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Koalitionsvertrag Für eine leistungsfähige Justiz

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Justiz: Regierungsziele im Koalitionsvertrag 2020

Rechtsstaatlichkeit ist ein zentrales Element unserer freiheitlichen Demokratie. Das Vertrauen der Bürger*innen in den Rechtsstaat hängt maßgeblich von der Funktionsfähigkeit seiner Institutionen ab. Die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Justiz, d. h. an die Arbeit der Gerichte, Staatsanwaltschaften und des Justizvollzugs, sind in den vergangenen Jahren gewachsen. Bund und Länder haben darauf mit dem „Pakt für den Rechtsstaat“ reagiert und sind eine Selbstverpflichtung zur Schaffung zusätzlicher Stellen und zu Investitionen in die Qualität der Rechtspflege eingegangen. In Hamburg wurde der Prozess zur Stärkung der Justiz bereits vor dieser Selbstverpflichtung durch eine Ausbildungsoffensive im Justizvollzug , bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie durch Stellenneuschaffungen in Gang gesetzt. 

Um ihrer bedeutenden Aufgabe im Rechtsstaat gerecht zu werden, muss die Hamburger Justiz auch in Zukunft – auch im Hinblick auf die Herausforderungen der Digitalisierung – über die erforderliche sachliche, räumliche und personelle Ausstattung verfügen. 

Wir wollen die Rechtsstaatsbildung und die Projekte und Angebote des Diskurses zum Thema Rechtsstaat stärker bündeln, zusammenführen und sichtbarer machen. Die vielfältigen bereits bestehenden Einzelprojekte zur Rechtstaatsbildung in Hamburg (Tag des offenen Gerichts, DOGS – Der offene Gerichtssaal, Richter*innen an den Schulen) sollen so gestärkt und Synergieeffekte genutzt werden. Auch soll das erfolgreiche Projekt "Schule mit Recht" fortgeführt werden.

Für die Justiz als attraktive Arbeitgeberin

Stellenverstärkungen waren und sind notwendig, reichen aber nicht aus, damit die Justiz ihrer wichtigen Aufgabe gerecht werden kann. Die Justiz selbst wird ihre Stellung als attraktive Arbeitgeberin intern und extern ausbauen. Die Ausbildungsoffensiven im Justizvollzug und in den Gerichten und Staatsanwaltschaften werden fortgeführt. Zudem werden wir die Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung mit dem Ziel intensivieren, Fach- bzw. qualifizierte Nachwuchskräfte für die Justiz zu gewinnen, das Bewerbungsmanagement an die neuen Anforderungen anzupassen und den Hamburger*innen die vielfältigen Aufgaben der gesamten Justiz, d. h. des Justizvollzugs, der Staatsanwaltschaften und der Gerichte näher zu bringen. 

Es muss sichergestellt sein, dass das Personal der Gerichte, Staatsanwaltschaften, Geschäftsstellen und Justizvollzugsanstalten gute Arbeitsbedingungen hat. Auf die bereits eingeleitete Personaloffensive muss eine Anpassung der Infrastruktur folgen. Wir wollen Maßnahmen für die Gesundheitsvorsorge und für den Umgang mit Belastungen am Arbeitsplatz fördern und für einen kontinuierlichen Ausbau und eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Fortbildungsangebote für alle Beschäftigten sorgen. Insbesondere für Richter*innen und Staatsanwält*innen werden wir ein Personalentwicklungskonzept etablieren, das lebenslagenorientierte Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Wir streben eine Erhöhung des Frauenanteils bei Führungspositionen in der Hamburger Justiz an.

Die Hamburger Justiz befindet sich durch die Verstärkung des Personalkörpers in einem großen Umgestaltungsprozess. Im Rahmen dieses Prozesses brauchen wir professionelle und effiziente Strukturen der Entscheidungsfindung. 

Für effektive Strafverfolgung

In der letzten Wahlperiode haben wir die Staatsanwaltschaften personell verstärkt und gezielt bestimmte Kriminalitätsfelder in den Blick genommen. So wurden die Staatsanwaltschaften u. a. hinsichtlich Terrorismusbekämpfung, Wirtschaftskriminalität, Vermögensabschöpfung, Einbruchsdelikten und Straftaten im Bereich häuslicher Gewalt ausgebaut. Zudem haben die Staatsanwaltschaften begonnen, sich neu zu strukturieren. Beide Maßnahmen haben sich bewährt. Daher setzen wir den Organisationsentwicklungsprozess bei den Staatsanwaltschaften fort.

