Bunter Häusermix
Auf den ersten Blick scheint es, als sei Eidelstedt ein typisch urbaner Stadtteil. Die Gegend im Nordwesten Hamburgs beherbergt zahlreiche Hochhäuser, besonders im Hörgensweg an der gleichnamigen AKN-Station. An anderen Stellen ist die Bebauung aus den 1950er- bis 1970er-Jahren aufgelockert mit kleineren Wohnblöcken und Einfamilienhäusern, in Zentrumsnähe stehen sogar noch einige gründerzeitliche Vorstadthäuser und Villen.
An einigen Stellen ist Eidelstedt sehr stark befahren, denn mehrere Hauptverkehrswege verlaufen durch den Stadtteil, neben der Autobahn A7 auch die A23, die am Autobahndreieck Hamburg-Nordwest nach Heide in Holstein abzweigt. Und die Bundesstraße 4 trifft am Eidelstedter Platz mit der äußersten der drei Hamburger Ringstraßen, dem Ring 3, zusammen.
Doch trotz Verkehrslärm und Beton ist Eidelstedt auch ein grüner Stadtteil, der abseits der Hauptstraßen seine ruhige Nähe zum ländlichen Umland zeigt. Und so ist das Viertel eine durchaus beliebte Wohngegend, nicht nur bei der SPD-Politikerin Elisabeth Kiausch, ehemals Hamburger Bürgerschaftspräsidentin und Senatorin für Finanzen. Auch der 2004 verstorbene Schauspieler Wolf-Dietrich Berg, bekannt aus Serien wie „Der Landarzt“ und „Unser Lehrer Doktor Specht“, war in Eidelstedt im Halstenbeker Weg 55 zuhause. Derzeit leben im Stadtteil mehr als 31.500 Menschen auf 8,7 Quadratkilometern, die Mieten sind etwas niedriger als im Stadtmittel.
Saisongärten in der Feldmark
Das Naturerholungsgebiet Eidelstedter Feldmark im Osten erstreckt sich rund um die Autobahn bis hin zum Niendorfer Gehege auf fast einem Drittel der Fläche des Stadtteils. Grüne Wiesen und Weiden vermitteln dort mitten in der Großstadt einen Eindruck vom Landleben. Rund 200 Hobby-Gärtner haben von der Eidelstedter Familie Ramcke einen Saisongarten gemietet und bauen unter anderem Möhren, Kürbis und Bohnen an.
Die Ramckes bewirtschaften seit 1802 einen der letzten beiden landwirtschaftlichen Betriebe im Stadtteil. Um die 1920er-Jahre verkauften sie das jetzige HSV-Gelände im Volkspark an die Stadt Altona. Die Familie baut heute vor allem noch Futterrüben an und liefert sie – schon mehr als 60 Jahre – ans Elefantenhaus des Tierparks Hagenbeck im benachbarten Stadtteil Stellingen und befreit dort den Park von seinem Tiermist.
Seit einigen Jahren betreiben die Ramckes auch ein Hofcafé in der Reichsbahnstraße 10. In den restaurierten und denkmalgeschützten Räumen werden Geburtstage und Betriebsfeiern, Seminare und Lesungen veranstaltet. Sie können zudem für Ausstellungen, als Filmkulisse oder für Whiskey-Abende gemietet werden.
Zweifelhafter Gastwirtsbetrieb
Ganz in der Nähe befindet sich der Sola-Bona-Park. Seinen Namen hat er von der Inschrift an einer Villa im Park, die heute als Kita genutzt wird: „sola bona quae honesta“ – „Nur die Dinge sind gut, die anständig sind“. Der ehemalige Besitzer war ein katholischer Geistlicher, der in Hamburg zum Protestantismus übergetreten war. Er richtete dort einen Gasthausbetrieb ein und legte im Park Laubengänge sowie Verstecke an. Um die Ehrbarkeit seines Unternehmens vor der Welt darzutun, brachte er zur Tarnung den Spruch an.
In Wirklichkeit spielte sich in seiner Schankwirtschaft ein ungewöhnliches Leben ab: Der Geistliche ließ sich einfallen, dass als Schäferinnen verkleidete Mädchen die Gäste bedienen sollten. Das Haus lief jedoch nicht gut und musste nach drei Jahren wieder geschlossen werden. Der Park gilt heute jedoch noch als eine der lauschigsten Ecken im Stadtteil, mit einem Teich und einer mehr als 350 Jahre alten Eiche, die als „tausendjährige Eiche“ betitelt wird. Dort beginnt der Radweg „Von Eidelstedt zum Jungfernstieg“, der fast nur durchs Grüne führt.
