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Der Verfassungsschutz informiert: Wie die extremistische Scientology-Organisation den Gedenktag instrumentalisieren will

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Am 27. Januar wird der Opfer des Nationalsozialismus gedacht – Scientology denkt nur an die eigene Propaganda / Kundgebung am Hauptbahnhof angemeldet

Wie die extremistische Scientology-Organisation den Gedenktag instrumentalisieren will

Außenfassade der Scientology-Zentrale in Hamburg


Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten das Konzentrationslager Auschwitz und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Historikern zufolge wurden in Auschwitz mindestens 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen ermordet. Im Jahr 1996 erklärte Bundespräsident Roman Herzog den 27. Januar zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Die Vereinten Nationen erklärten den 27. Januar im Jahr 2005 zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (International Holocaust Remembrance Day). Den diesjährigen Gedenktag versucht die extremistische Scientology-Organisation (SO) Hamburg für ihre Zwecke und Propaganda zu instrumentalisieren. So hat die SO-Tarnorganisation „Kommission für die Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte“ (KVPM) für Mittwoch, 27. Januar 2021, 14.30 Uhr, eine Kundgebung am Hauptbahnhof (Glockengießerwall, Eingang Wandelhalle) angemeldet. Tenor:  „Am internationalen Holocaust-Gedenktag erinnern wir: Psychiatrie, Wegbereiter und Architekt des Massenmords“. Seit Jahren betreibt die KVPM Hetzkampagnen unter anderem gegen die Berufsstände der Psychiatrie und Pharmakologie und sieht bei pseudowissenschaftlicher Argumentation eine angebliche Mitverantwortung für die Massenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus.

Die SO lehnt vehement professionelle psychologische Behandlungen ab und betrachtet dieses Berufsfeld als unliebsamen Konkurrenten. Die eigene Technik des „Auditing“ wird dem entgegengesetzt und in ein besseres Licht gerückt. Die SO behauptet, mit ihren Techniken die Menschen von allen negativen Erfahrungen zu „reinigen“ und beabsichtigt letztendlich die totale Abhängigkeit ihrer Anhänger von ihrer Organisation. SO-Gründer L. Ron Hubbard hatte stets ein Monopol jeglicher psychischer Betreuung für Scientologen angestrebt. In einer internen Verlautbarung (Planetary Dissemination News, Issue 2) heißt es: „Es ist Zeit, das Feld der geistigen Gesundheit zu übernehmen“. Am Ende soll eine Art Übermensch, der scientologische „Clear“, stehen. Mit dieser scientologischen Technologie behandelt, funktionieren Menschen durch Bewusstseins- und Verhaltenskontrolle wie gleichgeschaltete Marionetten. Seine Methoden der Manipulation möchte der totalitäre Psychokult auf die gesamte Gesellschaft ausdehnen.

Die Hetze gegen die Psychiatrie ist dabei nur eine  Stoßrichtung. Scientology hat auch für andere gesellschaftliche und politische Bereiche Angebote im Programm. Die Kampagne gegen die Psychiatrie soll den Boden für scientologische Alternativen und einen möglichen Einstieg in die extremistische Organisation bereiten. Sollten sich tatsächlich Ratsuchende zur SO verirren, könnte dies möglicherweise gefährlich für sie werden. Einige psychische Krankheiten gebe es beispielsweise laut Scientology nicht – und manch anderes Leiden könne etwa mit den scientologischen Techniken, mit Handauflegen („Touch Assists“) und überdosierten Vitaminen („Purification Rundown“) erledigt werden.

Die KVPM (international CCHR, „Citizens Commissions on Human Rights“) ist eine der zahlreichen SO-Tarn- und Nebenorganisationen, um in verschiedensten gesellschaftlichen Themenfeldern aktiv zu sein – letztendlich immer mit dem Ziel, neue Anhänger zu gewinnen und politisch, sozial, kulturell sowie wirtschaftlich Einfluss zu erlangen. Informationen zu weiteren extremistischen Tarnorganisationen und Kampagnen wie „Der Weg zum Glücklichsein“ oder „Sag Nein zu Drogen – Sag Ja zum Leben“ sind im aktuellen Verfassungsschutzbericht aufgeführt.

