Ekstatisches Vergnügen seit über 60 Jahren
„Hopp, Hopp, Hopp!“ – der Kessel fängt an sich zu drehen, wird schneller und schneller und plötzlich „Hasta la Vista, Baby!“ wird der Boden unter den Füßen weggezogen und sie stehen senkrecht an der Wand. Wer glaubt, dies ist das Ende eines Albtraums, aus dem ein Schlafender Schweiß gebadet erwacht, der irrt gewaltig. Denn dies ist der Höhepunkt eines der beliebtesten Fahrgeschäfte, das seit über 60 Jahren junge und alte Rummelbesucher begeistert. Dies ist die Attraktion, die weltweit in den Körpern der Fahrgäste für ekstatische Zustände sorgt. Dies ist der „Original Rotor“. „Und weiter geht’s“ schallt es aus den Lautsprechern. Unter die Musik mischt sich das Schleudergeräusch der rotierenden Tonne. Wie Fliegen kleben die Fahrgäste an der grauen Oberfläche und schleudern immer weiter und schneller bis sich der Rhythmus schließlich verlangsamt. Glücklich aber den Gleichgewichtssinn suchend taumeln die Fahrgäste langsam aus dem Rotor.
Ein riesiger Schleuderzylinder
Dabei beginnt das Abenteuer „Rotor“ schon lange vor der Fahrt. Wer am Riesenrad vorbeischlendert, sieht schon von weitem die leuchtende Fassade der DOM-Attraktion.
Mit seinen vier dicken Pfeilern, den dreistöckigen Treppenaufgängen, den Steinimitaten und tempelartigen Aufsätzen wirkt der Rotor wie eine Burg oder ein Geisterschloss. Begrüßt wird der Fahrgast von einer grauen, sprechenden Büste mit Barockperücke. „Guten Tag, meine Damen und Herren, liebe Kinder. Es geht wieder los. Sie kommen alle dran…!“ Einmal das Ticket gelöst, wird man über Treppen und Gänge, die mit zischenden Klappen, wackelnden Laufbändern, kalten und warmen Fönanlagen sowie Neonpfeilen in gelb, orange, grün und pink versehen sind, auf das Erlebnis Rotor vorbereitet. Die Fassade und der Vorbau lassen nicht darauf schließen, was sich hinter ihnen verbirgt.
Oben angekommen schaut der Gast in einen tiefen, grauen runden Schacht, der unten einen weiß-blauen Boden hat und an ein Zirkuszelt erinnert. Wagemutige, die einmal kräftig durchgeschleudert werden möchten, gehen wieder ein Stock tiefer in den Rotor. Wer sich die spektakuläre Fahrt nicht zutraut oder einfach zusehen möchte, bleibt oben in den Zuschauerrängen. Hier haben sich bereits in den 50er und 60er Jahren Dutzende gar Hunderte von Menschen gedrängt, um einen Blick in die außergewöhnliche Attraktion zu erhaschen, in der die Schwerkraft überwunden wird und Menschen an die Wand gepresst werden. In den besten Zeiten hatte der Rotor bis zu sieben Zuschauerränge, um die große Menge an Enthusiasten zu fassen.
Steter Publikumsmagnet
Doch bis heute hat er nichts von seiner Beliebtheit eingebüßt. Noch immer ist der Rotor ein absoluter Publikumsmagnet. „Der Rotor vermittelt ein ganz besonderes Fahrgefühl und hält viele Überraschungseffekte bereit", erklärt Manfred Pluschies, Inhaber des Rotors. Sein Vater, Richard Pluschies, kaufte von der Familie des schwedischen Erfinders, Ernst W. Hoffmeister, 1968 einen Rotor. Manfred Pluschies machte seine erste Erfahrung mit dem schwindelerregenden Zylinder bereits mit 8-9 Jahren. „Die Fahrt bleibt lange in Erinnerung. Wer einmal mitgefahren ist, möchte die Fahrt gleich wiederholen.“
Kreuz und quer durch das Land
Heute überlässt er die Rotorfahrt lieber den Gästen, seinen vier festangestellten Mitarbeitern und seinen Kindern und Enkelkindern. Er selbst tingelt aber weiterhin gemeinsam mit der Familie von Rummel zu Rummel quer durch Deutschland und Europa. Wie in einer Karawane fahren die vier riesigen Schwertransporter hintereinander her: der Fassadenwagen, der Rotor, der Wohnwagen und ein Transporter mit allen übrigen Teilen. Manfred Pluschies machte bereits mit 18 seinen LKW-Führerschein. Mal bleibt Familie Pluschies vier Wochen wie z.B. beim DOM oder beim Oktoberfest an einem Ort, mal sind es nur ein paar Tage. In Hotels zu übernachten, kommt dabei nicht in Frage.
