Dörfliche Atmosphäre
Am Curslacker Deich scheint man ganz weit weg von Hamburgs quirliger Innenstadt zu sein. Auf der einen Seite der Straße schlängelt sich die Dove Elbe träge, auf der anderen Seite stehen Rotklinker und Fachwerkhäuser mit Reetdächern. Auch ein Tante-Emma-Laden hält sich in dem Dorf, das zum Bezirk Bergedorf gehört und neben Kirchwerder , Altengamme sowie Neuengamme die Vierlande bildet.
In der Gegend gibt es neben Bauernhöfen und Gemüseanbaubetrieben noch zahlreiche Gewächshäuser der Blumenzuchtbetriebe, die diese Tradition aus dem 17. Jahrhundert fortführen. Sie ziehen vor allem Schnittblumen wie Rosen, aber auch Tulpen, Gerbera und Chrysanthemen. Zwar hat sich die Zahl der Betriebe im Laufe der Zeit durch den wirtschaftlichen Druck verringert, dennoch kommt noch jede fünfte Rose, die in Deutschland verkauft wird, aus den Vier- und Marschlanden.
Zeitreise in die Vergangenheit
Teile des alten Dorfes stehen unter Denkmalschutz. Dazu zählt das Rieck Haus aus dem Jahr 1533 – eines der ältesten Hufnerhäuser in den Vier- und Marschlanden. Versteckt neben einer historischen Mühle am Curslacker Deich 284 steht das alte Haus. Dort können Besucher verfolgen, wie man vor 100 Jahren in den Vierlanden lebte: Das gleichnamige Freilichtmuseum im Stadtteil Curslack stellt das bäuerliche Leben in den Vierlanden vor der industriellen Revolution dar.
Genutzt wird dazu der Hof, der bis zum Zweiten Weltkrieg von der Familie Rieck bewirtschaftet worden war, und heute zur Bergedorfer Museumslandschaft gehört. Im Gebäude kann man sehen, wie die Menschen früher mit ihrem Vieh unter einem Dach wohnten und an der offenen Feuerstelle ihr Essen zubereiteten. Historische Alltagsgegenstände verdeutlichen, mit welchen einfachen Mitteln man damals gelebt hat.
Im Bauerngarten findet sich die typische Mischung von Zier- und Nutzgarten des 17. und 18. Jahrhunderts – mit Kräutern und leuchtenden Blumen. Eine Fachwerkscheune gehört ebenso zum Ensemble wie ein strohgedecktes Backhaus, in dem Brot und Butterkuchen zubereitet werden.
Der Verein Freundeskreis Rieck Haus möchte das historische Erbe und das Wissen ums Vierländer Brauchtum erhalten. Recht bekannt ist das jährliche Erdbeerfest, das der Kreis organisiert. Im Rieck Haus treffen sich zudem die „Plattsnacker“, um bei Kaffee und Kuchen gemütlich beisammen zu sitzen und sich auf Plattdeutsch über verschiedenste Themen auszutauschen.
Gelebte Gemeinschaft
In Curslack gibt es natürlich auch einen Sportverein, den SV Curslack-Neuengamme von 1919. Aushängeschild des Vereins ist die erste Fußballmannschaft, die aktuell in der höchsten Hamburger Spielklasse spielt (Oberliga). Wie in vielen ländlichen Gemeinden hat die Freiwillige Feuerwehr einen hohen Stellenwert. In Curslack bietet sie, neben ihrer Hauptaufgabe, der Brandbekämpfung, verschiedene Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung für Erwachsene und Jugendliche.
In Curslack halten die 3.920 Bewohner, besonders die alteingesessenen, stark zusammen. Hilfsbereitschaft wird im Stadtteil großgeschrieben. Gastfreundlich geht es auch bei der evangelisch-lutherischen St. Johannis-Kirche zu: Sie ist eine „offene“ Kirche, Besucher können sich einen ruhigen Platz zur Einkehr suchen oder das Gebäude am Curslacker Deich besichtigen.
