Der Stadtteil in Kürze
Seit 1990 stieg die Einwohnerzahl von 5.100 auf über 6.600 Menschen, die im südlichen Mellingstedt große Grundstücke bewohnen und westlich der Lemsahler Landstraße eher dichter gedrängt leben. Die Quote an Eigenheimbesitzern ist die höchste in Hamburg und das Einkommen liegt beträchtlich über dem Hamburger Schnitt. Eine direkte S- oder U-Bahnanbindung in die Innenstadt besteht nicht. Über regelmäßig verkehrende Busse haben die Lemsahler Anschluss an die U1 in Wohldorf-Ohlstedt und die S-Bahn in Poppenbüttel.
Reetdachzauber im alten Dorf
Verstreut über den 7,9 Quadratkilometer großen Stadtteil entdeckt man – manchmal hinter Hecken versteckt – historische Reetdachhäuser wie am Lemsahler Bargweg, am Kuhredder oder Trilluper Weg.
In einem komplett renovierten Strohdachhof am Redderbarg lebt Maurice Blank, der einzige Bauer vor Ort. 2014 übernahm der studierte Landwirt den 20-Hektar-Hof von Joachim Sprotte und stellte auf Bioanbau um. Bei einem Besuch auf dem Hof führt er uns stolz zum neuen Hühnerhaus, nimmt ein zutrauliches braunes Hühnchen auf den Arm und zeigt uns seine Roggenfelder, das Gemüsebeet und die Erdbeerplantage. Sein kleiner Hofladen ist samstags geöffnet.
Vom ruhigen Redderbarg gelangt man zur Lemsahler Dorfstraße mit dem Dorfplatz. Auf einer Holzbank unter der Dorfeiche kann man die Ruhe genießen und den Lindenhof, einen Bilderbuch-Hof mit umgebauter Scheune. Rund um den stillen Platz verteilen sich alte Wirtschaftsgebäude, Giebelhäuser und 70er-Jahre Eigenheime.
Alte Traditionen und Wohnstadt
Die eigentliche Dorfzentrale liegt jedoch ein Stück weiter beim Gasthaus Offen. Kalle Pieper, Lemsahler Urgestein, betreibt das Gasthaus seit 1967 mit seiner Frau Asta. Er kennt hier jeden, ist mit Platt und Hochdeutsch mehrsprachig unterwegs und führt – nomen est omen – ein offenes Haus, in dem sich die Gäste wohlfühlen. Nicht nur für die legendären Bratkartoffeln, sondern auch für eine preisgekrönte Küche ist das mehr als 100 Jahre alte Lokal bekannt, in dem Lemsahler ihre Familienfeste feiern, ältere Herren noch Skat dreschen und auch Gäste von außerhalb einkehren.
Traditionen und Fluglärm
Vor dem Rotklinkerhaus Offen leuchtet im Dezember der große Weihnachtsbaum, eine der dörflichen Traditionen, die sich neben dem Weihnachtssingen, Osterfeuer und Schweinelotto, einem Spiel ähnlich wie Bingo, erhalten hat. Für das Miteinander setzt sich der rührige Heimatbund Lemsahl-Mellingstedt ein, der Jazzevents und Feste organisiert und sich seit Jahrzehnten gegen Großbauprojekte einsetzt. Eine traditionelle Dorfgemeinschaft gebe es eigentlich nicht, sagt ein Anwohner und nennt Lemsahl einen „gehobenen Vorort mit Fluglärm“. Damit spricht er auf die zunehmende Beschallung durch überfliegende Flugzeuge an, die viele Anwohner stört.
Villen und Vier-Sterne-Golfhotel
Um 1900 entstanden in Lemsahl-Mellingstedt die ersten Villen. Manche sind denkmalgeschützt wie die im Heimatschutzstil erbauten Häuser an der Alsterschleife, die mit grünen Fensterläden, Holzfronten, Fachwerk und Spitzdächern sehr wohnlich aussehen. In Mellingstedt drängt sich das alte Dorf an der Alsterschleife nahe der Mellingburger Schleuse. Ein klassizistisches 200 Jahre altes Holzgebäude ist heute Standort der Bar Mellinghus.
