Das SchauSpielHaus in Hamburg
Das Deutsche SchauSpielHaus in Hamburg zählt nicht nur zu den schönsten Theatergebäuden im deutschsprachigen Raum, es ist mit seinen 1.200 Sitzplätzen auch eines der größten Sprechtheater. Direkt hinter dem Hauptbahnhof im Herzen St. Georgs gelegen, blickt das Deutsche Schauspielhaus auf eine über 100-jährige bewegte Geschichte zurück. 1900 durch eine private Initiative von Hamburger Bürgern gegründet, gehört es heute zu den führenden Theatern in Deutschland. Namhafte Intendanten und Regisseure wie Gustaf Gründgens, Peter Zadek oder Frank Baumbauer haben das Theater geprägt und weit über die Grenzen Hamburgs bekannt gemacht.
2013 übernahm mit der aus Köln kommenden Karin Beier erstmals eine Frau die Intendanz des Deutschen SchauSpielHauses. Neben ihr inszenieren einige der einflussreichsten Theaterregisseure am Haus: Katie Mitchell, René Pollesch, Christoph Marthaler, Karin Henkel oder Frank Castorf.
Realnische 0: Der MalerSaal wird zum Gesamtkunstwerk
Zum Auftakt der Spielzeit 2024/25 wurde die zweite Spielstätte des Deutschen SchauSpielHauses in ein Gesamtkunstwerk, die Realnische 0, verwandelt. Die Künstlerin Julia Oschatz hat im MalerSaal, dem Foyer und dem Gang zum MalerSaal eine begeh- und bespielbare Umgebung geschaffen. Unter dem Motto "Die Aufarbeitung der Zukunft" werden hier in Theaterstücken, Lesungen, Performances und Gesprächsreihen zukunftsrelevante Themen verhandelt.
Junges SchauSpielHaus
Das Junge SchauSpielHaus wurde 2005 durch den damaligen Intendanten Friedrich Schirmer als feste Sparte am Deutschen SchauSpielHaus begründet und wird seit dieser Zeit von Klaus Schumacher geleitet. Es verfügt über ein eigenes Ensemble und hat sich ein viel beachtetes Repertoire erspielt.
Das Junge SchauSpielHaus erhielt in seiner jungen Geschichte zahlreiche Auszeichnungen (u.a. dreimal den Deutschen Theaterpreis "Der Faust", zweimal den Boy-Gobert-Preis, den Rolf-Mares-Preis und den Stiftungspreis "Bibel und Kultur") und wird mit seinen Regie- und Autorenprojekten auf Festivals (etwa "Augenblick mal!") und auf Gastspielen überregional wahrgenommen. Seit der Spielzeit 2021-22 hat das Theater mit seinem preisgekrönten Programm für Kinder und Jugendliche die Spielstätte am Wiesendamm bezogen.
Der Anfang vom größten Sprechtheater in Deutschland
Der Anfang des Schauspielhauses geht auf den Verein Hamburger Bürger zu St. Georg und auf eine große Aktiengesellschaft zurück. Anhand der Entwürfe vom Architektenbüro Fellner und Helmer, Spezialisten für den Bereich Theaterbau, wurde das Haus im Jahr 1899 an der Kirchenallee begonnen. Vorbild war das Wiener Volkstheater im neobarocken Stil. Nach einer Bauzeit von einem Jahr und einer Investition von rund einer Million Mark wurde am 15. September 1900 die offizielle Eröffnung des Gebäudes gefeiert. Ursprünglich besaß das Schauspielhaus eine Kapazität von 1.831 Sitzplätzen, gegenwärtig sind es noch rund 1.200 – damit ist es bis heute das größte Sprechtheater Deutschlands.
Sechsstündige Theaterstücke waren keine Seltenheit
Bei der Eröffnung wurden Beethovens "Die Weihe des Hauses" und Goethes "Iphigenie auf Tauris" uraufgeführt. Der erste Intendant war der Baron Alfred von Berger. In den ersten zehn Jahres wurden vorrangig die Klassiker Shakespeares, Goethes, Schillers und zeitgenössischer Theaterautoren auf die Bühne gebracht. Aufgrund der aufwendigen Bühnenbilder Bergers konnten die Vorstellungen bis zu sechs Stunden dauern. Nichtsdestotrotz war das Schauspielhaus sehr beliebt bei dem Hamburger Theaterpublikum – das allein beweist der hohe Verkauf von Abonnements der damaligen Zeit.
Der Anbruch der Moderne im Jahrhundertwechsel
Durch Bergers Rückkehr nach Wien im Jahr 1910 brach unter Carl Hagemann die Moderne im Schauspielhaus an. Die Bühnenbilder wurden weniger aufwendig, aber in neuen Farben und Formen gestaltet. Sie sollten fortan die Wörter der Darsteller betonen, nicht dominieren. Was in Berlin längst Gang und Gebe war, stoß bei dem Hamburger Bürgertum auf Unverständnis. Das Publikum empfand den Einbruch der Moderne als zu plötzlich und trauerte Berger, seinem Programm und seinen pompösen Bühnenbilden nach. So verließ Hagemann drei Jahre später das Theater und die neue Theaterentwicklung wurde aufgegeben. Unter Max Grube setzte eine Besinnung auf Altbekanntes ein.
