Das Szeneviertel Ottensen
Wo ehemals die Drogerie Molitor, kleine Handwerksbetriebe, Schlachter und düstere Kaschemmen die engen, kopfsteingepflasterten Straßen säumten, sind die Mieten heute rekordverdächtig – denn Ottensen ist einer der Szenestadtteil Hamburgs. Neben einer bestens besuchten Bar- und Kneipenszene sowie zahlreichen Cafés und Restaurants stimmt in Ottensen der Mix in den schönen Altbauten des Stadtteils. Dazu kommen auch Kultur und Sport nicht zu kurz. Kurzum: Ottensen hat eigentlich alles. Nicht umsonst wird das Quartier zwischen der Elbe, die den Stadtteil im Süden begrenzt, und der S-Bahnlinie nach Blankenese im Norden auch „Klein Paris“ genannt.
Beliebte Wohnlage, belebte Straßen
Ottensen ist wohl das, was man ein lebendiges Quartier nennt. Vor allem an sonnigen Tagen sind die Straßen voller Menschen, die zu den Parks flanieren oder in einem der vielen Straßencafés sitzen. Dazwischen immer wieder Bars wie das Aurel, das Familien Eck oder die Rehbar, Traditionslokale wie die Gaststätte Möller von 1886 oder das Marisol und Boutiquen sowie kleine und große Läden. Wer es noch größer haben will, geht ins Einkaufszentrum Mercado direkt am Altonaer Bahnhof.
Dass Ottensen auch zum Wohnen so enorm beliebt ist, liegt an den vielen schönen Altbauten, von denen der überwiegende Teil frisch saniert ist. Doch das ist beileibe nicht alles – die Mischung macht´s. Unten an der Elbe geht es los mit den gläsernen Fassaden der modernen Bürotürme entlang Neumühlen. Es folgt die Elbchaussee mit ihren Villen, ehe sich das Zentrum Ottensens aufteilt: im Osten ist es etwas luftiger und grüner, teilweise mit Einfamilien- und kleineren Mehrfamilienhäusern, im Osten eben jenes besonders bei jungen Familien beliebte Altbauviertel. Im Norden schließt ein schmaler Gewerbegürtel den Stadtteil zur S-Bahnlinie ab. Dort entsteht ab 2018 ein neuer S-Bahnhof für Ottensen, der ab 2020 in Betrieb genommen werden soll.
Hamburg trifft sich bei der altonale
Jährlicher Höhepunkt in Ottensen ist die altonale. Bei dem bunten Straßenfest findet die kreative Energie Ottensens wohl den überzeugendsten Ausdruck. An den verschiedenen Ständen präsentieren sich alternative Organisationen und ökologische Projekte, auf den Bühnen erleben die Besucher Bands aller Stilrichtungen, Künstler stellen ihre Werke aus und vieles, vieles mehr.
Kunst und Kultur haben ohnehin eine große Bedeutung im Stadtteil. Zum Beispiel fungiert die Fabrik seit 1971 als Kultur- und Kommunikationszentrum für Ottensen und war fester Bestandteil der Musikszene der Hamburger Guten Laune um Otto Waalkes, Gottfried Böttger, Inga Rumpf und Udo Lindenberg, durch dessen Auftritte die Fabrik deutschlandweit bekannt wurde. Auch heute ist die Fabrik Schauplatz vieler Konzerte bekannter Künstler. Zudem gibt es beliebte Indoor-Flohmärkte.
Kino mit Schiffsschraube
Mit dem Altonaer Theater, das gleich neben dem Altonaer Museum liegt, dem Jungen Schauspielhaus und dem Thalia in der Gaußstraße, Dependancen der großen Häuser aus dem Hamburger Zentrum, sowie dem Hoftheater Ottensen und dem monsun theater gibt es gleich fünf Theater im Stadtteil. Dazu befindet sich mit dem Zeise Kino eines der schönsten Lichtspielhäuser Hamburgs im Stadtteil. Das Kino in der Halle des ehemaligen Schiffsschrauben-Produzenten Zeise erinnert dabei mit einer in den Fußboden eingelassenen Schiffsschraube an den Vorbesitzer der Immobilie.
