Wohndorf im Süden Hamburgs
Das beschauliche Sinstorf thront hoch über der Hansestadt auf einem 30 Meter hohen Geestrücken. Der waldreiche Stadtteil mit Pferdekoppeln und großen Gärten ist umgeben von Marmstorf, Langenbek und Rönneburg. Eine permanente Geräuschkulisse erinnert daran, dass sich die A7 südlich des Stadtteils durchs Land fräst. Die Busanbindung ist insgesamt zufriedenstellend. Innerhalb von 17 Minuten erreicht man Harburg und für die S-Bahnfahrt zum Hauptbahnhof benötigt man weitere 15 Minuten.
Das 2,6 Quadratkilometer große Wohndorf hat einen beträchtlichen Teil seiner Infrastruktur an die angrenzenden Regionen ausgelagert. So fahren die Sinstorfer zum Einkaufen nach Langenbek oder Hittfeld und zum Essengehen in Richtung Norden. Gegen den schnellen Hunger helfen nur die Tankstelle oder die Fastfood-Kette an der Winsener Straße. Geschäfte, Kneipen oder Lokale sucht man vergebens.
Ehrwürdige Sinstorfer Kirche
Das beeindruckendste Gebäude ist sicherlich die trutzige Kirche aus dem 11. Jahrhundert. Sie gilt als einzige mittelalterliche Hamburger Kirche. Im Laufe der Jahrhunderte passten die Menschen das Gotteshaus den herrschenden Stilrichtungen an. Im Jahr 1416 wurde die Feldsteinbasilika in ein einschiffiges Gebäude umgestaltet. Den mittelalterlichen Rundturm riss man im 17. Jahrhundert ab und ersetzte ihn durch einen damals modischen Holz-Glockenturm.
Wer die Kirche betritt, atmet tief durch – es riecht nach uraltem Gemäuer. Das Kircheninnere mit seinem weißen Gestühl wirkt sehr hell und freundlich. Als besondere Schätze hortet die Kirche einen Altar von 1619 sowie ein Relief, das Cord Snitker im Jahr 1470 schuf. Ein Beichtstuhl erinnert an die Zeit vor der Reformation.
Hochzeitskirche und Baumriesen
Die Kirchenbänke sind an Sonntagen gut gefüllt, erzählt die Pastorin, und besonders als Hochzeitskirche steht das ehrwürdige Kirchenhaus hoch im Kurs. Bis zu 35 Mal im Jahr geben sich Brautpaare hier das Jawort. Leicht altersgekrümmt steht die Kirche mit ihrem Patchwork aus runden Feldsteinen und rechteckigen Ziegeln auf einem Hügel – umgeben von alten Grabsteinen und noch älteren Eichen.
Gigantische Eichen säumen auch das Gemeindehaus gegenüber, das in einer noblen Villa untergebracht ist. Bis zu 500 Jahre alt sollen die Baumriesen sein. Seit es den Jacobusweg gibt, haben außerdem Pilger die Kirche in Sinstorf entdeckt. Sie starten an der Hamburger St. Jacobi-Kirche und laufen an der Sinstorfer Kirche entlang bis zu 390 Kilometern durch die Lüneburger Heide.
Wohnen unter Reet oder im Neubau
Am Sinstorfer Kirchweg 19 fällt ein stattliches Fachwerkgebäude auf. Das Reetdachhaus stammt aus dem Jahr 1831 und diente früher als Schulhaus. In einem ebenso denkmalgeschützten Fachwerkhaus mit Reetdach befindet sich das Gemeindehaus Nr. 21 gegenüber der Kirche.
Die Veränderung vom Dorf zur Vorstadt bezeugt die gut erhaltene Villa Hastedt aus dem Jahr 1880, die mit riesiger Scheune und Stallgebäude den Sinstorfer Kirchweg säumt.
Für junge Familien ist der Stadtteil mit seiner naturnahen Wohnlage und der Sinstorfer Grundschule attraktiv. Für diese Klientel baut man zurzeit die Siedlung Sinstorf 22 mit 119 Wohnungen. Ansonsten dominiert in Sinstorf der Wohnungsbau aus der Nachkriegszeit.
Käfersiedlung und Haithabustraße
Typisch für den dominierenden Baustil in Sinstorf ist die weitläufige Käfer-Siedlung, die in den Nachkriegsjahren auf dem Gelände einer ehemaligen Flaksiedlung entstand. Die Doppelhäuser im Marienkäferweg, Prachtkäferweg, Sandkäferweg und Maikäferweg wurden teils in Eigenarbeit mit Materialien aus kriegszerstörten Gebäuden hochgezogen und sehen mit ihren Spitzdächern und netten Blumengärten wohnlich aus.
Nach 1959 fanden viele Ausgebombte in Sinstorf eine neue Heimat. Zum Beispiel in der Haithabu-Siedlung mit Backsteinhäusern für mehrere Familien. Neben dem eher einfachen Wohnungsbau bestimmen gepflegte Einfamilienhäuser mit großen Gärten das Ortsbild.
Leben in Sinstorf
Die sonst eher verträumte Schlaf- und Wohnstadt erwacht bei den Dorffesten zu ungeahntem Leben. Beim Osterfeuer, dem Schützenfest, dem Feuerwehrfest und Laternenumzug im November sind fast alle Sinstorfer dabei. Ansonsten genießen die Bewohner die Nähe zur Natur. Rehe, Füchse und Kaninchen gehören zur Nachbarschaft und halten sich gerne mal im Garten auf. Vom Wohnzimmerfenster blicken zahlreiche Ortsansässige auf Felder und Pferdekoppeln.
Bis in den Wald und die Feldmark sind es nur ein paar Minuten mit dem Fahrrad, wobei man allerdings die Autobahn queren muss. In ihrer Freizeit engagieren sich viele Sinstorfer im Schützenverein und in der Freiwilligen Feuerwehr oder gehen an der Sportanlage Scharfsche Schlucht ihrem Lieblingssport, zum Beispiel dem Tennisspiel nach.
Kehrwieder-Bier und Wirsingchips aus Sinstorf
In der ehemaligen Sinstorfer Meierei braut Oliver Wesseloh, studierter Brauingenieur und 2014 Weltmeister der Bier-Sommeliers, seit einigen Jahren das Kehrwieder-Bier. Mit dem Lagerbier Prototyp und einigen Ale Sorten errang er zahlreiche Preise.
Die beiden Startup-Gründer Maurice Fischer und Aryan Moghaddam tüftelten in Sinstorf an einem gesunden Snack und kreierten 2014 die Wirsingchips. Ihren veganen Kohl-Cracker liefern die beiden gesundheitsbewussten Sportler mittlerweile an renommierte Lebensmittelketten.
Sinstorfer Geschichte
Der Name Sinstorf leitet sich von dem sächsischen Wort „sine“ für alt ab. Das stimmt, denn schon im 9. Jahrhundert siedelten Menschen auf diesem Gebiet und errichteten eine hölzerne Kirche. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Sinstorf 1181. Zum Sinstorfer Kirchspiel gehörten bereits im Mittelalter 14 umliegende Dörfer. Im Jahr 1937 wurde das preußische Sinstorf von Hamburg eingemeindet.
*Quelle: Hamburger Stadtteilprofile, Statistikamt Nord (Stand: Jan 2019)