Multikulturell wohnen
Offenheit für Fremde – das signalisieren die geöffneten Tore des Altonaer Stadtwappens von 1664. Auch heute gibt sich Altona-Nord weltoffen und tolerant im Zusammenleben unterschiedlichster Menschen. Wer hierher zieht, wohnt in einem multikulturellen Umfeld: 18,5 Prozent der mehr als 21.000 Einwohner kommen aus einem anderen Land, mehr als jeder Dritte hat einen Migrationshintergrund.
Die Hamburger City ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln in nur zehn Minuten erreichbar, und zur Elbe ist es nah. Auch wenn hier die Mieten wie in vielen Hamburger Vierteln steigen, bietet der Stadtteil noch Wohnungen zu vergleichsweise moderaten Preisen. Beliebt bei vielen junge Familien und Singles. Die Versorgung mit Schulen und Kindergärten ist gut, Szeneviertel wie Ottensen und Eimsbüttel sind nicht weit entfernt.
Ort ohne Kern
Ein eigenes Zentrum hat Altona-Nord nicht, es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der Verwaltung von Altona abgetrennt. Und so sucht man einen historischen Ortskern mit Cafés und Restaurants vergeblich. Viele Gebiete sind von breiten Verkehrsadern durchzogen, darunter der Kieler Straße, Holstenstraße oder Stresemannstraße, über die viele Pkws rollen.
Die Max-Brauer-Allee – unter den Anwohnern kurz Allee genannt – wird von denkmalgeschützten Bauten gesäumt, als denkmalwert sind auch die Jugendstilhäuser in der Gegend um die Paulinenallee eingestuft. Die Julius-Leber-Straße entzückt ebenfalls mit ihren gepflegten Altbauten. In erster Linie findet man in Altona-Nord mehrgeschossige Wohnhäuser, häufig bunt gemischt: alt neben neu, Backsteinhäuser der Vor- und Nachkriegszeit neben verputzten Gebäuden. Das ein oder andere Hochhaus ragt ebenfalls in den Himmel. Das wohl bekannteste ist das siebzehnstöckige Wohnhaus am Alsenplatz, wo der Hamburger Filmregisseur Fatih Akin aufwuchs.
Damen-WG
Wie ein Schloss wirkt der Nyegaard-Stift an der Max-Brauer-Allee – mit seinen Türmchen, Giebeln und Erkern. Rund 70 Seniorinnen leben in dem 1901 errichteten Gebäude, "alleinlebend" ist ein Kriterium für den Zuzug. Jede Frau hat zwar ihre eigene Wohnung, dennoch schreiben die Bewohnerinnen das Miteinander groß: Sie helfen sich gegenseitig, unternehmen viel gemeinsam und pflegen ihren Park mit den Linden und der uralten Eiche. Seit der Komplettsanierung von 2009 bis 2012 wirkt das dreiflügelige Gebäude mit seinen dicken Mauern wie wachgeküsst, die Wände schauen heute karamellfarben aus. Seitdem trifft auch ein Spitzname nicht mehr zu: "Schwarzes Schloss" nannten Anwohner das von den Autoabgasen verdunkelte Haus.
Erst Polizisten, dann Künstler
Für einen ganz anderen Zweck wird heute die Victoria-Kaserne genutzt. Der trutzige, von Zinnen gekrönte Bau hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Kulturort mit bezahlbaren Gewerbe- und Atelierflächen sowie Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen entwickelt. Zudem ist die ehemalige Polizeikaserne seit einigen Jahren Heimat der Künstlergruppe Frappant. Der Verein musste wegen der Ikea-Ansiedlung an der Großen Bergstraße in Altona-Altstadt seinen vorherigen Sitz räumen. Das Gebäude gehört inzwischen der Genossenschaft fux eG, die es bis 2020 denkmalgerecht sanieren lassen will; dadurch entstehen weitere Atelierflächen.
Im Stadtteil befinden sich auch Bauwerke des Altonaer Oberbaudirektors Gustav Oelsner, darunter das Arbeitsamt Altona und der Wohnblock Lunapark. Beide Gebäude entstanden um 1920 und stehen für die Neue Sachlichkeit der Architektur. Ebenso ansehnlich ist das denkmalgeschützte Amtsgericht Hamburg-Altona mit seinem Backsteinbau im Rundbogenstil.