Die staatsanwaltschaftlichen Kompetenzen im Bereich der Internet- und Computerkriminalität werden wir bündeln und stärken. Auch weiterhin richten wir dabei ein besonderes Augenmerk auf die Bekämpfung von Hass im Netz und Hetzpropaganda. Dazu gehören die Fortführung der durch die Koordinierungsstelle OHNe Hass initiierten Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden, Medienunternehmen und Zivilgesellschaft, die Einrichtung einer direkten Anlaufstelle für Hassdelikte bei der Staatsanwaltschaft und die gezielte statistische Erfassung von sexistischer Hasskriminalität gegen Frauen, inter, trans* und nicht binäre Personen in Absprache mit anderen Ländern. 

Wir setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, den Auskunftsanspruch für Nutzer*innen und Behörden gegen Telemedienunternehmen für die zur Identifizierbarkeit des strafrechtlich Verantwortlichen erforderlichen Daten im Zivil- und Strafrecht zu verankern.

In vielen Bereichen ist eine konsequente Strafverfolgung richtig und wichtig. Eine Haftstrafe ist das schärfste Schwert, das der Rechtsstaat zur Hand hat und darf nur als Ultima Ratio eingesetzt werden. In vielen Fragen hat es der Bundesgesetzgeber in den vergangenen Jahren für erforderlich gehalten, weitere Straftatbestände einzuführen. Wir wollen bei künftigen Forderungen nach weiteren Straftatbeständen sorgfältig prüfen, ob diese erforderlich sind. Auf Bundesebene werden wir die Debatte zur Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten weiter befördern. Wir setzen uns dafür ein, dass Containern und die Information über den Abbruch der Schwangerschaft entkriminalisiert werden.

Für einen nachhaltigen Justizvollzug mit dem Fokus auf Wiedereingliederung

Um den Hamburger Justizvollzug zukunftssicher zu machen, setzen wir die Strukturreform des Justizvollzuges mit dem Ziel fort, Vollzugsqualität und Arbeitsbedingungen im Vollzug zu verbessern. Der „Hamburger Justizvollzugsfrieden“ wird wie vereinbart umgesetzt. Durch weitere räumliche Zusammenlegung von Vollzugsarten und den Abschluss von notwendigen Sanierungsmaßnahmen sollen gleichzeitig Synergieeffekte erzeugt werden, die sich auf die Angebote für Gefangene, auf die Personalplanung und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nachhaltig positiv auswirken. 

In Billwerder wird eine neue Jugendstrafanstalt gebaut, die sowohl die besten Sicherheitsanforderungen als auch einen inhaltlich fortschrittlichen und an einer erfolgreichen Resozialisierung ausgerichteten Jugendstrafvollzug bietet. Das Trennungsgebot wird hierbei konsequent eingehalten.

Ein erfolgreicher Justizvollzug, der dem Resozialisierungs- und Sicherungsziel dient, gelingt nur mit motivierten, gut ausgebildeten und gesunden Mitarbeiter*innen. Ebenso wird die Umstrukturierung des Geländes der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel mit dem Quartier Santa Fu weiter betrieben. 

Damit Resozialisierung gelingt und Rückfallquoten weiter sinken, wollen wir den mit dem Resozialisierungsgesetz eingeschlagenen Weg fortsetzen und Gefangene beim Übergang in ein straffreies Leben nach der Haft unterstützen. Auch der Kriminologische Dienst wird erweitert. Wir wollen den Justizvollzug familienorientierter gestalten und dabei die Unterstützung von Kindern, deren Eltern im Vollzug sind, stärken, die Erziehungsfähigkeit inhaftierter Eltern fördern sowie bessere Kontaktmöglichkeiten für eine gute Eltern-Kind-Beziehung nach der Haftentlassung schaffen. 

Ein wichtiger Beitrag zur Resozialisierung kann auch darin bestehen, dass Haft vermieden wird. Wir werden uns weiterhin für haftvermeidende Maßnahmen im Vorfeld der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen einsetzen. 

