So drängt sich die Frage auf, ob auch der Hein-Köllisch-Platz einmal zu Altona gehört hat. Doch Recherchen im St.Pauli-Archiv ergeben, dass der Hein-Köllisch-Platz, so wie ganz St.Pauli, immer schon zu Hamburg gehörte. Ebenso klar wird bei der Recherche, dass der Platz 1949 nach dem dort geborenen Volksschauspieler Hein Köllisch (1857 – 1901) benannt wurde. Und dass der Platz erst 1984 zum eigentlichen Platz werden sollte. Bis dahin war er lediglich eine Straßeninsel.
Ein ebenso beachtenswertes Rechercheergebnis ist die Tatsache, dass es sich beim Hein-Köllisch-Platz und seiner Umgebung um eines der ersten Sanierungsgebiete der Stadt handelt. Es ist nicht nur wegen des Erhalts von Altbauten bemerkenswert ist, sondern auch wegen seines Doppelnamens: Altona-Altstadt / St.Pauli-Süd. Was erneut die Frage nach den Zugehörigkeiten aufwirft. Die sind in der Tat etwas verwirrend. Verlief die Grenze zwischen Hamburg und Altona einst an der circa 200 Meter westlich vom Platz verlaufenden Pepermöhlenbek, durchschneidet heute die Grenze zwischen dem Bezirk Hamburg-Mitte und Altona den gesamten Platz. So befindet sich zum Beispiel das Café Geier an der Ecke Antonistraße im Bezirk Altona, während die Stühle draußen bereits auf dem Gebiet von Hamburg-Mitte stehen.
Ein Platz – Zwei Bezirke
Ob es nun einen Zusammenhang gibt zwischen heutiger Teilzugehörigkeit zum Bezirk Altona und der Platzgestaltung mit vermeintlichem Altona-Bezug, ist offiziell nirgends festgehalten. Weder das Standardwerk „Hamburg und seine Bauten“ aus der entsprechenden Zeit (1969 – 1984) noch die 1987 veröffentlichte Denkmaltopographie „Altona-Altstadt und -Nord“ schenken dem Platz Beachtung. Wenn Anwohner nach dem Platz gefragt werden, zucken sie nur mit den Schultern. Und selbst das am Platz befindliche „Büro für Gestaltungsberatung“ scheint sich über die Gestaltung vor seiner Tür noch keinerlei Gedanken gemacht zu haben.
Wenn am Ende nicht doch noch die Antwort aus dem Fachamt Management öffentlicher Raum des Bezirkes Hamburg-Mitte gekommen wäre, müssten alle Gedanken nur vage Mutmaßungen bleiben. Doch beim Gespräch mit dem Bildhauer Thomas Darboven, der an der Gestaltung des Platzes mit beteiligt war, werden alle Annahmen sofort bestätigt. „Klar, dieser Platz ist ein kleiner Gruß von Altona nach Hamburg“, sagt Darboven im Tonfall größter Selbstverständlichkeit. Ganz bewusst hätte er die Elemente der „Gehwegtradition in Altona“ aufgegriffen, wo viele Gehwege nach Berliner Vorbild mit Granitplattenbahnen ausgelegt gewesen wären, die nach und nach im Zuge von Straßenbauarbeiten entfernt worden seien. „Einige der Platten, die wir auf dem Platz verlegt haben, haben wir vom Straßenbaudepot, wo die entfernten Platten hingebracht worden waren“, erzählt Darboven und schüttelt über die abhanden gekommene Gehwegkultur nur den Kopf. „Wenn wir schon die Erde abdecken, dann wenigstens mit natürlichen Materialien“, sagt Darboven und fügt hinzu, dass es sich darauf doch auch sehr gut gehen lasse.
Während einerseits dieser historisch gewachsenen Struktur achtlos der Rücken gekehrt und den unterschiedlichen Gehwegbelägen keine große Beachtung geschenkt wird, so wuchs im Bezirk Altona indes das Bedürfnis nach Geschichte, indem an vielen Stellen historische Lampen aufgestellt wurden, wie zum Beispiel auf dem Spritzenplatz in Ottensen, auf dem Fischmarkt oder beinahe auf dem Hein-Köllisch-Platz, was Darboven allerdings im Rahmen einer Bürgeraktion zu Gunsten von Kirschbäumen verhinderte.
Selbst wenn diese „nostalgischen Wandarmlampen“ kitschig seien und von Denkmalpflegern kritisiert werden mögen, so stehen sie doch für eine Rückbesinnung auf Vergangenes in der Bevölkerung sowie für einen Sinneswandel in der Stadtentwicklung, der sich bundesweit ab den 1970er Jahre zögerlich vollzogen hatte.