Kaufhaus mit Gleisanschluss
Ein weiteres Backsteingebäude mit zwei Türmen war einst der Bahnhof Altona, als er 1898 von Kaiser Wilhelm II eingeweiht wurde. Doch im Zweiten Weltkrieg wurde er stark zerstört, wieder aufgebaut und 1979 durch einen Neubau ersetzt: Ein zweistöckiges Gebäude aus Betonfertigteilen, in das eine Kaufhof-Filiale integriert wurde. Damals bezeichneten es die Hamburger spöttisch als „Kaufhaus mit Gleisanschluss“. Heute beheimatet der Bahnhof einen großen Elektronikmarkt sowie zahlreiche kleinere Ladengeschäfte. Hier pulsiert das Leben: Täglich nutzen rund 100.000 Menschen die S-Bahn sowie die Fern- und Regionalzüge.
Magische Musical-Welt
Viel los ist auch oft bei der Neuen Flora. Sie ist mit knapp 2.000 Sitzplätzen, die wie in einem Amphitheater angeordnet sind, eines der größten Theater in Deutschland. Die meisten Besucher kommen aus ganz Deutschland – es rollen häufig zahlreiche Busse an und die Gäste strömen in Scharen zur Musical-Stätte, an dessen Stelle sich bis zum Zweiten Weltkrieg ein Militär-Lazarett befand.
Rastplatz für die Seele
Abseits von Trubel laden Orte wie die evangelisch-freikirchliche Christuskirche oder die evangelisch-lutherische Christophoruskirche zur Einkehr ein. In der ehemaligen Kapelle des Helenenstifts – bekannt als „Kirche der Stille“ – kann man sich mit Meditation oder Gebet eine Auszeit vom Großstadtleben nehmen. Altar, Kanzel, Taufbecken und Kirchenbänke sind gewichen, man sitzt auf Kissen am Boden. Ohne Schuhe.
Auch die Mennoniten, eine evangelische Freikirche, haben sich bewusst in Altona-Nord niedergelassen, in der gleichnamigen Mennonitenstraße. Die im 16. Jahrhundert gegründete Täufergemeinschaft wurde in früheren Zeiten oft verfolgt. Im toleranten Altona aber profitierten sie, ähnlich wie Juden und Katholiken, von den durch die Schauenburger Grafen gewährten Glaubensfreiheiten.
Brauerei zieht um
Häufig riecht es in Altona-Nord nach Maische – ein Zeichen, dass in der Holsten-Brauerei Bier gebraut wird. In der Erlebnisbrauerei wird übrigens Wissenswertes über das Naturprodukt vermittelt. Ab 2019 soll das Holsten im Stadtteil Hausbruch südlich der Elbe produziert werden. Denn aus Sicht von Carlsberg, seit 2004 Eigentümer der Holsten-Brauerei, ist der Standort Altona für eine industrielle Nutzung in der jetzigen Größe nicht mehr zeitgemäß. So wird etwa in den alten Gebäuden auf mehreren Ebenen gearbeitet, die Wege sind sehr lang. Auch sind die Anlagen auf dem 86.000 Quadratmeter großen Gelände angesichts des allgemein sinkenden Bierkonsums zu riesig. Zudem darf nachts nicht gebraut werden. Auf der Fläche des Holsten Quartiers sollen dann ab 2020 rund 1300 bis 2000 Wohnungen entstehen.
Bahn frei für die „Neue Mitte“
Auf dem Gelände sowie auf dem brachliegenden Flächen des ehemaligen Güterbahnhofs Altona-Nord und des heutigen Fernbahnhofs Altona – insgesamt 75 Hektar – entsteht in den nächsten zehn Jahren ein riesiges Quartier. Im Februar 2016 legte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz den Grundstein für den Wohnungsbau in der „Neuen Mitte Altona“: 3.600 Wohnungen sollen gebaut werden, in einem Drittel-Mix aus Sozial-, Miet- und Eigentumswohnungen.
