Umrahmt von Bille und Elbe
Zwischen Norderelbe und Bille liegt der Stadtteil Rothenburgsort. Von den beiden Flüssen umrandet findet sich einer der entwicklungsfähigsten Stadtteile der Stadt, der stark von Industrie und Gewerbe geprägt ist, aber vor allem im Süden an der Elbe wunderschöne und vor allem grüne Orte besitzt.
Rothenburgsort ist sehr zentral gelegen und hat als östliche Nachbarn die HafenCity und Hammerbrook. Im Süden grenzt der Stadtteil an die Veddel, Wilhelmsburg , Spadenland und Tatenberg, im Westen an Moorfleet und Billbrook und im Norden an Hamm und Horn.
Später Wiederaufbau
In den Bombennächten des Zweiten Weltkrieges wurde Rothenburgsort nahezu komplett zerstört. Der Wiederaufbau des Stadtteils begann erst Mitte der 1950er-Jahre, als die Pläne zur Errichtung eines großen Binnenschiffhafens endgültig aufgegeben wurden.
Die ehemalige Flanier- und Einkaufsmeile am Billhorner Röhrendamm konnte nach ihrer Zerstörung als Ortszentrum nicht wiederbelebt werden. Stattdessen wurde 2012 der neu gestaltete Marktplatz eingeweiht. Der U-förmige Neubaukomplex aus Beton wurde aber von vielen Bewohnern nicht als neue Ortsmitte angenommen, inzwischen stehen zahlreiche Geschäfte wieder leer. Konstanten am Rothenburgsorter Marktplatz sind dabei das Speiselokal Chaplin und der Wochenmarkt, der zwei Mal wöchentlich stattfindet.
Ambitionierte Bebauungspläne
Das soll sich in Zukunft ändern: Der Hamburger Senat plant, den Stadtteil, der nur zwei S-Bahnstationen vom Hauptbahnhof entfernt liegt, mit umfangreichem Wohnungsbau zu beleben und an die nahe HafenCity anzuschließen. So sollen über 20.000 Wohnungen entstehen und die schlechte Infrastruktur, unter der der Stadtteil leidet, verbessert werden. Doch auch die Verwirklichung dieses finanziell ehrgeizigen Projektes ist nach dem Referendums-Aus für die Olympischen Spiele nicht einfacher geworden.
Wasserkunst-Museum und Vogel-Biotop
In der Nähe der ehemaligen Rodenborg-Grundstücke steht schon seit 1848 der 64 Meter hohe Wasserturm, der als Wahrzeichen des Stadtteils gilt und schon von weitem zu sehen ist. Der Turm wurde von Architekt Alexis de Chateauneuf entworfen und ist am Sitz von Hamburg Wasser zu finden. Dort wurde mit dem WasserForum ein Museum eingerichtet, das die historische Wasserversorgung Hamburgs zum Thema hat.
Teil des Museumskonzeptes ist die Wasserkunstinsel Kaltehofe. Auf dem gut 44 Hektar großen Areal wurde einst ein Wasserwerk betrieben, das schon 1893 Wasser filtrierte. Von 1990 bis 2011 lag das Gelände schließlich brach und war nicht zugänglich. In diesem störungsfreien Zeitraum entwickelte sich mitten in der Großstadt ein kleines Naturparadies mit Vogelbrutstätten und seltenen Fledermausarten, das durch ein vielfältiges Angebot an Führungen, Workshops und Sonderveranstaltungen vervollkommnet wird.
Naherholung im Industriestadtteil
Nicht nur auf der Elbinsel Kaltehofe kann man sich ins Grüne zurückziehen. Nur ein kleines Stück weiter liegt der Elbpark Entenwerder, eine Halbinsel in der Nähe der Elbbrücken. Der nahe Autoverkehr stört jedoch überhaupt nicht, wenn man sich in Entenwerder ins Grüne zurückzieht und den Blick über die Elbe schweifen lässt. Der Park bietet weite Liegeflächen, die sich natürlich auch zum Grillen oder Fußball spielen eignen. Im Elbpark Entenwerder kann man auch dabei zuschauen, wie der HafenCity RiverBus von Land ins Wasser der Elbe wechselt.
Für gemütliche Momente am Wasser – beziehungsweise auf dem Wasser – sorgt das Café Entenwerder 1. Dort kann man auf einem Ponton das Treiben auf der Elbe beobachten und bis zum Sonnenuntergang über den Elbbrücken die Zeit vertrödeln. Während man auf das Wasser blickt, hat man den Goldenen Pavillon im Rücken – 16 Meter hoch und elf Meter breit ist dieser und dient als Ort für Kultur, als Aussichtsplattform und als Segelschule für Kinder. Zum Ponton wechselt man übrigens über ein 100 Jahre altes Hafendenkmal hinüber. Den Übergang bildet die Wassertreppe 51, die einst in Moorfleet als Anlegestelle für Binnenschiffe diente.
Künstlerhafen und Kleingarteninsel
Im verschlickten Holzhafen in der Billwerder Bucht hat sich ein alternatives Wohnquartier entwickelt. Dort liegen ausrangierte Schuten, alternative Wohnschiffe und der Schwimmbagger Ilmenau, den eine Künstlerin als Designplattform führt. Der Holzhafen führt ein idyllisches Dasein, mit rostigen Kränen, schwimmenden Holzhäuschen und moosbewachsenen Kaianlagen fernab der Großstadthektik, obwohl diese gar nicht so weit entfernt ist.
