Hamburg.de Startseite Leben in Hamburg Bezirke und Stadtteile Stadtteile Bezirk Harburg
Neuland

Naturoase an der Süderelbe

  • Sie lesen den Originaltext

Deichkronen, Störche und Wasserski: Neuland ist anders als der typische Stadtteil einer Millionenmetropole. Die Gegend besticht durch eine weite Sicht, üppige Wiesen und den zweitgrößten See Hamburgs.

  • Sie lesen den Originaltext
Marek Santen

Der Stadtteil in Zahlen

Fläche

10,0 km²

Einwohnerzahl

1713 (31. Dez. 2023)

Bevölkerungsdichte

171 Einwohner/km²


Fernblick inklusive

Wer auf der Autobahn A1 die Abfahrt Harburg nimmt und in Richtung Süderelbe fährt, begibt sich in eine ganz eigene Welt. Ein Verkehrsschild warnt Autofahrer schon mal: „Schafe im Deichbereich“. Die Häuser liegen so niedrig neben der Straße am langgezogenen Deich, dass man fast ohne Mühe auf ihre Dächer spucken könnte. Hinter den Gebäuden ist der Blick meist frei auf Wiesen und Felder, in der Ferne drehen sich die Rotoren der Windräder. Untermalt vom Rauschen der A1, kann man dort viel Weite und einen offenen Himmel genießen.

Neuland erstreckt sich über acht Quadratkilometer im östlichsten Teil des Bezirks Harburg. Die über 1.500 Einwohner leben zu 90 Prozent in Ein- oder Zweifamilienhäusern, die sich meist schon seit Generationen im Familienbesitz befinden. Manche Gebäude haben sogenannte Bracks, das sind Teiche, vor ihrer Tür. Sie erinnern an die Sturmflut im Februar 1962, als der alte Deich an einigen Stellen brach. Die Eigentümer haben in Neuland darauf zu achten, dass die kleinen Gräben auf ihren Grundstücken sauber und verstopfungsfrei bleiben. Sie alle müssen Mitglied im Neuländer Schleusenverband sein, der sich um den ordnungsgemäßen Wasserstand kümmert.

Sumpfdotterblume im Naturschutzgebiet

Der neue Deich ist höher, er wurde 2003 auf die neue Sicherheitsmarke von acht Meter über Normalnull erhöht. Er zieht sich im Norden Neulands entlang der Elbe. Bei seinem Überqueren muss man aufpassen, nicht auf die Hinterlassenschaften von Schafen zu treten. Das dortige 35 Hektar große Gebiet Schweenssand, 1993 unter Schutz gestellt, wird von Süßwasserwatten mit Prielen, Sand- und Schlickwatt geprägt. Gemeinsam mit dem direkt gegenüberliegenden Naturschutzgebiet Heuckenlock gehört es zu den artenreichsten Flächen Hamburgs: rund 700 Pflanzen sind dort beheimatet.

An seltener überschwemmten Stellen leuchtet im Frühjahr die Sumpfdotterblume über den kurzwüchsigen Wiesen. Stark zurückgegangen sind die Bestände der gemusterten Schachbrettblume, die bis in die 1950er-Jahre regelmäßig von den Neuländern auf den Hamburger Blumenmärkten verkauft wurde. In den Auwaldzonen brüten seltene Vögel wie die Beutelmeisen, die dort ihre kunstvoll hängenden Nester anlegen.

Ältester Baum Hamburgs

Besucher des Gebiets schauen sich gerne den ältesten Baum Hamburgs an. Die 800 bis 1.000 Jahre alte Eibe befindet sich auf einem Privatgrundstück in Höhe der Hausnummer 198 am Neuländer Elbdeich. Der Stamm ist fast hohl und wird durch ein Metallkorsett umfasst.

Beim Weiterfahren auf der Straße kommt man in Höhe der Volksbank zur Fünfhausener Straße. Bei einigen ihrer Häuser läuft die Landesgrenze quer über die Grundstücke: sitzen die Bewohner im Wohnzimmer, sind sie in Hamburg; gehen sie in den Garten, stehen sie in Niedersachsen.

Kleine Schule am Deich

Die Grundschule Neuland weist ebenfalls etwas Besonderes auf: Sie liegt direkt hinter dem Deich und ist mit 90 Schülern die zweitkleinste Schule Hamburgs, und zwar nach Cranz (75 Schüler). Schafe und Ziegen grasen friedlich in ihrem Gehege auf dem Schulhof, zwei Fasane, 21 Hühner und 17 Fische zählen unter anderem auch zum Schulzoo.

Nutztiere gibt es in der Gegend kaum noch auf Bauernhöfen. Seitdem die Stadt die Ländereien einiger Neuländer Bauern in den 1970er-Jahren aufkaufte und die Außendeichflächen nicht mehr genutzt werden dürfen, ist die Landwirtschaft zum Erliegen gekommen. Dafür findet man in zahlreichen Lagen Schrebergärten vor.

