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Hamburger Gericht beschließt Verkaufsverbot für Nikotinbeutel bleibt

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Nikotinbeutel werden seit einiger Zeit als rauchfreie Alternative zu Zigaretten angeboten. Da sie einen toxischen und suchterzeugenden Stoff (Nikotin) in nicht unerheblicher Konzentration enthalten, ist im Sinne des Verbraucherschutzes eine behördliche Überwachung des Handels wichtig. Bisher fallen die Produkte jedoch nicht unter das Tabakerzeugnisgesetz, wodurch die Händler die rechtliche Einordnung teilweise als unklar ansehen. Diverse Untersuchungen und Gutachten, unter anderem des Instituts für Hygiene und Umwelt, haben dazu beigetragen, dass laut einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom März 2021 der Handel mit Nikotinbeutel bis auf weiteres untersagt bleibt.

Nikotinbeutel Nikotinbeutel werden auch unter den Namen Nikotin-Pouches, Nikotin-Pods, Nicopods oder Nikotinbags gehandelt.

Verkaufsverbot für Nikotinbeutel bleibt

Die Kreativität der Hersteller bei der Schöpfung neuer Produkte stellt die amtliche Überwachung immer wieder vor neue Herausforderungen. Denn für die sachverständige Einschätzung und Bewertung von Produkten benötigen Überwachungsbehörden juristische Vorgaben. Für neuartige Produkte müssen diese jedoch oft erst von Experten diskutiert und festgelegt werden.

Aktuelles Beispiel für solch ein neuartiges Produkt: Nikotinbeutel, auch Nikotin-Pouches, Nikotin-Pods, Nicopods oder Nikotinbags genannt. Sie werden erst seit etwa 2020 als eine rauchfreie und unauffällige Alternative zu Zigaretten beworben und gehandelt.

Die kleinen Beutel sind mit einem Gemisch aus Zellulosefasern, Aromastoffen, Nikotin, Wasser, Feuchthalte-, Gelier- und/oder Konservierungsmitteln sowie Zuckeraustauschstoffen gefüllt und in vielen Größen und Geschmacksrichtungen erhältlich. Man schiebt sich die Beutel in die Wangentasche oder unter die Oberlippe und behält sie einige Zeit im Mund, bevor sie unzerkaut wieder ausgespuckt werden. Dabei wird das Nikotin sowohl mit dem Speichel über die Mundschleimhäute als auch über den Magen in den Blutkreislauf aufgenommen.

Verwechslungsgefahr besteht mit dem skandinavischen „Snus“, bei dem ebenfalls ein Beutel unter der Oberlippe platziert wird, allerdings enthält „Snus“ auch Tabak und kann somit nach der EU-Tabakrichtlinie juristisch beurteilt werden. Der Verkauf von „Snus“, einzustufen als Tabakerzeugnis zum oralen Gebrauch, ist in Deutschland gemäß Tabakerzeugnisgesetz verboten. Nikotinbeutel jedoch enthalten keinen Tabak und passen somit noch nicht in die Definitionen der Richtlinie. Aber wonach soll man sie dann beurteilen? Welche Grenzwerte und Auflagen müssen die Produkte einhalten? Sollten Warnhinweise vorhanden sein?

Um diese Fragen beantworten und Nikotinbeutel sachverständig bewerten zu können, müssen die Behörden also zunächst klären, wie diese Produkte rechtlich einzuordnen sind: Handelt es sich um ein Lebensmittel, ein Medizinprodukt oder ein Arzneimittel? Mit diesen Fragen haben sich diverse Fachleute, Gremien und Gerichte seit Einführung der Nikotinbeutel auf dem Markt befasst. Auch im Institut für Hygiene und Umwelt wurden bereits einige Gutachten zur Beurteilung von Nikotinbeuteln verfasst und Untersuchungen zur Toxikologie durchgeführt. Unsere Fachleute sind somit maßgeblich in den nationalen Prozess zur Beurteilung und Einstufung der Nikotinbeutel involviert. 

Inzwischen liegen mehrere, durch Gerichtsurteile bekräftigte Gutachten vor, nach denen Nikotinbeutel rechtlich als Lebensmittel einzustufen sind. Somit würden sie den Grundsätzen und Anforderungen des europäischen Lebensmittelrechts unterliegen und wären hiernach nicht verkehrsfähig. Begründung: Zum einen ist Nikotin in der EU weder als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat, -zusatzstoff oder Aroma zugelassen, zum anderen darf ein Lebensmittel nicht gesundheitsschädlich für den Konsument sein – toxikologische Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass die Nikotin-Dosis, die bereits bei mäßigem Gebrauch von Nikotinbeuteln aufgenommen wird, mit einer gesundheitsschädlichen Wirkung verbunden ist.

Im März 2021 hat das Verwaltungsgericht Hamburg deshalb beschlossen, dass das Inverkehrbringen tabakfreier Nikotinbeutel untersagt ist und bleibt, bis eine endgültige Entscheidung in diesem Rechtsstreit vorliegt. Auch andere Gerichte haben bundesweit so entschieden. Das lässt auf ein dauerhaftes Verbot hoffen, denn den Herstellern dürfte es schwer fallen zu belegen, dass ihre Produkte nicht als Lebensmittel oder nicht als gesundheitsschädlich einzustufen sind.

Der aktuelle Beschluss ist somit ein wichtiger Meilenstein, um die Gesetzeslücke für dieses neuartige Produkt zu schließen und Verbraucherinnen und Verbraucher vor dem unkontrollierbaren Handel mit Nikotinbeuteln zu schützen. Gerade im Hinblick auf das Suchtpotential ist es beruhigend zu wissen, dass Nikotinbeutel nicht mehr zur „leichten Einstiegsdroge“ für Jugendliche werden können.


Weiterführender Link: Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 05.03.2021 (7 E 73/21)
Erfolgloser Eilantrag gegen die Untersagung des Inverkehrbringens tabakfreier Nikotinbeutel

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