Prachtbauten im historischen Stil
Klassizistische Villen umrahmt von großzügigen Parks säumen das westliche Alsterufer, das zu den teuersten Wohnlagen Hamburgs zählt. In der schwer bewachten Renaissance-Villa am Alsterufer 27/28 residiert das Amerikanische Konsulat. Vom damaligen Star-Architekten Martin Haller stammt das beeindruckende Budge-Palais im Harvestehuder Weg, in der sich heute die Hochschule für Musik befindet.
Burgartige Türme und Zinnen zieren manch schneeweiße Villa, denn die hanseatischen Geschäftsleute schätzten den englischen Tudorstil. Ein Paradebeispiel dafür ist die 1848 erbaute trutzige Sloman-Villa im Harvestehuder Weg. Mit 183 Metern Länge und efeubewachsenen Mauern wirkt das im Stil der Backsteingotik erbaute alte Fernsprechamt in der schmalen Schlüterstraße besonders imposant.
Die Bevölkerungsdichte in Rotherbaum ist hoch, 16.000 Menschen verteilen sich auf 2,7 Quadratkilometern. Der Stadtteil liegt an der westlichen Außenalster zwischen dem Dammtor-Fernbahnhof an der Edmund-Siemers Allee und der Schröderstiftstraße im Süden. Nördlich begrenzen die Hallerstraße und die Straße Beim Schlump den Stadtteil, der zum Bezirk Eimsbüttel gehört.
Manchmal herrscht etwas Verwirrung über die Stadtteilgrenzen. Das liegt an der Rothenbaumchaussee, die durch Rotherbaum verläuft und bis weit nach Harvestehude reicht. Da sich Straße und Stadtteil nur in einem Buchstaben unterscheiden, verlegt man zum Beispiel das Tenniszentrum am Rothenbaum oder das NDR-Landesfunkhaus schnell nach Rotherbaum, beide Einrichtungen befinden sich jedoch in Harvestehude.
Biotop für Kulturfans
Bildungsbürger und Genussmenschen fühlen sich im Viertel pudelwohl, auch angehende, denn in Rotherbaum leben nicht nur Wohlhabende, sondern auch Studenten. Rund ums beliebte Abaton-Kino, einem der ersten Programmkinos Deutschlands, tobt der Bär. Das Leben in diesem Hotspot für Uni-Szenegänger und Junggebliebene spielt sich, wenn es nicht regnet, in den Außenbereichen der Lokale ab. Ein ganz anderes Flair verströmt das Quartier östlich der Rothenbaumchaussee. Während man durch stille Alleen flaniert und prächtige Stadtvillen bestaunt, hört man manchmal nur die Vögel zwitschern.
Alstervorland
Alte Eschen, Eichen und Zierkirschen stehen am Ufer der Außenalster, Skulpturen wie die von Orpheus und Eurydike zieren den Park. Mit dem Blick auf die Alster und einem Gewimmel von Segelbooten lässt es sich herrlich entspannen. Der Alster ganz nah kommt man auf Bodos Bootssteg: Von diesem Café aus sieht man die schmalen Boote des traditionsreichen Germania Ruderclubs pfeilschnell vorbeigleiten.
Museen und Kultur
Das Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt (MARKK), das Museum der Natur Hamburg - Geologie-Paläontologie das Museum der Natur Hamburg - Mineralogie und das Museum der Natur Hamburg - Zoologie werden von Familien mit Kindern besonders gern besucht. Die Staatliche Jugendmusikschule am Mittelweg fördert die musikalische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Theaterfans schätzen die 1945 von Ida Ehre gegründeten Hamburger Kammerspiele. Musikbegeisterte fühlen sich im alternativen Musikclub Logo wohl, der seit 1974 Hamburger Ohren beschallt.
Jüdisches Leben im Grindel
In Harvestehude und Rotherbaum lebte fast 40 Prozent der meist assimilierten jüdischen Bevölkerung Hamburgs. An die größte Synagoge Norddeutschlands am ehemaligen Bornplatz erinnert ein nachgezeichneter Grundriss auf dem Joseph-Carlebach-Platz, benannt nach dem ehemaligen Direktor der nahe gelegenen Talmud-Tora-Realschule. Von 343 Schülern und 28 Lehrern überlebten nur 76 Kinder und drei Lehrer den Naziterror. Im Grindelviertel stößt man überall auf Stolpersteine, die an ermordete Bewohner erinnern.
Auf dem Platz der jüdischen Deportierten am Dammtorbahnhof trieb man die jüdische Bevölkerung zum Abtransport zusammen. Im sehenswerten Curio-Haus verurteilten britische Juristen später SS-Täter. Seit gut zehn Jahren gibt es wieder eine jüdische Gemeinde, die Talmud-Tora-Schule öffnete 2007 erneut ihre Pforten, der jüdische Salon im Café Leonar lädt zu Lesungen ein und führt wie das Restaurant Jerusalem koschere Gerichte auf seiner Speisekarte.