Einkaufen? Dafür fahren die Neuländer in wenigen Minuten nach Harburg oder in einer Viertelstunde nach Hamburg. Im Westen von Neuland, auf der anderen Seite der A1, hat sich seit Ende der 1960er-Jahre das Gewerbegebiet Großmoorbogen entwickelt – mit dem TÜV, der Metro, Autohäusern und Imbissen. Die Gewerbeansiedlung wurde durch die gute Verkehrsanbindung begünstigt. Neben der A1 verläuft am westlichen Rand die Bundesautobahn A253 durch Neuland.

Paradies für Wasserski

Biegt man in die Sackgasse Am Neuländer Baggerteich, eröffnet sich zwischen Firmengebäuden und Betriebsgeländen plötzlich eine ganz andere Welt: „Welcome to paradise“ prangt über dem Eingang zur Anlage am Neuländer See. Dort ist Hamburgs erster Wasserskilift samt Wakeboard-Angebot in Betrieb. Am Ufer kann man auf langen Bänken einer Holzterrasse sitzen und beobachten, wie ungeübte Sportler schon beim Startsprung ins Wasser fallen.

Der Baggersee ist mit 48 Hektar Wasserfläche Hamburgs zweitgrößter See. Und mit seiner Tiefe von 20 Metern übertrifft er sogar alle anderen Gewässer der Stadt. Wie sein Name schon andeutet, entstand er durch die Entnahme von Kies. Als die Abbauarbeiten abgeschlossen waren, konnte sich die Grube nach und nach mit Wasser füllen und das Gelände ringsherum renaturieren. Seit den 1990er-Jahren sind Teile des Areals als Park angelegt. Der See lässt sich einmal umrunden und ist zudem an das übergeordnete Wanderwegesystem angeschlossen. Großzügige Wiesenflächen locken im Sommer viele Besucher zum Sonnenbaden oder Ballsport.

Unterricht im Ruderboot

Seit 2013 gibt es am Neuländer See, auf der sogenannten Beton-Halbinsel, ein ökologisches Wassersport- und Umweltzentrum (WUZ). Auf einem 11.000 Quadratmeter großen Grundstück befinden sich mehrere Gebäude, darunter ein Bootshaus, ein Pavillon für Segler, ein Doppelpavillon für Angler und ein „Grünes Klassenzimmer“ mit Forschungs- und Untersuchungsgeräten.

Daher nutzen nicht nur Segler und Angler die Anlage, sondern auch Schüler aus der Region. Diese können nach dem Biologieunterricht die Sportstunde im Ruderboot absolvieren und am Nachmittag die Angebote der Vereine nutzen. Und für Lehrer ist die Einrichtung ebenfalls gedacht: Nach dem Prinzip der Lernenden Region soll das Projekt der Lehrerbildung und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Träger des 900.000 Euro teuren Projekts sind die Schulbehörde, der Angelsportverein Harburg-Wilhelmsburg und die Segelvereinigung Sinstorf. Sie hatten mehrere Jahre an der Entwicklung gearbeitet und dafür den gemeinnützigen Verein „Wassersportgemeinschaft Neuländer See“ gegründet.

Beliebt bei Kiebitz und Wachtelkönig

Südlich des Neuländer Sees liegt ein großes zusammenhängendes Gebiet mit Feuchtwiesen, wie sie früher für die flussferne Elbmarsch typisch gewesen sind. Im zentralen Bereich besitzt die Loki-Schmidt-Stiftung eine Wiese, in der unter anderem der Kiebitz, der Wachtelkönig und die Gelbe Wiesenraute leben.

Dank seiner feuchten Wiesen wird Neuland auch gerne von Störchen besucht. Diese steuern unter anderem eine 1,6 Hektar große Fläche direkt neben der Autobahn an, die der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) vor mehr als 20 Jahren gekauft hatte. Seitdem sieht man dort Störche bei der Futtersuche und seit rund zehn Jahren brütet ein Storchenpaar regelmäßig auf dem frei stehenden Horst inmitten der Wiese. 2014 kam ein weiterer Mast mit Horst hinzu.

Marschland besiedelt

Verantwortlich für den Namen Neuland ist übrigens Herzog Otto II. von Braunschweig-Lüneburg, der Ende des 13. Jahrhunderts Siedler dazu bewegte, das Marschland östlich von Harburg zu kultivieren. 1814, in den Napoleonischen Kriegen, wurde Neuland niedergebrannt. Das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 brachte es mit sich, dass die Gemeinde vom Landkreis Harburg nach Hamburg eingegliedert wurde. Dadurch hat die Millionenmetropole einen ungewöhnlichen Stadtteil, in dem von „Stadt“ nicht viel zu spüren ist.

*Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein / Melderegister (Stand: Jan 2019)