Schräg gegenüber liegt ein repräsentatives Reetdach-Anwesen. Dort residiert das renommierte Fischrestaurant Stocks, das 1984 nach einem Brand original wieder aufgebaut wurde. Gäste aus dem nahe gelegenen Golfhotel Treudelberg kommen gern zu Fuß über den ruhigen Parkweg an der Mellingbek und dem idyllischen Kupferteich, um im Lokal zu speisen.
Das Hotel Steigenberger Treudelberg mit einem 27-Loch-Golfplatz bringt weltläufiges Flair ins geruhsame Lemsahl-Mellingstedt. Auf dem voll besetzten Parkplatz des früheren Gutshauses parken Nobelkarossen. Gäste und Golfer reisen aus der gesamten Republik an und auch die Fußballer des Hamburger SV nutzten schon die Idylle des Golfhotels.
Lebenswerte Gegend für Familien
Durch das 2001 fertig gestellte Wohngebiet zwischen Fiersbarg und Tannenhof verjüngte sich der Altersschnitt massiv. Reihenhäuser und Einzelhäuser stehen dort in Reih und Glied, die schmalen Vorgärten ähneln sich, Laufräder und Rennräder versperren manche Haustür. Weitere Wohnsiedlungen sind Am Spechtsort und Hinsenfeld geplant.
Sorgen um Schülerschwund muss man sich also an der 300 Jahre alten Grundschule, die zugleich eine der größten Schulen in den Walddörfern ist, nicht machen. Zwischen der Redderbarg-Schule und der Familien-Wohnsiedlung am Fiersbarg liegt das Mini-Einkaufszentrum Tannenhof mit einem Supermarkt, einer Apotheke und ein paar Ärzten. Größere Einkäufe erledigen die Anwohner meistens im nahe gelegenen Duvenstedt.
Naturschutzgebiet Wittmoor
Ein südlicher Ausläufer des Hochmoores Wittmoor liegt noch im Stadtteil. Auf dem Damm der alten Lorenbahn erreicht man einen finsteren Tümpel, aus dem Dutzende angefaulte schwarze Birkenstämme herausragen, am Ufer wachsen Wollgras und Wassercalla. Im Moor fühlt sich auch der seltene Sonnentau wohl.
Kleiner Stadtteil mit Potential
In Lemsahl-Mellingstedt wuchs die bekannte Schriftstellerin Karen Duve („Taxi“) auf. Auch die Fernsehschauspielerin Eva Habermann und das aufstrebende Tennis-As Alexander Zverev verbrachten in diesem beschaulichen Stadtteil im Norden Hamburgs ihre Jugend.
Uralte Besiedlung und Ziegeleien
Der Name Lemsahl leitet sich von „Sahl“ für lehmigen Tümpel ab, denn im Mittelalter lagen im Stadtteil Ziegeleikuhlen. Der Name „Mellingstedt“ deutet auf eine mehr als 1.000 Jahre alte sächsische Besiedlung hin. Doch schon lange vorher, nämlich in der Steinzeit und Bronzezeit, siedelten hier Menschen. Sieben Grabhügel nahe des Wittmoors bezeugen das.
Im Jahre 1271 wurden Lemsahl und Mellingstedt erstmals urkundlich erwähnt. Seit dem 15. Jahrhundert gehörten die beiden Siedlungen zuerst zu Tremsbüttel, ab 1693 zu Tangstedt. Bis 1848 mussten die Bauern wie üblich Frondienste für die Tangstedter Herren leisten, bis sie sich dagegen auflehnten und endlich ab 1876 einen Status als freie Bauern erhielten.
Nach dem Großen Brand von 1842 entwickelte sich die Trilluper Ziegelei zu einem gefragten Unternehmen, das die abgebrannte Hansestadt mit gelben Klinkersteinen versorgte. Ab 1866 stand Lemsahl-Mellingstedt unter preußischer Hoheit, bis es 1937 nach Hamburg eingemeindet wurde.
*Quelle: Hamburger Stadtteilprofile, Statistikamt Nord (Stand: Jan 2019)