Dazu soll der Fern- und Regionalverkehr an die S-Bahn-Station Diebsteich verlegt werden, der S-Bahnhof im Zentrum Altonas bleibt erhalten. Der neue Bahnhof soll voraussichtlich im Jahr 2023 in Betrieb genommen werden. In die historischen Güterbahnhallen am Diebsteich sollen dann ebenfalls ein Edeka-Markt, eine Drogerie, ein Biomarkt und ein Backshop einziehen. Die übrigen Flächen sind für Gastronomie und Büroflächen geplant.
Unter den Bewohnern sind die Bauprojekte umstritten: Viele fürchten höhere Mieten, andere meinen hingegen, dass sich die Gegend positiv weiterentwickelt. Auch Bürgermeister Scholz, der schon seit Jahrzehnten in Altona lebt, freut sich auf das neue Quartier nebenan. Er ist sich sicher, dass das bislang gewachsene Altona und die Mitte Altona gut zusammenpassen. Weitere 1.000 Wohnungen sollen übrigens auf dem Areal zwischen Kieler Straße, Eckernförder Straße und der Mennoniten-Kirche gebaut werden.
Kneipe mit fragwürdigem Ruf
Um einen Bau ging es auch laut Legende beim Namensursprung von Altona. Demnach errichtete der Fischer Joachim von Lohe nahe der Hamburger Stadtgrenze eine zweifelhafte Kneipe, in der er selbstgebrautes Rotbier ausschenkte. Um das Gasthaus siedelten sich Handwerker und Fischer an. Dem Hamburger Rat lag diese Ansiedlung „all to nah“ (allzu nah) an der Stadtgrenze – zwischen heutiger Breiter Straße und Pepermölenbek. Eine andere Herleitung des Namens ergibt sich aus dem elbaufwärts gelegenen Bach Aldenawe oder auch Altenau, dessen Lage allerdings nicht mehr genau bestimmbar ist.
Zweitgrößte dänische Stadt
Altona wurde 1537 erstmals urkundlich erwähnt. Die Fischersiedlung gehörte zunächst den schaumburgischen Grafen von Holstein-Pinneberg, doch 1640 fiel sie als Teil von Schleswig-Holstein an Dänemark. Vier Jahre später verlieh ihr der dänische König Friedrich III., der zugleich Herzog von Holstein war, das Stadtrecht. Privilegien wie Zuzugs-, Zoll- und Gewerbefreiheit machten Altona binnen kurzem zu einer der liberalsten Städte Europas. Die Gegend entwickelte sich wirtschaftlich fort und es zogen zunehmend Hamburger Bürger dorthin. Mit 12.000 Einwohnern war Altona 1710 die zweitgrößte dänische Stadt nach Kopenhagen. 1863 mussten die Dänen allerdings, bedingt durch ihre Niederlage im Deutsch-Dänischen Krieg, aus Altona abrücken – nach mehr als 200 Jahren endete ihre Herrschaft.
Vorbei mit der Selbstständigkeit
1867 wurde Altona preußisch und wuchs danach durch Eingemeindungen kräftig weiter. 1900 lebten rund 200.000 Personen in den engen Behausungen der Arbeiterstadt – rund 8.000 Menschen je Quadratkilometer, mehr als in jeder anderen deutschen Metropole. Mit ihrer Eigenständigkeit als schleswig-holsteinische Stadt war es 1937 vorbei: Unter den Nationalsozialisten wurde sie per Gesetz zu einem Stadtteil Hamburgs. 1943 zerstörten alliierte Bomber die ehemalige Altstadt Altonas, vor allem das Gebiet zwischen Nobistor, Max-Brauer-Allee, Großer Elbstraße und Holstenstraße.
Altona-Nord wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Altona-Altstadt getrennt. Ende der 1970er-Jahre führten die Werftenkrise und der Niedergang der Hochseefischerei dazu, dass ganze Industriezweige aus dem Gebiet verschwanden und Wohnungen leer standen. Diese Zeiten sind längst vorbei: Altona-Nord gilt heute – wieder – als gefragter Lebensort und soll künftig, auch durch das Quartier „Neue Mitte“, lebendig bleiben.
*Quelle: Hamburger Stadtteilprofile, Statistikamt Nord (Stand: Jan 2019)