Film: https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/585939
„Das sind die Attraktionen, das sind die Sensationen dieser Erde, das sind die restlichen 17 Weltwunder, die die Menschheit noch nicht gesehen hat. Beeilen Sie sich, meine Herrschaften, bevor das Jahr zu Ende geht.“ Wie ein echter Schausteller preiste im Jahr 1950 der Sprecher der Kino-Wochenschau die Attraktionen des Hamburger Winterdoms an.
Seit 1892 auf dem Heiligengeistfeld
Der Hamburger Winterdom hat Geschichte. Schon seit dem Mittelalter gibt es ihn. Ursprünglich war er ein Weihnachtsmarkt im Dom am Speersort. Daher rührt auch sein Name. Doch die Kirche wurde 1805 abgerissen. Überall auf die Stadt verteilten sich zur Weihnachtszeit die Schausteller nun mit ihren Geschäften. Diese wurden immer professioneller und aufwändiger: Die Erfindung von Dampfmaschine und elektrischem Licht modernisierte auch den Winterdom. Ab 1892 war der Markt wirtschaftlich so wichtig für Hamburg geworden, dass die Stadt ihm das Heiligengeistfeld zusprach.
Neue Deutsche Wochenschau in Hamburg
Wie der Winterdom, hat auch die Wochenschau im Kino eine lange Tradition in Hamburg. Bevor das Fernsehen Nachrichten als Bild mit Ton in die Wohnstuben brachte, sah man im Kinovorprogramm, was sich kürzlich in der Welt, in Stadt und Land zugetragen hatte. Die Neue Deutsche Wochenschau (kurz NDW) war eine Hamburger Institution.
Seit 1950 produzierte die Neue Deutsche Wochenschau GmbH die NDW in der Hansestadt. Jede Woche erschien eine neue Folge mit einer Länge von zehn Minuten. Die Wochenschau war eine bunte Mischung: Sie enthielt (wenig) Politik, (viel) Sport, Modenschauen, Tierberichte, Berichte über Staatsempfänge und Katastrophen im Ausland, aber ebenso regionale Nachrichten. Die Kameramänner suchten und fanden ihre Stories im gesamten Bundesgebiet. Aber immer wieder gab auch der Produktionsstandort Stoffe vor. So zeigte die Hamburger NDW die Stapelläufe neuer großer Schiffe – und die Eröffnung des Winterdoms.
Der Winterdom 1950 in der NDW
In der NDW-Ausgabe vom 21. November 1950 war der Winterdom der Aufmacher. Die bewegten Bilder zeigen einen lebhaften und trotzdem besinnlichen Winterdom mit traditionellen Lebkuchenständen, lachenden Kindern und rasanten Fahrgeschäften. Sie sind nicht nur bei Tageslicht, sondern auch am Abend mit ihrer lockenden Neonschrift zu sehen. Die Kamera zeigt Jahrmarkt-Impressionen in Vogelperspektive – darunter die noch heute beliebte Wildwasserrutsche und Riesenräder.
Polizeiorchester auf Achterbahn-Fahrt
Um im Beitrag eine anschauliche Story erzählen zu können, hat das Filmteam die Polizeikapelle bei ihrem Dom-Besuch begleitet. Offenbar fuhr ein Kameramann selbst mit den Beamten bei der vergnüglichen Achterbahn mit. Erstaunlicherweise spielten die Beamten dabei scheinbar sogar auf ihren Instrumenten. Alle waren mit vollen Einsatz dabei! Auch der Kameramann Erich Stoll ist auf wilder Fahrt in einem Fahrgeschäft zu sehen. Er ist leicht an seinem weißen Schopf zu erkennen und war den Zuschauern als langjähriger NDW-Reporter vermutlich gut bekannt.
Drehorgel-Melodien und launige Kommentare
Traditionelle Drehorgel-Melodien, mit denen der Beitrag unterlegt ist, und der launige Kommentar des Wochenschau-Sprechers lassen den Kino-Zuschauer die Atmosphäre des Winterdoms beinahe miterleben. Fast kann man Zuckerwatte und gebrannte Mandeln riechen. Zuletzt schwenkt eine drehende Gondel mit einem Fahrgast aus dem Filmbild, sie wird geradezu ‚verschluckt‘. Hier sieht man die typische Wochenschau-Gestaltungsweise: Bilder und Töne sind harmonisch komponiert und ziehen die Aufmerksamkeit auf sich – mit einem seh- und hörbaren Schlusspunkt.
Für den Winterdom jenseits des Kinos aber war noch lange nicht Schluss. Der hatte 1950 mit dem Wochenschau-Film gerade erst begonnen: 423 Fahrgeschäfte lockten in jener Saison knapp 900.000 Besucherinnen und Besucher an – ein großer Erfolg für die frühen 1950er Jahre.
Quelle: NDW Nr. 43 vom 21.11.1950, BArch, Bestand Film: https://www.filmothek.bundesarchiv.de/video/585939
Zu den Autorinnen
Dr. Alina Laura Tiews, Historikerin, promovierte an der Universität Münster und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg. Sie ist seit 2009 für verschiedene Hamburger Museen freiberuflich tätig. Aktuell entwickelt sie ein neues Forschungs- und Ausstellungsprojekt zur Sozial- und Kulturgeschichte des Hamburger DOMs.
Dr. Sigrun Lehnert, Medienwissenschaftlerin, studierte Medienmanagement (M.A.) und promovierte an der Universität Hamburg zum Thema „Wochenschau und Tagesschau in den 1950er Jahren“. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Vermittlungsstrategien audiovisueller Medien, Wochenschauen, Dokumentarfilm und Fernsehdokumentarismus.