Prominenz und Zwischenfälle
Herr Pluschies erzählt gerne aus seinem bewegten Schaustellerleben. „Letztes Jahr kam auf einmal Paris Hilton mit einer Freundin und ihren Bodyguards vorbei, auch Berühmtheiten wie Sophia Loren und der Politiker Ludwig Ehrhard sind schon im Rotor gefahren“. Unfälle habe es in den vielen Jahren glücklicherweise noch nie gegeben, dafür lauter lustige Bilder, die Fahrgäste ganz unfreiwillig produzieren. Vieles davon ist in Fotografien festgehalten, kann man sich doch seit jeher sein persönliches Rotorbild anzeigen und gegen ein paar Mark damals oder Euro heute ausdrucken lassen. Ein beliebtes Souvenir bei den Fahrgästen. „Einmal auf dem Oktoberfest, haben sich die Dirndlröcke einer Dame in die Lüfte gehoben. Dabei stellte sich heraus, dass die Dame unten herum kaum bekleidet war“. Geschichten wie diese, kann Herr Pluschies zuhauf erzählen. Der Rotor beflügelt ebenso die Phantasie der Fahrgäste und lädt zu Herausforderungen ein. Mit Tisch und Stühlen an der Wand wurden schon Karten gespielt, Bier getrunken ohne dabei Flüssigkeit zu verschütten. Die ganz großen Rotorfans haben sich sogar das „Ja-Wort“ zur Hochzeit gegeben, Bands drehten Musikvideos im Rotor.
Der Rotor im Wandel der Zeit
„Der Rotor ist ein neues Karussell, das auf einem ganz alten Prinzip basiert. Von den Anfängen bis heute haben wir den Rotor an die neuesten technischen Standards angepasst, sind den neuen Sicherheitsauflagen nachgekommen und haben mehrmals die Aufmachung der Fassade geändert.“
Dass der Alltag als Schausteller nicht nur Zuckerschlecken ist zeigen die Arbeitszeiten. Morgens um 8:30 Uhr beginnt der Tag. Das Fahrgeschäft wird gereinigt und gewartet bis die Kasse um 2 oder 3 Uhr nachmittags öffnet. Bis abends um 10 Uhr oder noch länger läuft das Geschäft ununterbrochen und das bei Veranstaltungen wie dem DOM an sieben Tagen die Woche. Einen großen Vorteil hat der Hamburger DOM für Herrn Pluschies aber: Hamburg ist seine Heimatstadt, in Billwerder ist das Betriebsgrundstück der Firma. Wenn Dom ist, erlaubt sich Herr Pluschies dann doch mal nach Hause zu fahren.
Der Hamburger DOM und die Familie Pluschies
Der Hamburger DOM, das bedeutet für Herrn Pluschies „Offene, fröhliche Menschen, viele Familien und Stammgäste, die generationsübergreifend seit den Anfängen im Rotor fahren“. „Auf dem DOM gibt es eine ganz besondere Atmosphäre, jeder Dom ist anders im Frühling, Sommer und Winter. Die Düfte und Gerüche der Speisen und Süßwaren verführen. Und natürlich begeistern die vielen Attraktionen. Der DOM hat einen besonderen hanseatischen Touch.“ Es hört sich wie eine Liebeserklärung an den DOM und an das Schaustellerdasein an, wenn Herr Pluschies so schwärmt. Doch schon bald heißt es leider wieder „Hopp, Hopp, Hopp!“ Nicht der Rotor setzt sich dann in die Gänge, sondern die Mitarbeiter zum 10-stündigen Abbau. Auf geht es zur nächsten Kirmes und es wird heißen „ Auf Wiedersehen, DOM! Bis zum nächsten Mal!“