Häuser mit neuer Nutzung
Weiter nördlich steht im Dörpsweg das letzte reetgedeckte Haus im Stadtteil, das auch besichtigt werden kann. Dort lebte bis 1964 der Architekt und Heimatmaler August Koyen. Fensterluken und Rosen im Vorgarten geben dem Haus Koyen einen romantischen Touch, im Inneren findet der Seniorentreff der Elisabethkirche-Hamburg statt. Die gleichnamige Kirche liegt an der Eidelstedter Dorfstraße, unmittelbar im ehemaligen Dorfzentrum.
Ein Zeugnis früherer Zeit ist auch der 1895 errichtete Langeloh-Hof an der Kieler Straße, dessen Stallanbau 1997 mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus in ein modernes Wohngebäude verwandelt wurde. Dort finden 32 Frauen überwiegend in Einzelzimmern Platz, um sich für einen baldigen Umzug in eine Wohnung mit Mietvertrag fit zu machen.
Preisgekrönte Siedlung
Idyllisch lebt es sich in der Lohkampsiedlung, mehrfach ausgezeichnet als schönste Kleinsiedlung auf Bundes- und Landesebene. Kleine rote und weißgeputzte Einfamilienhäuser reihen sich beiderseits des Torfwegs in schmalen Sackgassen perlenartig aneinander. Zahlreiche Spaziergänger schlendern abends und an den Wochenenden durch die Straßen, die die Namen einheimischer Blumen tragen. Man vergisst dort angesichts der Beschaulichkeit leicht, eigentlich in einer Großstadt zu sein.
Die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft SAGA konzipierte die Siedlung in den 1950er- Jahren auf Wiesen- und Weideflächen, die an einer schlaglochübersäten Landstraße lagen: der Lohkampstraße. Dort plante der Hamburger Architekt Fritz Trautwein ein Areal mit mehr als 260 Kleinsiedlungshäusern, angelehnt an die Gartenstadt-Idee, einer Wohnsiedlung in einer von Gärten und Parkflächen geprägten Umgebung.
Der Durchschnittspreis eines Hauses betrug 1952 rund 18.000 Mark. Beim Ersterwerb erhielt der Käufer einen Spaten, eine Harke, eine Grabeforke und eine Holzschubkarre. Zur Grundausstattung gehörten auch vier Hühner und vier Obstbäume. Lange Gartengrundstücke und Ställe für Kleinvieh dienten der Selbstversorgung der Bewohner. Trotz Straßenasphaltierungen, Umwidmung der Ställe zu Garagen und Umbauten blieb das Gartenstadt-Flair erhalten. 1985 wurde die Siedlung unter Milieuschutz gestellt.
Verschönerungskur im Zentrum
Das Zentrum am Verkehrsknotenpunkt Eidelstedter Platz hat den Charakter eines mittelgroßen, etwas verstreuten Einkaufsortes. Als wenig einladend empfinden viele Eidelstedter den Busbahnhof, da er unter anderem unzureichend beleuchtet ist.
Neu gestaltet wurde bereits das Beet um die Doppeleiche. Seit Mitte Februar 2016 laden dort zwei neue Bänke zum Verweilen ein. Eine Informationstafel klärt die Bedeutung des Baumes: Er wurde zum Symbol, als die Schleswig-Hosteiner sich zwischen 1848 und 1850 gegen die dänische Fremdherrschaft erhoben. Der Sinn des Satzes "Up ewig ungedeelt" wird ebenfalls erläutert. Er bezieht sich auf die wechselvolle Geschichte von Schleswig-Holstein. Spruch und Baum sind Bestandteil des Eidelstedter Wappens, dass das Identitätsgefühl der Bewohner stärken soll.
Zum Plausch treffen diese sich gerne im Eidelstedt Center, das rund 60 Geschäfte und Restaurants unter einem Dach vereinigt. Das mittlerweile etwas in die Jahre gekommene Center feierte 2016 seinen 30. Geburtstag. Einkaufen kann man zudem auf dem benachbarten Eidelstedter Wochenmarkt an der Alten Elbgaustraße, wo Marktbeschicker dreimal in der Woche ihre frischen Waren verkaufen.
