Ländliches Hamburg
Weite, grüne Wiesen, alte Fachwerkhäuser mit Reetdach hinterm Deich, bunte Blumenmeere am Ufer der Dove-Elbe und Jahrhunderte alte Kirchen im Barockstil – so präsentieren sich die Vier- und Marschlande. Zu diesem Gebiet gehören zwölf der 14 Stadtteile im Bezirk Bergedorf.
Folgende Stadtteile bilden die Marschlande:
- Allermöhe
- Billwerder
- Moorfleet
- Neuallermöhe
- Ochsenwerder
- Reitbrook
- Spadenland
- Tatenberg
Zu den Vierlanden gehören folgende Stadtteile:
- Altengamme
- Curslack
- Kirchwerder
- Neuengamme
Zusammen sind sie die Vier- und Marschlande. Die Stadtteile Lohbrügge und Bergedorf, die auch zum Bezirk gehören, zählen nicht dazu.
Alles in allem nehmen die Vier- und Marschlande mit rund 132 Quadratkilometern fast ein Fünftel der Fläche Hamburgs ein. In den ländlichen Stadtteilen im Osten der Hansestadt hat der Naturschutz einen hohen Stellenwert. Dort finden sich mehrere Schutzgebiete mit seltenen Pflanzen- und Tierarten, die sich dort pudelwohl fühlen. Bekannt sind die Vier- und Marschlande seit jeher auch für ihre Blumenzucht.
Sommersitz im Grünen
Die Schönheit der Vier- und Marschlande erkannten die Hamburger früh und nutzten das Gebiet, um sich vom stressigen Leben in der Stadt zu erholen. Schon im 16. Jahrhundert, lange bevor die Elbchaussee en vogue wurde, errichteten Hamburger Kaufleute ihre Sommersitze in der stadtnahen Marsch – vor allem in Billwerder und Moorfleet.
Allerdings hatten die Vier- und Marschlande einen Nachteil: Größte Feind war und ist nämlich das Wasser. Noch heute gibt es dort zahlreiche Bracks, kleine Teiche im Landesinneren, die nach Deichbrüchen und Überflutungen entstanden sind. Die Vier- und Marschlande sind besonders anfällig für Hochwasser: Norder- und Süderelbe treffen dort wieder zusammen, ebenso die Dove- und die Gose-Elbe. Zudem fließt im Norden die Bille. Durch den hohen Grundwasserspiegel und die Tieflage stand das Land häufig unter Wasser. Bis heute sind die Deiche in Hamburg auf mindestens 7,50 Meter Höhe angewachsen, bei Altengamme sogar auf 7,80 Meter.
Früher Deichbau
Um ständige Überflutungen zu verhindern und das fruchtbare Land nutzbar zu machen, wurden die Vier- und Marschlande schon im 12. Jahrhundert eingedeicht. Der Hochwasserschutz wurde ständig erhöht, sodass die Vier- und Marschländer immer besser vor Hochwasser geschützt waren. Seit dem 18. Jahrhundert wurde dann der Blumen-, Obst- und Gemüsebau intensiviert und die Produkte auf dem Hamburger Markt verkauft. Durch luxuriöse und exotische Waren wie Pfirsiche, Aprikosen, Erdbeeren (seit 1693), Blumen und vieles mehr, machten die Vier- und Marschländer auf sich aufmerksam. Passend zu den Produkten trugen sie eine aufwendige Tracht, die noch heute weithin bekannt ist und zu den bedeutendsten deutschen Volkstrachten gehört.
Durch den florierenden Handel kamen die Bewohner der Vier- und Marschlande häufig zu größerem Reichtum, was sich an manch prunkvollem Hufnerhaus oder an den prächtigen Reetdachkaten zeigt. Neben den Naturalien sind auch die Intarsien aus den Vier- und Marschlanden bekannt. Wandernde Handwerker aus Italien brachten diese Kunstform mit in den Norden und fanden in den Vier- und Marschlanden besondere Beachtung. Dort wurden die aufwendigen Verzierungen gerne übernommen und sind vor allem in den historischen Kirchen zu finden, wie zum Beispiel in St. Nicolai in Altengamme, der ältesten Kirche der Vier- und Marschlande, St. Johannis in Curslack oder St. Pankratius in Ochsenwerder.