Ein weiteres, einzigartiges Quartier ist die Billerhuder Insel im Norden Rothenburgsorts. Eingerahmt von Bille und Bullenhuser Kanal hat sich im Jahr 1921 eine Kleingartenkolonie entwickelt, die auch heute noch Bestand hat, jedoch äußerst bedroht ist – zu attraktiv scheint das Gebiet für die Immobilienwirtschaft. Die Laubenpieper des grünen Eilands kämpfen indes vehement für den Erhalt ihrer Kleingarten-Insel.
Kreative Erneuerung
Obwohl Rothenburgsort immer noch stark von der Industrie geprägt ist, sorgen die vielen schönen Orte für Lebensqualität und bringen den Stadtteil ins Bewusstsein der Menschen zurück. So finden sich im Quartier gute Beispiele für eine Vitalisierung von innen heraus. Günstige Mieten in geräumigen Gewerbebauten locken Künstler und Kreative an. Im Brandshof etwa haben sich Ateliers und eine Schauspielschule angesiedelt.
Subkultureller Magnet des Areals, das bereits in den 1920er-Jahren errichtet wurde und mittlerweile unter Denkmalschutz steht, ist der „Club Kraniche“. Dort treffen sich Anhänger der deutschen Elektro-Pop-Szene. Außerdem floriert in der ehemaligen Tankstelle des Brandshof ein Oldtimer-Salon, der von Autofans aus ganz Hamburg frequentiert wird.
Aufschwung nur mit Nachhaltigkeit
So hoffen viele der jungen Bewohner Rothenburgsorts, dass sich ihr zentrumsnaher Stadtteil individuell und aus eigener Kraft entwickeln kann. Unbezahlbare Luxus-Lofts und schnieke Büros in himmelhohen Glastürmen wünscht sich im ehemaligen Hafenarbeiter-Viertel kaum jemand.
Johann Scheerer, erfolgreicher Betreiber des Platten-Labels und Aufnahmestudios Clouds Hill am Billwerder Neuen Deich, in dem schon Künstler wie Bela B. und Pete Doherty an neuen Veröffentlichungen gefeilt haben, formulierte es in einem Artikel in der Zeit so: „Das schlimmste, was Rothenburgsort passieren kann, ist eine Aufmöbelung ohne Nachhaltigkeit.“
Kirche in Fischform
Ein Gebäude, das die Blicke auf sich zieht, ist die Kirche St. Erich zwischen Marckmannstraße und Billhörner Röhrendamm. Auffällig und stadtbildprägend ist der Turm über dem Eingang der 1963 geweihten Kirche, die als Nachfolger der zerstörten St. Josefskirche erbaut wurde. Aber erst aus der Luftaufnahme lässt sich die Form der Kirche tatsächlich erkennen: Das Gotteshaus ähnelt von oben einem Fisch.
Senatorenfamilie als Namensgeber
Der Stadtteil-Name geht auf eine Epoche zurück, in der das heute im Umbruch befindliche Rothenburgsort nur spärlich besiedelt war: Die renommierte Senatorenfamilie Rodenborg bezog Anfang des 17. Jahrhunderts auf dem Billwerder Ausschlag mehrere Landsitze, die allerdings nicht erhalten sind. Dieses Gebiet gehört seit 1385 zu Hamburg und wurde bis 1494 eingedeicht. Nach der großen Flut von 1625 entschloss man sich auch zur Eindeichung des Billhorns.
Die Blütezeit Rothenburgsorts, zu dem seit 1970 auch der Billwerder Ausschlag gehört, setzte aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Damals wurde die Hamburg-Bergedorfer-Eisenbahnlinie eingeweiht und die bisherige Torsperre aufgehoben. Das quirlige Industrie-, Hafen- und Gewerbeviertel wuchs in der Folgezeit rasant. So wohnten und arbeiteten in Rothenburgsort bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahre 1939 über 45.000 Menschen. Heute sind es nur noch rund 9.000 Menschen.
Der Feuersturm von 1943
Seine dunkelste Stunde erlebte Rothenburgsort im Juli 1943: Alliierte Bomben löschten den kriegswichtigen Industrie-Stadtteil in einer einzigen Nacht fast zur Gänze aus. Tausende Bewohner kamen in dem Feuersturm ums Leben. Heute erinnert ein Denkmal an diese Nacht, das zum 60. Jahrestag des Feuersturms errichtet wurde.
Das vom Künstler Volker Lang erdachte Denkmal besteht aus einem im Maßstab verkleinerten Terrassenhaus, der typischen Bebauung der Arbeiterquartiere im Stadtteil. Im Inneren des Hauses sind Berichte von Zeitzeugen und Fragmente aus literarischen Texten ausgestellt.
Die Kinder vom Bullenhuser Damm
Ein weiteres Denkmal, das sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt, findet sich an der ehemaligen Schule am Bullenhuser Damm. Dort wurden im April 1945 20 jüdische Kinder und ihre Betreuer sowie mindestens 24 Kriegsgefangene der Nationalsozialisten ermordet. Die Gedenkstätte ist eine Außenstelle der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Am Bullenhuser Damm wurde zudem ein Rosengarten angelegt, in dem viele tausend Menschen Rosen zum Andenken an die 20 getöteten Kinder pflanzten.
*Quelle: Hamburger Stadtteilprofile, Statistikamt Nord (Stand: Jan 2019)