Treffpunkt der Kulturhungrigen
Kultur lässt sich im Kulturhaus Eidelstedt direkt am Wochenmarktplatz genießen. Neben Veranstaltungen wie Theater, Comedy und Konzerten gibt es in dem Stadtteilkulturzentrum regelmäßige Sprach- und Kreativkurse. Es wurde im Oktober 1980 im Gebäude der alten Schule Elbgaustraße gegründet. Vier Jahre später fand dort der erste Chaos Communication Congress statt, ein vom Chaos Computer Club jährlich organisiertes Treffen.
Seit Sommer 2022 ist das Kulturhaus Eidelstedt zusammen mit der Elternschule und der Bücherhalle im steeedt beheimatet. Zum Kulturhaus gehört außerdem das Museum am Markt. Dort sind zahlreiche Exponate der Eidelstedter Alltagskultur zu finden, die in wechselnden Ausstellungen erfahrbar gemacht werden.
Aktuelles Fördergebiet
Um den Stadtteil noch schöner zu machen, hat ihn der Hamburger Senat – neben Harburg – im März 2016 zum Fördergebiet für die soziale Stadtteilentwicklung erklärt. Hintergrund: Das Bezirksamt Eimsbüttel hatte in Eidelstedt-Mitte städtebauliche Defizite, Billiganbieter und Leerstände festgestellt. Die verschiedenen Ladenstandorte rund um den Eidelstedter Platz seien nicht ausreichend miteinander verbunden.
Im Zuge der Förderung sollen Bürgerhaus, Wochenmarkt und Parksystem modernisiert werden. Das westliche Wohngebiet Eisenbahnerviertel könnte im Zuge der geplanten Maßnahmen ebenfalls qualitativ verbessert werden. So wird von „Aufwertung der sozialen Infrastruktur und der Grünflächen“ gesprochen. Mehr Spielmöglichkeiten für Kinder und neue Wohnungen sind vorgesehen – sowohl öffentlich gefördert als auch frei finanziert.
Die finanziellen Mittel dafür kommen aus dem Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE), das auf sieben Jahre ausgelegt ist. Ein Gebietsentwickler soll in dieser Zeit mit Kommunalpolitikern, Gewerbetreibenden und Bewohnern entscheiden, welche Projekte gefördert werden. Die Gelder für RISE finanzieren der Bund (ein Drittel) und die Stadt (zwei Drittel), die Höhe legt der Bund jährlich pro Bundesland fest.
Vom Bauerndorf zum Industriestandort
Das Dorf Eidelstedt wurde erstmals 1266/69 erwähnt und bis ins 18. Jahrhundert Eilstede, Eylstedt oder Eylenstede genannt. 1588 bestand Eidelstedt aus 13 Bauernhöfen und zwölf Katen der Gemeindehirten. Der Name mit der Nachsilbe „-stedt“ weist aber bereits auf die sächsische Gründung eines Runddorfes hin, durch einen ersten Siedler namens Eyler. Eidelstedt bedeutet entsprechend Wohnstätte des Eylers. Nach einer anderen Deutung wird der Name von Ilenstätten abgeleitet, einer Blutegelstätte. Denn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Fluss Mühlenau sowie im Mühlenteich Blutegel zur medizinischen Verwertung gefangen.
1908 gab es in Eidelstedt überwiegend Milchwirtschaft, Garten- und Gemüsebau. Doch bereits in dieser Zeit begann sich die Struktur Eidelstedts zu wandeln. Erste Industriebetriebe siedelten sich an und produzierten unter anderem Lack und Firnis, Holzessig, Drahtnetze sowie Fischkonserven. Noch über Jahrzehnte waren die „Eidelstedter Düfte“ der Fischmehlfabrik berüchtigt und die Einwohner litten unter diesem Image.
Weniger Natur
In den 1920er-Jahren veränderte sich Eidelstedt weiter. So verschwand das Jaarsmoor im Nordwesten und der Eidelstedter Brook im Norden sowie das Sprützfeld im Westen wurden abgeholzt und bebaut. Mit der Errichtung eines Rangierbahnhofs, 1922 der größte in Norddeutschland, wurden für 5.000 Eisenbahner modern ausgestattete Wohnungen und Häuschen gebaut.
1927 wurde Eidelstedt in Altona eingemeindet, 1937 ein Stadtteil von Hamburg. In der Nachkriegszeit verlor Eidelstedt immer mehr seinen dörflichen Charakter. Auf dem Acker- und Weideland entstanden Wohnsiedlungen und damit Gebäude, die den Stadtteil bis heute prägen.
*Quelle: Stadtteilprofile Hamburg, Statistikamt Nord (Stand: Jan 2019)