Grundlage für gewaltpräventives Handeln sind:
- eine solide Informationsbasis über die an der eigenen Schule vorfindlichen Konflikt- und Gewaltformen,
- die Erfahrungen der Jugendlichen,
- der Wunsch zur Veränderung im eigenen Entscheidungsspielraum,
- die Bereitschaft zur Kooperation mit außerschulischen Institutionen und
- ein Überblick über geeignete Maßnahmen.
Es sollte zwischen folgenden Typen von Konflikt- und Gewalthandlungen unterschieden werden.
Alltägliche Schülerkonflikte
in Form von verbaler Gewalt (Hänseln, Beleidigen, Anschreien, sich über andere lustig machen, Verleumden) und körperlichen Auseinandersetzungen (Schubsen, Treten, Hauen, etwas Wegnehmen, jemanden nicht in Ruhe lassen, Spucken, usw.) gehören teilweise zum jugendtypischen Sozialverhalten und es ist weder sinnvoll noch gewünscht, sie vollständig abzuschaffen.
Allerdings sollten Jugendliche lernen, wie man konstruktiv mit Konflikten umgehen kann, ohne dass jemand durch das eigene Verhalten zu schaden kommt. Eine konstruktiver Konfliktkultur stützt sich auf drei Säulen:
- Klare, transparente und einheitliche Regeln und Konsequenzen für Konflikte an der Schule,
- effektive und überprüfter Programme zur Gewaltprävention, die im Rahmen des Schulentwicklungsprozessen mit allen Beteiligten abgestimmt sind sowie
- eine strukturierte und schulformbezogene Lehrerfortbildung für verschiedene Aspekte der Gewaltprävention.
Typische Jugendgewaltdelikte
sind u.a. Körperverletzungen, Raubtaten, Diebstähle und typische Regelverletzungen im Rahmen von Schule (Schlagen, Bedrohen, Mobbing).
Zentrale Ansätze bei der Bekämpfung sind Normenverdeutlichungen bei den Jugendlichen (häufig in Zusammenarbeit mit der Polizei), Kooperation der Institutionen und Etablierung von Hilfesystemen für gefährdete Jugendliche. Diese Ansätze sind bei 95 Prozent der Jugendlichen erfolgreich. Nicht erfolgreich sind sie jedoch bei der besonders problematischen Gruppe der Intensivtäter/Mehrfachtäter in devianten Gruppen bzw. Banden, für die zusätzlicher Handlungsbedarf besteht.?
Schwere Gewalttaten
(wie in Erfurt, Meißen, Freising), bei denen planvoll und gezielt Lehrkräfte in der Schule ermordet wurden.
Diese Vorfälle stellen eine neue Herausforderung dar, für die es Vorschläge zu sichten und zu überprüfen gilt: Zusätzliche technische und bauliche Sicherheitsmaßnahmen, spezifische Lehrerfortbildungen, Trainings vor allem für Lehrerinnen und Lehrer in Extremsituationen persönlicher Bedrohung, Fortbildungen für Schulleitungen, Checklisten zur Identifizierung von Risikoschülern, aber auch verstärkte Bemühungen um eine Schulkultur mit fürsorglichem Klima.
Bei akuten Vorfällen kann die folgende Checkliste Gewalthandlungen unter Jugendlichen eine Orientierung bieten, alle erforderlichen Schritte nacheinander abzuarbeiten.
Checkliste: Massive Gewalthandlung unter Jugendlichen
Sofortmaßnahmen
- Einschreiten der Lehrkräfte, Unterbindung des Geschehens, Distanz zwischen Kontrahenten
- Sofortige Information über Gewalthandlung an Schulleitung und Klassenleitung
- Versorgung des Opfers sicherstellen (z. B. Erstversorgung in der Schule, Arzt oder Notruf 112)
- Bei Gefahr im Verzug: Einschaltung der Polizei - Tel. 110)
- Grenzziehung durch Schulleitung und ggf. Suspendierung des/der Tatverdächtigen (HmbSG § 49 Abs. 7)
Einschalten wichtiger Institutionen
- Information der Sorgeberechtigten (Opfer, Tatverdächtige)
- ggf. Information der zuständigen Institutionen (Meldebogen für Gewaltvorfälle, wenn strafbare Handlungen vorliegen), inkl. Dokumentation des Vorfalls.
Pädagogische und Ordnungsmaßnahmen
- Bearbeitung des Vorfalls in der Schulgemeinschaft (Klasse, Elternbrief usw.)
- Opferbegleitung (z.B. telefonischer Kontakt, Hausbesuch)
- Dokumentation des Vorfalls
- Einleitung von schulischen Ordnungsmaßnahmen (Anhörungen, Klassenkonferenz usw.)
Entscheidungen und Rückkehr in den Alltag
- Entscheidung über Ordnungsmaßnahmen:
- Aspekte: Reue des Täters, Angst des Opfers, Wirkung in der Schule
- Entscheidung über Ordnungsmaßnahmen (von Verweis bis Umschulung)
- eventuell schulpsychologische Stellungnahme
- Integration des Opfers
- Integration und fachliche Begleitung des Täters (in alter oder neuer Schule)
Umfang und Struktur der Jugendgewalt
Pressemeldung Dunkelfeldstudie
Am 19. Juni stellte Prof. Dr. Peter Wetzels (Universität Hamburg) im Landesinstitut die Ergebnisse der 3. Dunkelfeldstudie zu Gewalthandlungen unter Jugendlichen in Hamburg vor. In der Presseerklärung finden Sie den Foliensatz seines Vortrages.