Die städtebauliche Erhaltungsverordnung dient der Sicherung erhaltenswerter Gebäude, Ensembles oder baulicher Anlagen von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung. Die räumliche Festlegung erfolgt als Erhaltungsverordnung nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. In Gebieten im Geltungsbereich städtebaulicher Erhaltungsverordnungen können Genehmigungen für die Errichtung, den Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen aus besonderen Gründen nach § 172 Absatz 3 BauGB versagt werden. Auch für Bauvorhaben nach § 60, Anlage 2 HBauO - genehmigungsfreie Vorhaben - ist eine Genehmigung einzuholen.
Die folgenden Ausführungen bilden eine erste Orientierung für das Bauen im Geltungsbereich städtebaulicher Erhaltungsverordnungen nach § 172 BauGB. Da jedes Gebiet einen eigenen Milieucharakter hat, sind gestalterische, planerische und bauliche Maßnahmen immer einzelfallbezogen zu betrachten und ortsgebunden zu beurteilen.
Neubauten
Gebäude, die konstituierende Bestandteile des Erhaltungsgebietes darstellen, sind zu erhalten. Der Abriss von Altbauten steht unter einem besonderen Genehmigungsvorbehalt. Falls ein Abriss sich städtebaulich vertreten lässt, ist für einen etwaigen Neubau Folgendes zu beachten:
- Neubauten müssen sich gestalterisch in die Umgebung einfügen, aber auch als Ausdruck ihrer Zeit erkennbar sein.
- Der Gebietscharakter muss erhalten und möglichst in seiner Wirkung bestärkt werden.
- Maßstäblichkeit, Formensprache sowie Materialität und Farbgebung der Umgebung sind zu berücksichtigen.
An- und Zubauten
Die Anpassung von Altbauten an heutige Arbeits- und Lebensverhältnisse sowie die Errichtung von Nebengebäuden verändern den räumlichen Gesamteindruck einer Straße oft erheblich und sind deshalb ortsgebunden zu beurteilen. Anbauten und Nebengebäude müssen sich in den Gebietscharakter einfügen.
- Ein direkter Bezug zwischen Altbau und An- bzw. Zubau muss gegeben sein. Der Anbau muss sich an die Dimensionierung des Altbaus anpassen und mit ihm im gestalterischen Einklang stehen.
- Rückwärtige Anbauten müssen sich in ihrer Dimensionierung und gestalterisch in die Bebauungsstruktur der Nachbarschaft einfügen.
- Nebengebäude sind den Hauptgebäuden unterzuordnen.
Fassadengestaltung
Die Fassade ist prägender Bestandteil eines Hauses sowie des Straßenbildes und bedarf deshalb gestalterischer Aufmerksamkeit:
- Die gestaltungswirksamen Fassadengliederungen sind zu erhalten und müssen ablesbar bleiben.
- Wesentliche Details, wie Stuck, plastische oder reliefartige Elemente sind zu erhalten.
- Die Auswahl und die Farbgebung des Fassadenmaterials sind sorgfältig mit dem Architekturstil des Gebäudes abzustimmen und sollen sich grundsätzlich aus dem fassadeneigenen Licht- und Schattenspiel ergeben.
- Gründerzeitliche Schmuckfassaden und profilierte Klinkerfassaden sind grundsätzlich zu erhalten.
- Material und Farbe der Fenster sind einheitlich zu wählen und sollten nicht als Einzelelement ersetzt werden.
- Fensterachsen, -maße und ursprüngliche Unterteilungen sollten bei Erneuerungen erhalten bleiben.
- Der Eingangsbereich sollte entsprechend seiner herausragenden Bedeutung als Visitenkarte des Gebäudes gestaltet werden.
- Eingänge im Souterrain sind nicht zulässig.
Balkone und Loggien
- Aufgeständerte Balkone zur Straßenseite sind generell unzulässig.
- Zur Gebäuderückseite sind Balkone bis zu einer Tiefe von 1,80m zulässig.
- Balkone müssen sich in die Fassadengliederung einfügen und einen ausreichenden Abstand zur Gebäudeecke einhalten. Grundsätzlich haben sich Balkone auch in ihrer Breite unterzuordnen.
- Bei der Gestaltung der Absturzsicherung ist auf die charakteristischen Merkmale der jeweiligen Bauepoche Bezug zu nehmen.
- Geländer zur Absturzsicherung sind als Stabgeländer in einer dezenten Farbgebung auszubilden.