Denn bis zum 1971 verabschiedeten Städtebauförderungsgesetz galt die Maxime: „Was der Krieg nicht ‚geschafft’ hat an Zerstörung von ganzen Quartieren und einzelnen Wohnhäusern“ das schafft – siehe oben – die Stadtplanung mit ihrer „Kahlschlagssanierung“. Es wurde großflächig abgerissen, massiv am Stadtrand gebaut, und es wurden in der Stadt Schneisen für Straßen und Stadtautobahnen geschlagen.
Der Hein Köllisch Platz hielt dem Veränderungsdruck stand
Auch das Gebiet um den Hein-Köllisch-Platz – hauptsächlich Wohnbebauung aus der Gründerzeit – sollte nicht nur im Zuge der Elbuferplanung durch Konstanty Gutschow im Dritten Reich komplett abgerissen werden; ebenso die Pläne von „Neu-Altona“ von 1954 unter der Federführung des damaligen Oberbaudirektors Werner Hebebrand und des Architekten Ernst May hätten keinen Stein auf dem anderen gelassen; anstelle der jetzt prägenden Blockbebauung wäre eine Zeilenbebauung erfolgt, den Beispielen von Le Corbusier und der Charta von Athen folgend. Doch während das Gebiet westlich vom Hein-Köllisch-Platz, am Hexenberg, tatsächlich in dieser Weise verwirklicht wurde, blieben der Hein-Köllisch-Platz und seine Umgebung verschont.
Stattdessen konnte am 25. April 1978 die offizielle Erneuerung des Sanierungsgebietes beginnen, die unter anderem aus der Sanierung von 918 Wohnungen, dem Abriss von 217 Wohnungen und dem Neubau von 228 Wohnungen bestand.
Im Zuge der Sanierung des Quartiers sollte auch das Wohnumfeld verbessert werden, wozu nicht zuletzt die Verkehrsberuhigung gehörte, durch welche sich der Hein-Köllisch-Platz von der Straßeninsel zwischen Lange Straße und Antonistraße zum eigentlichen Platz entwickeln konnte.
Bei der Gestaltung baute Thomas Darboven vorhandene Strukturen ein. So blieben die Pflastersteine der verkehrsberuhigten Straßen erhalten, über die er in Laufrichtung die Granitplattenbahnen legen ließ.
Damit die vielen damals am Platz lebenden Kinder wissen würden, „wo sie zu Hause sind“, versah Darboven die Hauseingänge mit einem jeweils individuellen „Außenfoyer“ – aus farbig unterlegten quadratischen, diagonal verlegten Betonplatten, die durch so genannte Bischofsmützen am Rand eingefasst sind (ebenso ein charakteristisches Gehwegelement aus Berlin und Altona).
Farbige Betonplatten zur besseren Orientierung für die Kinder
Darboven erzählt, wie die Kinder den Platz von Anfang an angenommen hätten, vor allem als der dort stehende Hydrant auch tatsächlich noch Wasser abgab. „Das Wasser aus dem Hydrant war immer frisch und diente vielen Zwecken: Das zwischen den Pflastersteinen gesäte Grün wäre zu einer Art Wiese gewachsen, die Kinder hätten immer „Spielmaterial“ gehabt und die vielen damals dort lebenden Hundebesitzer hätten ihren Vierbeinern frisches Wasser vorsetzen können“, so Darboven, der bedauert, dass die Stadt den Hydranten stillgelegt hätte, da ihr die 18.000 DM Wasserkosten im Jahr zu teuer gewesen seien. Die unterschiedlichen Steine, die der Bildhauer Darboven auf dem Platz hat aufstellen lassen – aus Steinbrüchen sowie Fundstücke aus dem Hafen – dienen zum einen als Abgrenzung zur trotz Verkehrsberuhigung noch immer existierenden Fahrbahn; und sie dienen als Allzweckobjekte, die zum Spielen oder Verweilen anregen.
Auch wenn sich die Bewohnerschaft in der Zwischenzeit geändert hat, die Steine auf dem Hein-Köllisch-Platz machen ihn immer noch besonders, und die von Darboven erkämpften Kirschbäume tauchen den Platz vor allem während ihrer Blüte in Farbe und unterstreichen die heimelige Atmosphäre am Platz zwischen Elbe und Reeperbahn.
Karte
Parkanlagen
Zusatzinformation
Bezirk: | Auf der Grenze zwischen Mitte und Altona |
Lage: | Zwischen Silbersacktwiete und Antonistraße |
ÖPNV: | S-Bahnlinien 3 und 1 bis zur Station Reeperbahn |