Das Behandlungsangebot des Hamburger Justizvollzuges soll um eine psychiatrische Kurzzeitstation erweitert werden. Um die Behandlungserfolge weiter zu steigern, wollen wir das therapeutische Konzept für die Menschen in Sicherungsverwahrung weiterentwickeln und das Angebot an Einzeltherapien verbessern. Die baulichen Sanierungsbedarfe der Sozialtherapeutischen Anstalt werden wir an neuen konzeptionellen Maßnahmen orientieren. Um Kinder, die Opfer von Straftaten geworden sind, besser zu schützen, unterstützen wir die Bemühungen, am UKE ein Childhood-House einzurichten.

Zudem leistet der Hamburger Justizvollzug seinen Beitrag, um die klimapolitischen Ziele des Senats einzuhalten. Beschaffung, Versorgung und bauliche Tätigkeiten werden unter den Prämissen CO2-Einsparung und Nachhaltigkeit durchgeführt.

Für einen umfassenden Hinweisgeberschutz

Bei Missständen sind die Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden oftmals auf Hinweisgeber*innen angewiesen. Die Koalitionsparteien sind sich daher einig, dass Whistleblower Schutz erfahren müssen. Die anstehende Umsetzung der EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz verfolgen wir in Hamburg daher mit hoher Priorität. Verbunden damit werden wir auch den Schutz von Hinweisgeber*innen bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht entsprechend stärken. Zudem werden wir uns aktiv für einen rechtssicheren Schutz von Hinweisgeber*innen auf Bundesebene einsetzen.

Für Hamburgs Interessen bei der Bundesgesetzgebung 

Auf Bundesebene wird sich Hamburg auch in Zukunft über den Bundesrat bei der rechtspolitischen Gesetzgebung einbringen und mit Initiativen Reformen vorantreiben. 

Gesetzgebung muss auf Grundlage gesicherter empirischer Erkenntnisse erfolgen, wenn sie rechtsstaatlichen Anforderungen genügen will. Dies gilt insbesondere für das Straf- und Strafverfahrensrecht. Wir wollen, dass kriminologische Evidenzen sowohl bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen als auch bei deren Evaluation auf Bundesebene stärker berücksichtigt werden. Hamburg wird sich auf Bundesebene für eine grundsätzliche Überarbeitung des Straf- und Strafverfahrensrecht auf Grundlage der Vorschläge der Reformkommissionen zum Sexualstrafrecht und Strafprozessrechts einsetzen.

Zu einer nachhaltigen Kriminalitätsbekämpfung gehört es, den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie sonstigen Ermittlungsbehörden ein gesetzliches Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, das eine effektive rechtsstaatliche Einziehung deliktisch erlangter Vermögenswerte gewährleistet. Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung war hier ein grundlegender Schritt. Hamburg wird sich auf Bundesebene dafür einsetzen, das Reformgesetz evaluieren zu lassen und auf Grundlage der Ergebnisse Vorschläge für gesetzliche Änderungen zur weiteren Effektivierung der Vermögensabschöpfung zu erarbeiten.

Ein wichtiger Beitrag zur Modernisierung des Rechts ist es auch, alle gesellschaftlich anerkannten Formen des Zusammenlebens in der heutigen Zeit abzubilden. Eheähnliche Lebensgemeinschaften mit oder ohne Kinder prägen zunehmend unsere Gesellschaft. Dies muss sich auch im Zeugnisverweigerungsrecht widerspiegeln. Hamburg wird die Gesetzgebung auf Bundesebene hierzu weiter befördern.

Der Diesel-Skandal, der Steuerbetrug um die Panama-Papers und die Cum-Ex-Geschäfte haben bei vielen Menschen ein Gefühl der Ungerechtigkeit hinterlassen. Wir unterstützen auch deshalb aktiv die Bestrebungen auf Bundesebene zu einer Reform des Unternehmenssanktionsrechts, die Einführung eines Lobbyregisters sowie eines legislativen Fußabdrucks und die Verschärfung der Sanktionen bei Geldwäsche, z. B. durch einen neuen Straftatbestand der „Steuergefährdung durch Vermögensverschleierung“. 

Klimaschutz und nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen müssen sich auch im Recht widerspiegeln. Hamburg setzt sich auf Bundesebene dafür ein, im Zivilrecht die Nachhaltigkeit – etwa durch Verlängerung der Gewährleistungsfristen – zu fördern, um damit vorzeitigen Verschleiß zu reduzieren und die Langlebigkeit von Produkten zu steigern.