Abstieg des Schauspielhauses im Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik
Im Ersten Weltkrieg verlor das Theater viele Stammgäste und damit auch Einnahmen. Es geriet in eine Notsituation und erst unter Paul Eger, einem Schüler Bergers, entwickelte es sich erneut zu einer bürgerlichen Hofbühne. Im Laufe der Weimarer Republik blieb das Schauspielhaus eine Bühne der Klassiker – neues Publikum konnte es damit nicht gewinnen. Lichtspieltheater, heute besser bekannt als Kinos, wurden eine ernst zu nehmende Konkurrenz für alle Bühnen. Die 1920er Jahre bedeuteten durch externe und interne Kostensteigerungen eine schwierige finanzielle Zeit für das Schauspielhaus. Im Jahr 1928 stand das Haus vor dem Bankrott und die Weltwirtschaftskrise erzwang die organisatorische Zusammenlegung mit dem Thalia Theater.
Der Theaterskandal von 1929
Der größte Theaterskandal des Schauspielhauses ereignete sich im Jahr 1929 als das regimekritische Stück "Die Verbrecher" von nationalsozialistischen Kreisen unterbrochen wurde. Das Stück wurde nach nur elf Vorstellungen aus dem Programm genommen, nachdem die Störungen anhielten. Weitere kritische Zeitstücke konnten aufgrund der stärkeren Radikalisierung in der Bevölkerung nicht realisiert werden. Entgegen der Hoffnung änderte die Zusammenlegung mit dem Thalia Theater nichts an der schwierigen Lage des Schauspielhauses, so dass sich die beiden Häuser in 1932 wieder trennten.
Die Zeit im Dritten Reich
Bis ins Jahr 1934 war das Schauspielhaus ein Privattheater, dann wurde es unter der Politik der Nationalsozialisten verstaatlicht und somit vor dem Bankrott gerettet. Es erhielt den neuen Namen "Staatliches Schauspielhaus". Ein eingesetzter Staatskommissar war für die Leitung zuständig, alle jüdischen Angestellten wurden entlassen und jeglicher Prunk und Stuck wurde übermalt. Trotzdem verkam das Schauspielhaus nicht zur politischen "Kampfbühne" für propagandistische Inszenierungen – es dominierten weiterhin die Klassiker. In der Zeit der Luftangriffe schützte eine eigene Hauswache das Gebäude und so kam es nur zu geringen Schäden. Im September 1944 wurden alle Theater in Deutschland geschlossen. Der Bühnenraum wurde zur Rüstungswerkstatt umfunktioniert, im Zuschauerraum wurde ein Lichtspielhaus untergebracht.
Das Schauspielhaus in der Nachkriegszeit
Neben den Kammerspielen und dem Thalia Theater war das Schauspielhaus die einzige Bühne der Stadt, die nach dem Krieg noch bespielbar war. Doch das hauseigene Ensemble musste in ein Gewerkschaftshaus im Besenbinderhof ziehen, da die Briten das Haus als Garrison Theatre nutzten. Erst nach und nach wurde es wieder an die Deutschen übergeben. Die wirtschaftlich schwierige Nachkriegszeit brachte dem Schauspielhaus nur kleine Erfolge ein. Klassische und zeitgenössische Stücke begeisterten zwar das Publikum, doch die Intendanten Arthur Hellmer und Albert Lippert zogen immer wieder die Kritik der Presse und Politiker auf sich. Erst unter Gustaf Gründgens erlebte das Schauspielhaus von 1955 bis 1963 seine bisher größte Glanzzeit. Den endgültigen Durchbruch schaffte Gründgens mit seiner Goethe-Inszenierung des Fausts, die als "Hamburger Faust" in die Geschichte einging und durch zahlreiche Gastspiele weit über Deutschland Bekanntheit erlange. Nach seiner Zeit erlebte das Theater eine schwierige Identitätskrise, die einen häufigen Wechsel an Intendanten zur Folge hatte.
Der Weg zu altem Ruhm unter Liebermann, Zadek und Baumbauer
Rolf Liebermann ist es zu verdanken, dass die Stücke des Schauspielhauses ab 1971 wieder beim Publikum beliebter wurden. Unter ihm wurde der Malersaal eröffnet, eine Experimentalbühne, die avantgardistische Theaterwerke vor einem kleinen Publikum realisierte. Auf dieser Bühne spielte das Junge Schauspielhaus bis zu seinem Umzug. Unter Ivan Nagel öffnete sich das Haus für Bühnenstücke ausländischer Autoren. Diese begeisterten vor allem die jüngeren Theatergänger und im Jahr 1976 war ein Drittel der Besucher unter 25 Jahre alt. Zwischen 1981 und 1984 wurde das Gebäude nach Originalplänen von Helmer und Fellner restauriert. Aufführungen fanden im Operettenhaus und auf Kampnagel statt. Ein Jahr später wurde Peter Zadek neuer Leiter und übernahm die schwierige Doppelaufgabe von Intendanz und Regie. Er konnte Publikum und Presse begeistern. Ab 1993/94 wurde das Schauspielhaus unter Frank Baumbauer erneut zu einer wichtigen Bühne Deutschlands. Mit einem großen Fest wurde er am 100. Geburtstag des Hauses verabschiedet.
Das 21. Jahrhundert im Schauspielhaus
Unter Tom Stromberg wandte sich das Schauspielhaus dem experimentierfreudigen und internationalen Theater zu. Er holte internationale Größen nach Hamburg, war anderen Formen, wie der Bildenden Kunst und den neuen Medien gegenüber offen und arbeitete mit Hamburger Museen, Performance- und Installations-Künstlern, Filmemachern und internationalen Theatergruppen zusammen. Mit der Zeit konnte sich das junge Theaterpublikum für seine moderne Richtlinie begeistern – dazu beigetragen haben originelle Inszenierungen von Stücken wie Faust und Othello. Seit der Spielzeit 2013/14 ist Karin Beier neue Intendantin des Deutschen Schauspielhauses.