Das feine Pöseldorf
Zwischen Pöseldorfer Straße und Magdalenenstraße entdeckt man ein fast dörfliches Quartier mit niedrigen Alt-Stadthäusern und schmalen Gassen. Gepflasterte Wege führen in idyllische Innenhöfe mit alten Fabriklofts und Remisen. Das kantige Pöseldorf Center mittendrin wirkt etwas deplatziert. Kein Wunder, dass in den 1970er-Jahren heftig gegen diesen Neubau demonstriert wurde. Die beschauliche Milchstraße mit ehemaligen Kutscher- und Handwerkerhäusern wandelt sich abends zur Gourmetzone, wenn sich in den Restaurants Anna Sgroi, Da Mario und Da Tano die Tische füllen.
Der Weggang des Milchstraßenverlags setzte dem einst so schicken Pöseldorf zu. Als Jil Sander dort in den 1970er-Jahren ihre Kollektion entwarf und der Bohemian Gunter Sachs den Maler Andy Warhol begrüßte, hieß es schon mal Schnöseldorf. Heute locken Galerien und Antiquitätengeschäfte die kunstsinnige Kundschaft an. In der Nähe ragt die Kirche St. Johannis zwischen Bäumen hervor, sie gilt als ein besonders schönes Kirchenbauwerk im neugotischen Stil. Zu ihren Füßen findet jeden Donnerstag einer der schönsten Wochenmärkte Hamburgs statt.
Junge Universität
Die erst 1919 gegründete Universität Hamburg mit über 42.000 Studenten und 150 Studiengängen zählt zu den beliebtesten deutschen Hochschulen. Das repräsentative Zentrum bildet das klassizistische Hauptgebäude, flaniert von zwei Flügelbauten, gegenüber dem Dammtorbahnhof. Das Campusgelände zieht sich bis zum Abaton Kino am Grindelhof. Weithin bekannt sind die Forschungsstellen für Zeitgeschichte und das Institut für die Geschichte der deutschen Juden sowie das Institut für Sozialforschung. An der Bundesstraße befindet sich außerdem der neue naturwissenschaftliche Campus der Universität im Bau. Das bereits bestehende Geomatikum soll um rund 22.000 Quadratmeter erweitert werden und damit mehr Platz für Geowissenschaften und Klimaforschung bieten.
Mal Gartenhaus-Siedlung – mal freies Schussfeld
Dem rot gestrichenen Schlagbaum zwischen dem alten Kloster Harvestehude und dem Dammtor verdankt Rotherbaum seinen Namen. Die südliche Grenze bildeten seit 1620 die Wallanlagen. Im heutigen Rotherbaum weideten damals Gänse und Kühe, Bleicher reinigten fleckige Wäsche und das Bürgermilitär nutzte das Gelände als Exerzierplatz.
Im Jahr 1752 kaufte Hamburg das Areal, um sich ein freies Schussfeld vor den Wallanlagen – französisch: Glacis, deshalb Alsterglacis – zu sichern. Viele Hamburger scherten sich nicht um die militärische Nutzung und errichteten dort einfach Gartenhäuser und Gärten. In diese damals trendige Schrebergartenkolonie gelangten die großstadtmüden Hamburger seit 1729 über die Rothenbaumchaussee und den Mittelste Fahrweg, heute Mittelweg.
Teure Meile ab 1860
Zur attraktiven Wohnlage avancierte Rotherbaum erst, als im Jahr 1860 die Torsperre aufgegeben wurde. Bis dahin wurden alle Stadttore, auch das Dammtor, abends abgeschlossen. Nach Wegfall der Sperrstunde konnten sich endlich wohlhabende Bürger an der schönen Alster niederlassen, während sich in Pöseldorf Krämer, Handwerker und Dienstmädchen ansiedelten.
Im heutigen Grindelviertel (Grindel leitet sich von Wald ab), rund um den alten Bornplatz am Abaton, entwickelte sich ein lebendiges Viertel mit großbürgerlichen Mietshäusern, in dem fast jeder siebte Bewohner jüdischer Herkunft war.
Das bis dato ländliche Rotherbaum präsentierte sich spätestens mit dem 1903 fertig gestellten Jugendstil-Dammtorbahnhof auf Weltstadtniveau. Seit 1894 gehört Rotherbaum zu Hamburg und ist einer der attraktivsten Stadtteile, in dem sich auch Promis wie Markus Lanz oder Tim Mälzer wohlfühlen.
Stadtplan
*Quelle: Stadtteilprofile Hamburg, Statistikamt Nord (Stand: Jan 2019)