Hügeliges Marmsdorf
Achtung, es wird hügelig! Für Flachländer fast schon gebirgig! Wenn man die Straße Schafshagenberg hochradelt oder durch den Dalen strampelt, geht einem fast die Puste aus. Niedergebirgsland nennt sich die Marmstorfer Region, die zu den Ausläufern der Harburger Berge zählt.
Doch es gibt ja zum Glück ein gutes Busnetz nach Harburg, das man etwa nach fünfzehnminütiger Fahrt erreicht. Mit der S-Bahn benötigt man weitere 15 Minuten bis zum Hauptbahnhof. Gut 8.800 Einwohner leben im 5,8 Quadratkilometer großen Marmstorf mit den Ortsteilen Appelbüttel und Lürade. Marmstorf besitzt eine eigene Autobahnauffahrt und ist umgeben von den Stadtteilen Eißendorf, Wilstorf, Langenbek und Sinstorf.
Historisches Dorf am Feuerteich
14 eindrucksvolle Reetdachhäuser, so genannte Ständerhäuser, erinnern an das alte Bauerndorf. Die meisten Höfe im Marmstorf gruppieren sich wie ein Postkartenidyll um den Feuerteich. Knorrige Eichen und Buchen rahmen die etwa 200 Jahre alten Fachwerkhäuser und Scheunen ein. Im Teich schwimmen ein paar Enten, dahinter residiert die alte Schule, in der die Johanniter heute ihre Tagespflege anbieten.
Nah am Feuerteich liegt der zum Verdruss der Anwohner seit Jahren geschlossene Schützenhof. Vom Königsball bis zur Maifeier fanden in diesem Lokal sämtliche Dorffeste statt und da die Marmstorfer sehr feierfreudig sind, wird der Schützenhof schmerzlich vermisst. Der alte Dorfkern, der seit 1979 unter Milieuschutz steht, befindet sich in einer Senke, von der man über einen kopfsteingepflasterten Weg ins Appelbütteler Tal gelangt.
Appelbütteler Tal und Elfenwiese
Die Straße geht in einen Feldweg über und führt rechts an einem Wäldchen und links einem grünen Hang entlang, auf dem jeden Frühsommer die legendäre Ackerfete steigt – eine gigantische Abiparty für Schulabsolventen aus der Harburger Region. Den Rest des Jahres grasen dort friedlich Galloways und Highland-Rinder. Von dort geht es durch einen Mischwald an die befahrene Bremer Straße. Wer Lust auf eine größere Wanderung hat, biegt in den Freudenthalweg ab, einen der ältesten Wanderwege durch die Lüneburger Heide.
Marmstorf ist von Wald und Wiesen umgeben. Im Nordwesten befindet sich zum Beispiel die Elfenwiese, eine größere Grünfläche, von der aus man eine weite Sicht auf den Stadtteil genießt. Bereits auf Wilstorfer Gebiet liegt der beliebte Außenmühlenpark, während die kleine Außenmühle mit dem Park zu Marmstorf gehört und zu einem geruhsamen Spaziergang einlädt.
Wandel vom Dorf zum Wohnvorort
In den Fachwerkgehöften am Feuerteich und am Handweg wohnen seit Generationen ehemalige Bauernfamilien, die schon lange keine Landwirtschaft mehr betreiben. Mit dem Verkauf der landwirtschaftlichen Flächen und dem Bau der Ernst-Bergeest-Siedlung in den 1960er-Jahren wandelte sich das Dorf endgültig zum Wohnvorort.
Neben Hochhäusern und viergeschossigen Mehrfamilienbauten entstand damals die gemütliche Mini-Einkaufsmeile mit Supermarkt, Fisch- und Bücherladen, Bäckerei, Drogerie, Apotheke und Sparkasse. Das Einkaufszentrum ist immer gut besucht und bei den Bewohnern beliebt, weil sie dort alle wichtigen Besorgungen sowie Arztbesuche erledigen können. Eine Bücherhalle gibt es nicht, dafür einen Bücherbus. Mit der Baumschule Lorenz von Ehren befindet sich außerdem ein international agierendes Unternehmen in Marmstorf.
Einmal Marmstorf, immer Marmstorf
Wer seit den 1960er-Jahren hierher zog, will nicht mehr weg, erzählt ein Neu-Marmstorfer, der seit 16 Jahren in diesem entspannten Wohnvorort lebt. Es sei leicht, sich in die Dorfgemeinschaft zu integrieren. Wohl deshalb ist der Altersschnitt in Marmstorf einer der höchsten in Hamburg. Gut 50 Prozent der Bewohner sind älter als 50 Jahre und 30 Prozent jenseits der 65.
