Lost in Transition
In der Schlüsselszene im Film „Lost in Translation“ erhält der amerikanische Filmstar bei den Filmaufnahmen für einen Whiskey Werbespot lange und wortreiche Regieanweisungen des japanischen Regisseurs. Da der Amerikaner kein Wort Japanisch kann, werden ihm die Anweisungen von der japanischen Übersetzerin mit einem kurzen und schlichtem „Bitte zur Kamera wenden“ lapidar übersetzt. Die Komplexität der verschiedenen Sprachen und Kulturen „geht in der Übersetzung verloren“.
Nicht zufällig war der Titel des 4. Otto Linne Preises mit dem Titel „Lost in Transition“ gewählt. Die Analogie zum oben genannten Film gewollt. Wie übersetzen uns Landschaftsarchitekten, möglichst in interdisziplinären Teams organisiert, einen Ort im Hamburger Osten, der sich unseren üblichen Begriffen von Stadtplanung geschickt entzieht und uns auf den ersten Blick ratlos macht, in ein neues Zukunftsbild?
Die sogenannte `Grüne Passage` zwischen dem Flüsschen Bille im Süden und der Geestkante der Elbe im Norden ist für Planer/innen eine echte Zumutung. Das muss man wohl so feststellen: Nichts ist gesetzt. Ein Ranking der dringendsten dort zu lösenden Probleme wäre sinnlos. Weil es so viele davon gibt. Die von uns aufgeforderten jungen Planer/innen sollten den Ort erfassen. In seiner ganzen Bandbreite, seinen Problemen, seinen Un-Orten aber auch seinen Chancen und Lücken, die es zu füllen gilt. Ideen und Konzepte präsentieren, die weit vom planerischen Alltag der Hansestadt entfernt sein dürfen. Offen für alles. Das entspricht dem Linne`schen Geist.
… nur für junge Planer/innen geeignet
29 Entwürfe wurden von jungen Teams (die Teilnehmer/innen müssen unter 40 Jahre alt sein, das ist Bedingung für die Teilnahme) aus aller Welt eingereicht, um Ideen für diesen sperrigen Ort zu finden. Eine Annäherung mit der Unbedarftheit des frischen Blicks war gewollt - und ist gelungen.
Die Jury war von den Ideen überzeugt und hat daher alle Arbeiten aus Überzeugung mit in den zweiten Durchgang genommen. Das ist ungewöhnlich, ist aber der Verve, mit der die Teilnehmer/innen das Thema angegangen haben, angemessen. Daher dieser außerordentliche Akt der Jury.
Ein Industriekanal wurde zum romantischen Fluss. Triste Gewerbebauten wurden mit üppig begrünten und gleichzeitig sehr grazilen Betonelementen überbaut, um neuen nutzbaren Stadtraum zu erschließen. Oder es wurde ein flexibles Grundstücksraster entwickelt, dass sich -je nach Bedarf- mit neuen Nutzungen füllen kann.
… die jungen Planer/innen beherrschen offenbar sowohl das Wilde als auch das Romantische
Die beiden ersten Preise fanden sehr unterschiedliche Wege zur Lösung der Aufgabe.
Im 1. Preis, erarbeitet von Jaqueline Franz, Rebecca Braunegger, Madeleine Franz und Alissa Beer, sagt eine große begrünte Brücke "Basta" zu dem Gewirr aus undurchdringlichen Gleisen, Straßen und Kanälen und schlägt eine Brücke im wahrsten Sinne des Wortes. Die grüne Brücke gibt Orientierung im Orientierungslosen und lädt ein zum schwebenden Darüber schreiten.
Ganz im Gegensatz dazu der andere erste Preis von Steffen Becker, Robin Balzer, Matthias Berg, Florian Fischer, Charlotte Knab und Sebastian Rumold. Selbstbewusst, aber völlig unspektakulär unternimmt er eine sehr präzise Analyse des Ortes und findet wie Einstichpunkte in der Akupunktur zielsicher die richtigen Orte, die es weiter zu entwickeln gilt. Oder, um Lucius Burckhardt zu zitieren:
„beim kleinsten Eingriff kann es sich jedenfalls nicht darum handeln, ein bloßes Zeichen des ehemaligen Daseins vor die Fassade des neuen Lebens zu kleben; gesucht ist vielmehr ein sorgfältiger Umgang mit dem Alltag und den Lebensumständen der von unseren Planungen Betroffenen“ (1981).
Alle sind nun aufgefordert, sich auf die Ergebnisse des Otto Linne Preises einzulassen, sie als Inspiration für die Stadt von Morgen zu nutzen. Denn die Stadt von Morgen wird auch an jenen Orten entstehen, die heute noch „Lost in transition“ sind.