Im Rahmen der Digitalisierung und dem zunehmenden Einsatz von KI in vielen Bereichen, ob in sozialen Medien oder auf Handelsplattformen, können auch rechtsstaatliche Risiken entstehen, denen wir in geeigneter Weise begegnen müssen. Notwendige rechtspolitische Schritte auf Landesebene bzw. entsprechende Initiativen auf Bundesebene sollen ergriffen und Vorhaben unterstützt werden, die die notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit von eingesetzten Algorithmen ermöglichen und damit effektiven Rechtsschutz gewährleisten, wenn z. B. Persönlichkeitsrechte verletzt werden, Diskriminierung stattfindet oder wirtschaftliche Macht missbraucht wird.

In Asylverfahren wollen wir die Verfahren an den Verwaltungsgerichten weiter beschleunigen. Dazu hat Hamburg bereits einen Vorschlag im Bundesrat eingebracht, der die Schaffung einer weiteren Instanz in asylrechtlichen Eilverfahren sowie weitere Rechtsmittel im Hauptverfahren vorsieht. Damit werden die Oberverwaltungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht in die Lage versetzt, Grundsatzentscheidungen zu treffen. Denn derzeit ziehen sich Asylverfahren in die Länge, weil Leitentscheidungen der Oberinstanzen zu zentralen Fragen fehlen.

Für die digitale Justiz

Auch die Hamburger Justiz wird zunehmend digital. Diese Digitalisierung geht einher mit dem Aufbau einer komplexen IT-Anwendungslandschaft, die gerichtszweigübergreifend aus einer Vielzahl von miteinander vernetzten IT-Systemen, Schnittstellen und Infrastrukturen besteht. Neben der Einführung der elektronischen Akte werden wir weitere notwendige Maßnahmen umsetzen, damit die Hamburger Justiz für den Prozess der Digitalisierung personell und technisch gut aufgestellt ist. Das umfasst ein ganzes Maßnahmenpaket, das von der Koordination der verschiedenen Aufgabenstränge über Modernisierungsmaßnahmen in den Sitzungssälen, Besprechungs- und Beratungszimmern bis hin zu geeigneten Maßnahmen der Aus- und Fortbildung reicht.

Wir werden die niedrigschwellige digitale Erreichbarkeit der gerichtlichen und außergerichtlichen Streitschlichtung fördern und den Onlinezugang zu den Gerichten erleichtern sowie einen schnelleren Rechtsschutz gewährleisten. Dabei muss das Letztentscheidungsrecht bei den Richter*innen verbleiben. 

Für sachnahe Verantwortung und Strukturen bei Betreuungs- und Rechtsangelegenheiten 

Hinter jeder gesetzlichen Betreuung steht ein menschliches Schicksal. Durch die geplante Gesetzesreform auf Bundesebene „Qualität und Selbstbestimmung im Betreuungsrecht“ ergeben sich neue Herausforderungen hinsichtlich gesetzlicher Betreuung und der Nutzung anderer Hilfen. Die Koalitionspartner sind sich einig, dass es an der Zeit ist, die Zuständigkeit für Anerkennung und Förderung von Betreuungsvereinen und die Aufsicht über die Maßnahmen des Fachamtes für Hilfen nach dem Betreuungsgesetz  zusammen mit den Kosten für gerichtliche Betreuungsverfahren in eine Hand zu legen. Die Justizbehörde wird zukünftig diese Zuständigkeit und die Kostenlast alleine verantworten. Davon versprechen sich die Koalitionspartner zügigere Abläufe in den Betreuungsverfahren und eine vielfältigere Ausschöpfung der möglichen Hilfen, um für Betroffene notwendige und zügige Unterstützung zu gewährleisten.

Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI)

Die Koalitionspartner sind sich einig, dass die Unabhängigkeit des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit ein wichtiger Schritt zum Schutz der persönlichen Daten, zur Transparenz der Verwaltung und zur Kontrolle der Wirtschaft war. Die steigenden Anfragen und Beratungen, die an ihn herangetragen werden, bestätigen diese Entscheidung. Wir halten an dieser Unabhängigkeit fest. Gleichzeitig wollen wir die Kommunikation zwischen Bürgerschaft und HmbBfDI verbessern, um so den Tätigkeiten und Anregungen des Datenschutzbeauftragen mehr Beachtung zu schenken. Die Bürgerschaftsfraktionen werden daher ein Konzept vorlegen, wie ein stetiger Austausch gewährleistet werden kann.

Der HmbBfDI wird auch in Zukunft im Bereich Datenschutz sowie im Bereich der Informationsfreiheit bedarfsgerecht ausgestattet. 

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