Sorgen machen sich die Marmstorfer deshalb nicht, denn es wachsen ja genügend Kinder heran, um die drei Schulen vor Ort zu füllen. Mit der Ganztags-Grundschule am Ernst-Bergeest-Weg, dem Immanuel-Kant-Gymnasium mit Europa-Profil und der Lessing-Stadtteilschule sind alle drei relevanten Schulformen im Stadtteil vertreten.
Bunter Stilmix
In Marmstorf findet man von der Jugendstilvilla an der Bremer Straße über die Bungalowsiedlung ganz in Weiß am Garbersweg hin zu Plattenbauten, Klinkerhäusern und Geschosswohnungsbau alle erdenklichen Wohnformen. Sehr gepflegte Einfamilienhäuser in steiler Hanglage säumen den Schafshagenberg und die Straßen Im Dahlen und Am Kleinen Dahlen an der Außenmühle. Klinker-Neubauten am Marmstorfer Weg oder Reihenhaussiedlungen am Langenbeker und Nymphenweg bis zum Geschosswohnungsbau mit 60er-Jahre-Charme bilden einen munteren architektonischen Mix.
Einen Standesdünkel der privilegierteren Hausbesitzer gegenüber Siedlungsbewohnern gebe es nicht, versichern mehrere Bewohner. Ob Villa oder Hochhaus – man singt gemeinsam bei den Liederfreunden, trifft sich im Schützenverein, bei den Landfrauen oder kickt bei Grau Weiß Marmstorf. Marmstorf ist zwar kein Dorf mehr, doch das dörfliche Miteinander, das sich im reichen Festleben widerspiegelt, blieb erfreulicherweise erhalten.
Aktives Dorfleben
Was treiben Uwe Seeler, Bettina Tietjen und Rainer Sass denn auf dem Marmstorfer Feuerteich? Diese Promis traten schon bei der alljährlichen Teichwette gegen den Marmstorfer Schützenkönig an und seilten sich waghalsig über dem Feuerteich ab. Wer bei dieser Gaudi trockenen Fußes auf dem Floß landet, wird zum Sieger gekürt. Die Marmstorfer läuten das neue Jahr traditionell mit der Teichwette ein und feiern dann rund ums Jahr weiter.
Im Mai kündet der geschmückte Maibaum den baldigen Sommer an, im Juli laden die Schützen zum Vogelschießen und im November erfreuen sich Kinder und Eltern an einem einzigartigen Laternenumzug. Angeführt vom Spielmannszug laufen Groß und Klein durch den Appelbütteler Wald, in dem eigens für das Fest zahlreiche Märchenfiguren aufgestellt wurden.
Langweilen muss sich niemand in Marmstorf, denn mit seinem Schützenverein, dem Sportverein Grün-Weiß Harburg, einem Schachverein mit Schachzwergen, der Freiwilligen Feuerwehr, den Liederfreunden, den Landfrauen, dem Schülerorchester und der Kirchengemeinde bietet der Ort ein reiches Vereinsleben. Ein Marmstorfer schwärmt: „Wir helfen uns gegenseitig und leben hier als Gemeinschaft.“
Historisches Marmstorf
Marmstorf ist uraltes Kulturland. Schon vor 12.000 Jahren streiften Menschen durch das Hügelland und in der Jungsteinzeit ließen sich dort erste Bewohner nieder. Das bezeugt die Begräbnisstätte eines Kriegers, dessen Grabbeigaben im Archäologischen Museum Harburg präsentiert werden. Ein Sachse namens Marbold ist wohl Namensgeber für den Ort Marboldesthorp, der 1196 in einer Urkunde erstmals erwähnt wurde.
Im Jahr 1650 bestand Marmstorf aus 14 Höfen und verfügte sogar über eine eigene Schule. Nachdem Franzosen das Dorf 1814 abgefackelt hatten, hausten die 16 Marmstorfer Bauern in Erdhöhlen, bis sie ihr Dorf eigenhändig wieder aufgebaut hatten. Während des Wirtschaftsbooms um die Jahrhundertwende zogen vor allem gut situierte Industriearbeiterfamilien nach Marmstorf. Seit 1852 ist das Dorf eine selbstständige Gemeinde, die 1938 Hamburg einverleibt wurde.
*Quelle: Hamburger Stadtteilprofile, Statistikamt Nord (Stand: Jan 2019)