Sportlich hat Ottensen mit den Fußballern von Altona 93 einen in Hamburg überaus beliebten Klub zu bieten, der Sinnbild der alternativen Stadtteilkultur Ottensens ist. Zu den Heimspielen zieht es regelmäßig mehrere hundert Zuschauer auf die Adolf-Jäger-Kampfbahn an der Griegstraße. Wie tief verwurzelt die Identität Ottensens in vielen seiner Bewohner ist, zeigt auch das Stadtteilzentrum Die Motte, das seit über 35 Jahren wichtige Jugendarbeit im Stadtteil leistet.
Grüner Gürtel am hohen Elbufer
Wer nun denkt, Ottensen ist ausschließlich urban und bietet wenig Raum zur Naherholung, der hat vielleicht die bereits erwähnte Elbe schon wieder vergessen. Von Ottensen aus ist es nämlich nur ein Katzensprung zum Elbstrand im benachbarten Stadtteil Othmarschen. Auf dem Weg dorthin kann man zudem die historischen Schiffe im Museumshafen Övelgönne bewundern.
Oberhalb der Elbe, zwischen den Bürogebäuden am Ufer und der Elbchaussee, spaziert man durch einen langgezogenen Grünstreifen aus Rosengarten, dem Donners Park und dem Heine-Park – ständiger Elbblick inklusive.
Ottensen: das Dorf, die Motte
Ottensens Geschichte geht bis ins Fränkische Reich zurück und hat etwa zeitgleich mit dem Bau der Hammaburg, dem Ursprung Hamburgs, im 9. Jahrhundert begonnen. Die erste urkundliche Erwähnung geht auf das Jahr 1310 zurück, damals noch als holsteinisches Kirchendorf Ottenhusen. Seinen Namen bekam der Stadtteil vom Ritter Otto von Bahren, der in Ottensen hauste – Ottenhusen wurde später zu Ottensen gekürzt.
Unter den Einheimischen ist Ottensen heutzutage auch unter den Spitznamen „Das Dorf“ und „Die Motte“ bekannt. Ersterer leitet sich vom Stadtteilgefühl ab, denn jeder scheint jeden zu kennen, alles ist familiär und freundlich – wie auf dem Dorf. Zweiterer geht zurück auf das Ende des 19. Jahrhunderts, als viele Arbeiter im Stadtteil aufgrund der ungesunden Wohnverhältnisse an Tuberkulose litten. Wie die Motte Löcher in den Stoff frisst, passiert dies bei der Krankheit mit der Lunge. So erhielt Ottensen den Namen Mottenburg.
Bedeutender Industriestandort Norddeutschlands
In den folgenden Jahrhunderten war Ottensen, das 1640 unter dänische Herrschaft geriet, lediglich ein Dorf außerhalb der Stadtmauern Hamburgs. Knapp 200 Jahre später fiel Ottensen infolge des Deutsch-Dänischen Krieges an die preußische Provinz Schleswig-Holstein. Das war der Startschuss für den rasanten Aufschwung Ottensens zu einem bedeutenden Industriestandort Norddeutschlands im Laufe der Industrialisierung. Ottensens Vorteil gegenüber Altona und Hamburg war die Lage innerhalb der Grenzen des Deutschen Zollvereins. Der wirtschaftliche Aufschwung sorgte dafür, dass die Einwohnerzahl von 2.411 (1840) auf 37.738 (1900) anstieg.
1889 ging Ottensen schließlich an Altona, 1938 wurden beide durch das Groß-Hamburg-Gesetz schließlich in die Hansestadt eingemeindet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Industriestandort Ottensen durch zahlreiche Fabrik- und Firmeninsolvenzen erschüttert und es entstanden viele Brachflächen. Diese lockten in den 1980er-Jahren die alternative Szene nach Ottensen. Die Stadt investierte in den folgenden Jahren in die bauliche Aufwertung des Stadtteils und es entstanden viele Genossenschaftswohnungen, aber auch Eigentumswohnungen. Die nicht mehr aufzuhaltende Gentrifizierung trieb schließlich den Wandel Ottensens vom Industrieareal zum attraktiven Wohngebiet weiter voran.