Bei einem Rundgang fallen unter anderem 55 kunstvolle schmiedeeiserne Hutständer bei den ehemaligen Männer-Bankreihen auf, die auch in weiteren Kirchen der Vierlande zu sehen sind. Am Kirchgestühl von 1803 sieht man zahlreiche alte Namensschilder und Gesangbuchkästen mit Resten von gemalten und geschnitzten Verzierungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
Wasser für Hamburger
Ein weiteres wichtiges Gebäude ist das Werk des Unternehmens Hamburg Wasser, 1928 gebaut und 2004 durch einen Neubau ersetzt. Die tägliche Abgabemenge liegt im Durchschnitt bei 60 Millionen Litern; damit ist es das Wasserwerk mit der größten Abgabemenge für die Wasserversorgung in Hamburg. Es versorgt 350.000 Einwohner im Zentrum, im Südosten und teilweise im Osten der Stadt.
Wegen des Wasserwerks ist ein Teil von Curslack Brachland und als Wasserschutzgebiet ausgewiesen. So wird es von Pestiziden und anderen umweltschädlichen Flüssigkeiten sowie Stoffen verschont.
Gefiederte Stadtteilbewohner
Rund 20 Meter hoch liegt die Wahlheimat von Hamburgs Vorzeigestörchen Erna und Fiete. Letzterer trifft meist im März als erster Hamburger Weißstorch aus dem Süden ein. Wenn er und die – meist kurz danach anreisende Erna – in ihrem Horst am Achterschlag weilen, können Storchen-Fans sie mittels einer Webcam des NABU in ihrem Nest beobachten.
Auch kleineres Gefieder soll in Curslack eine Heimat erhalten, und zwar in Hamburgs erstem Schwalbenhotel. Insassen der JVA Billwerder haben ein 7.000 Euro teures Vogelhaus im Namen des NABU gebaut. Dort haben 50 Brutpaare Platz.
Alter Bahnhof
Im früheren Bahnhof Curslack-Neuengamme befindet sich heute die Gaststätte Zum Alten Bahnhof, zu der neben einem Biergarten auch fünf Gästezimmer gehören. „Vor dem Zollenspieker sind wir die letzte Tankstelle am alten Gleisbett“, heißt es auf der Website. Zur Historie: 1912 wurde die Bahnstrecke über Curslack feierlich eingeweiht. Die Vierländer Bahn fuhr von Bergedorf nach Zollenspieker. Mit einer eigenen Haltestelle hatten die Curslacker Zugang zu diesem Verkehrsmittel, dessen Betrieb 1953 endete.
Der Ortsname Curslack (plattdeutsch: Corslak) geht auf das Wort Cuwerslake zurück, das „eine niedrige, dem Eindringen von Wasser stark ausgesetzte Sumpflandschaft“ benennt. Kuren steht dabei für „sickern“ und lake für „feuchte Wiese“. Tatsächlich wurde das Gebiet bis in die 1950er-Jahre regelmäßig überflutet. Aus diesem Grund sind die Wände der alten Curslacker Häuser gekachelt, das Wasser konnte so keinen großen Schaden anrichten.
Einst Deichverband
Curslack wurde erstmals 1188 urkundlich erwähnt, als es zusammen mit Altengamme einen Deichverband bildete. 1420 wurde Curslack an Hamburg angebunden, nachdem Hamburg und Lübeck die Stadt Bergedorf eroberten und neben Bergedorf auch Curslack gemeinsam verwalteten.
Die Vierlande entstanden in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Die Nähe zu Hamburg war in wirtschaftlicher Hinsicht lukrativ, da die Bauern ihre Erzeugnisse gut in der Stadt verkaufen konnten. Im Laufe der Jahrhunderte spezialisierten sich die Curslacker auf Gartenbau und Blumenzucht.
Im Jahr 1868 endete die beiderstädtische Herrschaft über Curslack. Hamburg erwarb von Lübeck dessen Besitzrechte und gliederte den bislang lübischen Teil Bergedorfs samt den dazugehörigen Gebieten in die 1830 gebildete Landherrenschaft der Marschlande ein. Im Rahmen des Groß-Hamburg-Gesetzes verloren Bergedorf und die Vierlande 1937 die gemeindliche Eigenständigkeit und wurden Teil der Einheitsgemeinde Hamburg. Seit 1949 ist Curslack ein Stadtteil im neu geschaffenen Bezirk Bergedorf.
*Quelle: Hamburger Stadtteilprofile, Statistikamt Nord (Stand: Jan 2019)