Dachausbauten
Das Dach schließt ein Gebäude nach oben ab. Es sollte in seiner Form und Ausführung zurückhaltend und ruhig wirken und zum Gebäude in harmonischer Beziehung stehen. Daher sind folgende Aspekte im Rahmen von Dachausbauten zu beachten:
- Gauben und Dacheinschnitte sollen sich in ihrer Proportion und Gesamtlänge der Dachfläche unter-ordnen und Bezug auf die Fassadengliederung nehmen. Sie sind möglichst auf der straßenabgewandten Gebäudeseite zu errichten.
- Dachgauben dürfen die First- und Trauflinie nicht durchbrechen, sie sollen mindestens zwei Pfannen über der Traufe und deutlich unter dem First liegen.
- Gauben und Dacheinschnitte in der zweiten Ebene (Spitzbodenebene) sind nicht zulässig.
- Gauben sollen nicht breiter als die darunter liegenden Fenster sein.
- Neue Elemente, wie z.B. Dachausstiegsbauwerke, sind in Höhe und Fläche auf das funktionale notwendige Maß zu beschränken.
- Dachflächenfenster sind flächenbündig gestalterisch verträglich im Dach anzuordnen.
- Die Mischung unterschiedlicher Elemente ist zu vermeiden.
Dachterrassen
- Dachterrassen auf Flachdächern sind, falls zulässig, in der Fläche zu begrenzen und müssen sich in Relation zur Dachfläche deutlich unterordnen. Aufständerungen sind zu vermeiden.
- Die Dachterrasse muss mindestens 2,00 m zur Nachbargrenze und von den Gebäudekanten nach innen abrücken.
- Dachausstiegsbauwerke dürfen eine Höhe von 1,60 m nicht überschreiten.
Vorgärten
Eine wichtige Zielsetzung aller städtebaulichen Erhaltungsverordnungen ist der Erhalt von millieuprägenden Vorgärten im Bestand und damit der Schutz vor milieuunverträglicher Intensivierung der Nutzung von Vorgärten.
- Vorgärten sind grundsätzlich gärtnerisch begrünt zu gestalten.
- Eine Versiegelung darf den Anteil von 30 % nicht überschreiten.
- Zuwegungen zu Gebäuden sind immer auf kürzestem Wege und gradlinig auszuführen. Es sollen nur notwendige Zugänge und Zufahrten angelegt und befestigt werden.
- Rampen zu Kellergaragen sind knapp zu bemessen und unauffällig auszuführen (§ 9 und § 10 GarVo).
- Grundstückszufahrten dürfen eine Breite von 2,50 m, in Einzelfällen (nur bei breiten Grundstückszuschnitten) von 3,00 m nicht überschreiten. Zu den seitlichen Grundstücksgrenzen soll mindestens ein 1,00 m breiter Streifen unbebaut bleiben und begrünt werden.
- Der Vorgarten soll von baulichen Anlagen freigehalten werden.
- Abfallbehälter, Stellplätze und Abstellanlagen für Fahrräder ohne Überdachungen sind im Einzelfall in kleinerem Umfang zulässig. Sie sind gestalterisch zurückhaltend auszuführen und auf das notwendige Maß zu beschränken sowie in die Gesamtgestaltung einzubetten.
- Vordertreppen und Veranden sind untergeordnet und achsenbezogen auf die jeweilige Fassade abzustimmen.
- Abgrabungen vor Keller- und Souterrainräumen sind nur als Kasematten in einer Tiefe von max. 1,00m zulässig.
Gartengestaltung von Hausgärten
Eine weitere wichtige Zielsetzung der städtebaulichen Erhaltungsverordnung ist der Erhalt, bzw. die Wiederherstellung der rückwärtigen Hausgärten.
- Die Gartenbereiche sind so wenig wie möglich durch Terrassenflächen und Wegeführungen zu versiegeln. Sie sind grundsätzlich gärtnerisch zu gestalten zu bepflanzen.
- Ebenerdige Terrassenflächen sollten wie Abgrabungen ebenfalls einen ausreichenden Abstand von mindestens 1,00 m Breite zur Grundstücksgrenze einhalten.
- Aufgeständerte Terrassen sind nur in direkter Hausnähe bis zu einer Tiefe von 2,00 m zulässig.
- Terrassenüberdachungen sind nur zulässig, wenn sie sich aus der Gebäudetypologie entwickeln.