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Hintergrund-Informationen:

Scientology-Organisation
Erklärtes Ziel der Scientology-Organisation (SO) ist es, eine sogenannte „scientologische Zivilisation“ zu errichten. Um entsprechenden gesellschaftlichen Einfluss zu erreichen, agiert die SO international, einschließlich zahlreicher Tarn- und Nebenorganisationen. Fester Bestandteil der SO-Ideologie ist die von ihr postulierte universelle Befreiung des menschlichen Geistes mittels ihrer geistigen „Technologie“, dem so genannten „Auditing“. Die Praxis der SO ist gekennzeichnet durch ihr Streben nach Geld, Macht und vollständiger Kontrolle über ihre Mitglieder. Mit ihrer als „angewandte religiöse Philosophie“ bezeichneten Lehre hebt die SO diese Praxis auf eine metaphysische Ebene. Die „Scientology-Organisation“ (SO) wird seit 1997 bundesweit von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet. Grund hierfür ist, dass durch in der von der SO angestrebten Gesellschaftsordnung zentrale Grundwerte, zum Beispiel die Menschenwürde sowie das Recht auf Gleichbehandlung, außer Kraft gesetzt würden und die SO folglich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung agiert. Die von den Verfassungsschutzbehörden festgestellten Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der SO ergeben sich insbesondere aus den Richtlinien ihres Gründers L. Ron Hubbard (1911 - 1986). Diese dürfen innerhalb der SO zwar redaktionell, aber niemals inhaltlich verändert werden. In einer scientologischen Gesellschaft sollen danach nur sogenannte „Clears“, von allen geistigen Störungen befreite Menschen, Rechte genießen. Andere Personen gelten als nicht gleichwertig. Theorie und Praxis der SO erfüllen mehrere Merkmale einer totalitären Organisation, wie ideologischer Alleinvertretungsanspruch, rigider Dogmatismus, hermetisch abgeschlossene Organisationsstruktur, Führerkult und totale Unterordnung der Mitglieder, dualistisches Freund-Feind-Bild sowie kollektivistisches Denken. Diese Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden wurde 2008 durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster ausdrücklich bestätigt.

„Auditing“
Um den „Clear“-Status zu erreichen müssen Mitglieder, neben diversen Kursabschlüssen, „Auditing-Sitzungen“ absolvieren. Mit Hilfe eines „E-Meters“  sollen sogenannte „Engramme“ (negative Ereignisse) aus dem Gedächtnis der Person gelöscht werden. Nicht selten können diese sich wiederholenden Sitzungen sehr unangenehm und langwierig sein. Durch „Auditing-Sitzungen“ sollen alle Engramme gelöscht und der Status „Clear“ erreicht werden.

„E-Meter“ – wissenschaftlich wertlos
Das „E-Meter“ wird in sogenannten „Auditing-Sitzungen“ eingesetzt. Der „Auditor“ (Betreuer) stellt dem „Preclear“ (Behandelnden) vorgegebene Fragen. Das E-Meter soll dabei den elektrischen Körperwiderstand in den Handflächen der „Preclears“ messen und der Auditor könne infolgedessen sogenannte „Engramme“ aufspüren, die mit Hilfe weiterer „Auditing-Sitzungen“, gelöscht werden sollen.

E-Meter Messgerät mit menschlichen Händen, die zwei angeschlossene Metallröhren festhalten. E-Meter vom Typ "Hubbard Professional Mark Super VII"

​​​​​​​Der Endbericht der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ bezeichnete die E-Meter bereits im Jahr 1998 als „wissenschaftlich wertlos“. [Quelle: Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/10950, 09.06.98]

Weitere Informationen finden Sie im Verfassungsschutzbericht 2019, S. 202 ff.

 

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