Gemüse, Blumen und Reiterhöfe
Auch heute noch gibt es vor allem in Tatenberg, Spadenland und Moorfleet zahlreiche Gemüsebauern und Blumenzüchter. Sie verkaufen ihre Waren auf dem Hamburger Großmarkt oder betreiben nebenher Hofläden, die besonders am Wochenende recht einträglich sind, wenn Ausflügler dort noch schnell frisches Gemüse kaufen. Allerdings ist das Gewerbe rückläufig. In Moorfleet hat der Bau der A25 dazu beigetragen, dass zahlreiche Bauern Land verloren haben und sich zum Teil andere Erwerbsquellen suchen mussten. So haben einige in den Aufbau von Reiterhöfen investiert. Mit ihrer weitläufigen Natur bieten die Vier- und Marschlande beste Bedingungen für Pferdefreunde.
Ländlich geht es auch in Billwerder zu. Dort wohnt man mitten im Grünen, zwischen Bille und Pferdeweiden. In Tatenberg beherrschen Kleingärten den Stadtteil. Deren Besitzer hatten einst Gärten auf dem Gebiet der heutigen City Nord und in Steilshoop und wurden im Zuge der Bautätigkeit von dort nach Tatenberg umgesiedelt. Nur wenige Menschen leben im Stadtteil Spadenland. Das Leben am Deich an der Norderelbe erfordert ständige Umsicht. So leitet sich vermutlich auch der Stadtteilname vom Wort „Spaten“ ab. In früheren Jahrhunderten waren die Bewohner selbst für den Deich verantwortlich, jeder musste sein Stück des lebenswichtigen Hochwasserschutzes in Stand halten. Kam jemand seinen Pflichten nicht nach, wurde ihm ein Spaten auf sein Stück Deich gesteckt, was einer Enteignung gleichkam.
Reizvolle Neubausiedlung
Neben den ländlichen Gebieten gibt es aber auch einige größere Siedlungen mit Hochhäusern in den Vier- und Marschlanden, zum Beispiel in Allermöhe oder noch größer in Neuallermöhe. Dort wohnen über 20.000 Menschen. Der Stadtteil ist von seinen Planern interessant gestaltet worden. In die Siedlung mit Einfamilienhäusern und höchstens viergeschossigen Wohnhäusern wurden uferbegrünte Fleete und zahlreiche Grachten integriert. Viele Grundstücke haben einen Zugang zum Wasser und die Bewohner haben einen eigenen Bootsanleger. In Moorfleet wiederum gibt es einige größere Industrie- und Gewerbeflächen.
Naturschutzgebiete und Badeseen
Dennoch ist die Natur in den Vier- und Marschlanden dominierend. Das zeigt sich in den zahlreichen Naturschutzgebieten, wie den Kirchwerder Wiesen – mit 857 Hektar das größte Naturschutzgebiet Hamburgs. Besondere und schützenswerte Naturräume findet man zudem am Zollenspieker, ebenfalls in Kirchwerder gelegen, am Kiebitzbrack in Neuengamme und in der Reit in Reitbrook. Nördlich der Vier- und Marschlande befindet sich in Lohbrügge zudem die Boberger Niederung mit der einzigen Wanderdüne Hamburgs.
Bei so viel Strandatmosphäre ist ein Badesee nicht weit: der Boberger See. Weitere Möglichkeiten zur Abkühlung gibt es beispielsweise am Allermöher See oder am Hohendeicher See. Einen hohen Freizeitwert hat auch die Dove-Elbe. Entweder lädt sie zum Baden ein oder sorgt für eine schöne Kulisse bei einem Spaziergang. Zudem ist sie ein schönes Revier für Wassersportfreunde. Mit dem Paddelboot oder dem Sportboot gibt es viele idyllische Ecken zu entdecken. Die Ruhe am Eichbaumsee wird einmal im Jahr gegen laute Musik getauscht, wenn beim Wutzrock Festival zahlreiche Rock- und Punk-Bands auf der Bühne stehen.