- Abgrabungen sind auch an der Gebäuderückseite nicht grundsätzlich zulässig. Sollte die Situation es erlauben, sind sie sparsam und zurückhaltend aus-zuführen. Abgrabungen müssen sich an der Bestandssituation orientieren, z. B. Gebäudevorsprung oder Erker, und inkl. Abböschung eine Tiefe von 2,50 m nicht überschreiten.
- Die Breite von Abgrabungen sollte sich immer an die vorhandenen Gegebenheiten der Bebauung richten, jedoch nie mehr als 1/3 der Gebäudebreite einnehmen.
- Zu den Grundstücksgrenzen muss bei Abgrabungen ein Streifen von mindestens 1,00 m Breite auf dem natürlichen Geländeniveau verbleiben.
- Treppenanlagen in den Garten sollen gradlinig und nicht breiter als 1,50 m ausgeführt werden.
- Geländer sind filigran auszuführen.
- Gartenhäuser oder Abstellräume sind nicht zulässig. Die Ausgliederung von Abstellräumen stellt eine milieuschädigende Intensivierung der Nutzung dar und wirkt sich milieuschädigend auf die städtebaulichen Erhaltungsgebiete aus.
Einfriedungen
Einheitlich gestaltete Einfriedungen prägen im Zusammenhang mit den gärtnerisch gestalteten Vorgärten das Erscheinungsbild der Milieubereiche. In begrünten Innenhöfen ist das städtebauliche Ziel, den grünen Gartenbereich optisch zusammenzuführen.
- Historische Einfriedungen sollen grundsätzlich er-halten werden.
- Entstandene Lücken und nachträglich veränderte Bereiche sind analog aufzufüllen bzw. in den Originalzustand zu versetzen.
- Grundsätzlich ist bei der Gestaltung und Materialität der Einfriedung auf die charakteristischen Merkmale der jeweiligen Bauepochen der Bebauung Bezug zu nehmen.
- Geschlossene Zäune oder Maschendrahtzäune sind grundsätzlich unzulässig.
- Bei rückwärtigen baulichen Grundstückseinfriedungen ist darauf zu achten, dass sie grundsätzlich durchbrochen oder offen ausgeführt sind. In städtebaulichen Erhaltungsbereichen, die durch große, grüne Blockinnenbereiche geprägt sind, sind offene Zäune oder Hecken nur bis 1,50 m über Geländeniveau zulässig.
Werbeanlagen
Die hohe städtebauliche Qualität der Bebauung in Gebieten mit einer städtebaulichen Erhaltungsverordnung verlangt einen zurückhaltenden Umgang mit Werbeanlagen. Deshalb ist auf großflächige Werbung an Brandwänden (Großflächen bzw. Bemalung) zu verzichten.
Ortsfeste Einrichtungen, die der Ankündigung, Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen, bedürfen Rahmenleitlinien, da sie erheblichen Einfluss auf die Gebäudegestaltung und den Gebietscharakter haben:
- Werbeanlagen haben sich der Gebäudegestaltung und dem Gebietscharakter unterzuordnen. Fassadenlinien sind in der Gestaltung zu berücksichtigen.
- Werbeanlagen sind nur an der Stätte der Leistung und nur bis zur Brüstung des 1. OG zulässig. In den Obergeschossen sollte auf Werbeträger verzichtet werden. Häufungen von mehreren Werbeanlagen an Fassaden sind nicht zulässig.
- Werbeanlagen auf Dächern, Leuchtkästen, Flachtafeln auf Vordächern, Blink- und Wechsellichtwerbung sowie Verwendung von Signalfarben und stark reflektierenden Materialien sind im Bereich von städtebaulichen Erhaltungsverordnungen grundsätzlich nicht zulässig.
- Statt aggressiver Signalwirkung sind sensibel und zurückhaltend angepasste Informationen und Farbigkeit geboten.
- Werbeanlagen an den Fassaden sollten mit Einzelbuchstaben errichtet werden und eine Größe von max. 1,00 qm nicht überschreiten.
- Aus der Fassade hervorspringende Werbeträger (Nasenschilder) sind auf eine Fläche von maximal 1,00 qm zu reduzieren und nur in der Erdgeschosszone zulässig. Sie sollten insgesamt nicht mehr als 1,00 m vor die Fassade ragen.
- Fahnenmasten als 'Werbeanlage" sind grundsätzlich nicht zulässig. Ausnahmen werden einzelfallbezogen für öffentliche Gebäude, Reedereien sowie soziale bzw. medizinische Einrichtungen erteilt.