die Jahre hinweg einen kleinen Fundus zusammengetragen.
Kreativität und Einfühlungsvermögen
Für die Verwandlung in den DOM-Erschrecker braucht Mathias Arp rund eine Stunde. Oft kommt er direkt von der Arbeit zum DOM, richtet sich im Wohnwagen hinter den DOM Geistern her und stürzt sich dann in das Vergnügen. Je nach Wochentag ist er dann 8 bis 12 Stunden in der Geisterbahn tätig. Das Hobby erfordert dabei viel Kreativität und Einfühlungsvermögen. Wer denkt, es sei damit getan, sich hinter eine Tür zu stellen und einmal "Buh" zu rufen, ist weit gefehlt. Mathias Arp stellt sich auf die verschiedensten DOM-Besucher ein und hat über die Jahre hinweg gelernt, wie stark er eine Situation oder die "Schmerzgrenze" des Einzelnen ausreizen kann. "An Kinder würde ich niemals mit einer Kettensäge rangehen! Wenn ein schreckhaftes jugendliches Mädchen kommt, muss man sich auch schon mal zurücknehmen." Kreativität erfordern auch die unterschiedlichen Auftritte. Das Scream-Team arbeitet mit anderen Geisterbahnen zusammen, ist in Freizeitparks, zu Halloween, zu Events in Maislabyrinthen, auf Privatfeiern und sogar in Schulen zu sogenannten "Gruselnächten" unterwegs und schlüpft immer wieder in neue Rollen.
Von Amerika auf den Hamburger DOM
Dass Mathias Arp so ein ungewöhnliches Hobby hat, ist ihm tatsächlich nicht in die Wiege gelegt. Berührungen zu Volksfesten hatte er zwar schon seit seiner Kindheit. Sein Großvater war in einem Ort in der Nähe von Hamburg in der Stadtverwaltung für die Platzvergabe auf Volkfesten zuständig. Doch das Interesse am Erschrecken wurde erst durch eine Reise in die Vereinigten Staaten geweckt. Sein erstes großes Hobby sind nämlich Freizeitparks, von denen es in den USA unzählige gibt. "In den Freizeitparks der USA wird Halloween groß zelebriert! Dort sind wir auf Erschrecker gestoßen und haben uns gedacht: Das wollen wir auch in Deutschland ausprobieren."
Eine nicht-alltägliche Erfahrung für Erschrecker und Gäste
Gesagt, getan. Inzwischen ist das Erschrecken fester Bestandteil in Mathias Arps Leben. Wenn er gerade keine DOM-Besucher erschreckt, testet er hauptberuflich Hard- und Software für einen Windenergieanlagen-Hersteller. "Mein Hobby ist auch ein Ausgleich zu meiner eher kopflastigen Arbeit im Büro. Außerdem können wir hier etwas machen, was im Alltag nicht geht. Wo könnte man auf der Straße einfach Leute erschrecken oder mit einer Kettensäge herumlaufen, ohne dass die Polizei nach zwei Minuten alarmiert ist?" Umgekehrt ist wohl auch das der Grund, warum Geisterbahnen noch genauso attraktiv sind wie zum Zeitpunkt ihrer Erfindung. "Die Gäste erhoffen sich eine Erfahrung, die sonst im Alltag in der Form nicht verfügbar ist. Sich aktiv zu gruseln ohne dass davon eine echte Gefahr ausgeht, ist selten möglich. Im Fernsehen läuft das alles viel passiver ab. Hier sind die Leute live dabei, können diese Erfahrung für sich austesten und dabei auch noch Spaß haben. Schließlich wollen wir hier niemanden vollkommen in Angst und Schrecken versetzen, sondern lediglich an eine Grenze gehen ohne sie zu überschreiten."
Ungewissheit nutzen
Wie das am besten funktioniert, hat der DOM-Erschrecker über viele Jahre ausprobiert. "Wir nutzen dabei vor allem den Überraschungseffekt. Wir tauchen spontan aus der Dunkelheit auf, gehen näher an die Menschen ran, als es Figuren in der Geisterbahn tun könnten. Wir kommen von hinten oder von der Seite. Von oben wäre auch möglich, ist aber schwerer umzusetzen. Außerdem gehen wir mit immer wieder neuen Sprüchen auf die Besucher ein. Die verschiedensten Reaktionen sind unser Lohn." Die Begeisterung für dieses besondere Hobby spricht aus den Erzählungen von Mathias Arp. Sobald er geschminkt ist, im "Schlund" der Geisterbahn steht, scheint er wie verwandelt und geht vollkommen in der Rolle auf.
Schrecklich schöne Gruselmomente
Warum Mathias Arp so gerne auf dem DOM ist? Es ist das Flair. "Die Lichter, die Gerüche, das Essen und vor allem die verschiedenen Menschen. Der DOM bietet für jeden etwas. Für Nostalgiker das Kettenkarussell, für Familien die vielen Kinderkarussells, für Action-Fans Achterbahn, Break Dancer und vieles mehr. Das macht es so schön." Völlig selbstvergessen entgeht ihm dabei, dass ja auch er und das Scream-Team mit den vielen eigentümlichen Gestalten und Rollen, die sie einnehmen, für die Vielfalt auf dem Hamburger DOM sorgen. Denn was wäre der Hamburger DOM ohne eine Fahrt mit der Geisterbahn und seinen schrecklich schönen Gruselmomenten?