Hamburg.de Startseite Politik & Verwaltung Behörden ... Landesamt für... Rechtsextremismus

Rechtsextremismus

Unter den Oberbegriff Rechtsextremismus werden Bestrebungen eingeordnet, die den demokratischen Verfassungsstaat, die Gleichwertigkeit der Menschen und die universell geltenden Menschenrechte ablehnen. Oftmals wird ein dem Führerprinzip verpflichtetes Kollektivdenken unterstützt. Eine einheitliche rechtsextremistische Ideologie existiert nicht. Es lassen sich aber einige Gemeinsamkeiten erkennen.

Aspekte des Rechtsextremismus

Nationalismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit 

Bei allen Rechtsextremisten ist eine Überhöhung der eigenen ethnischen Zugehörigkeit bei gleichzeitiger Abwertung anderer Nationen und Völker fest zustellen. Ihnen ist zudem eine gegen die Menschenwürde und den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes gerichtete Fremdenfeindlichkeit zu eigen. 

Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus 

Bei fast allen Rechtsextremisten ist eine ausgeprägte Judenfeindlichkeit sowie auch eine Relativierung des Holocausts stark verbreitet. 

Neonazismus 

Der historische Nationalsozialismus stellt nach wie vor einen bedeutenden ideologischen Bezugsrahmen für die organisierte rechtsextremistische Szene in Deutschland dar. Viele Rechtsextremisten sind Neonazis oder vom Nationalsozialismus beeinflusst – aber nicht jeder Rechtsextremist ist ein Neonazi. 

Neue Rechte 

Die sich als Gegenelite verstehende Neue Rechte versucht, mit ihren Konzepten und Strategien in die Mitte der Gesellschaft zu wirken, um den politischen Diskurs zu beeinflussen und schließlich zu prägen. Rechtsextremistische Positionen werden dadurch anschlussfähiger. Hierfür grenzt sie sich vordergründig von der Neonaziszene ab und geht auf Distanz zum historischen Nationalsozialismus.
 

Formen des Rechtsextremismus in Hamburg

LfV Hamburg

Rechtsextremistische Parteien

Durch die Organisation in Parteien versuchen Rechtsextremisten ihre antidemokratischen Ziele, wie etwa die Errichtung eines ethnisch homogenen, totalitären Nationalstaates, zu verfolgen.

LfV Hamburg

Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e. V. (SWG)

Das LfV Hamburg hat aufgrund vorliegender tatsächlicher Anhaltspunkte für rechtsextremistische, antisemitische und geschichtsrevisionistische Aktivitäten die SWG am 9. Juni 2023 zum Beobachtungsobjekt als gesichert rechtsextremistische Bestrebung erklärt.

LfV Hamburg

Identitäre Bewegung (IB)

Die IB versteht sich als Teil einer europaweiten Bewegung für Freiheit, Heimat und Tradition. Sie setzen sich nach eigenen Angaben für die Bewahrung und Förderung patriotischer Leitwerte und der eigenen kulturellen Identität ein. Als entscheidende Zielvorgabe definiert die IB den Erhalt und die Bewahrung der ethnokulturellen Identität „unseres“ Volkes.

Rechtsextremistische Gewalt und Rechtsterrorismus

Das von Rechtsextremisten ausgehende Bedrohungspotenzial durch Gewalttaten und rechtsterroristische Anschläge ist aber nach wie vor hoch. Gewalt findet immer wieder spontane Anwendung in Alltagssituationen, indem sie sich im Einzelfall situativ gegen klassische rechtsextremistische Feindbilder richtet, welche auf Ideologieausprägungen wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit fußen. Diese werden in Teilen der Gesellschaft rezipiert, woraus ein Nährboden für die teils rasante Radikalisierung von Einzelpersonen und Kleingruppen resultiert. Grundsätzlich wird Gewalt in weiten Teilen der rechtsextremistischen Szene als legitimes und notwendiges Mittel zur Durchsetzung der eigenen politischen Ziele betrachtet. Insbesondere terroristische Attentäter wollen durch ihre Gewaltakte potenzielle Opfergruppen einschüchtern und – im Wissen um eine breite mediale Resonanz – ein Klima der Angst erzeugen. 

Als zusätzlicher Brandbeschleuniger erweisen sich die ausufernden Aktivitäten im virtuellen Raum mit den unzähligen geschlossenen Räumen und Filterblasen. Rechtsextremistische Online-Foren erleichtern die Kontaktaufnahme und ermöglichen einen intensiven Austausch unter Gleichgesinnten, der sich insbesondere durch eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auszeichnet. Eine konkrete Gruppenanbindung, etwa am eigenen Wohnort, ist längst nicht mehr erforderlich. 

Durch die verstärkte Nutzung des Internets zur persönlichen Selbstdarstellung rechtsterroristischer Attentäter, zum Beispiel durch die Übertragung eines Live-Streams während der Tat, ist in den vergangenen Jahren eine Art internationale Online-Community entstanden, die verschiedene Plattformen nutzt, um sich gegenseitig in ihren abstrusen Ansichten, insbesondere zum „Großen Austausch“ oder auch „Great Reset“, zu bestärken. Junge Erwachsene, Jugendliche und mitunter auch bereits Kinder lassen sich hierdurch beeindrucken und radikalisieren sich auf diesem Wege in kürzester Zeit. Besonders besorgniserregend ist, dass noch sehr junge Akteure bereits eine ausgeprägte Gewaltbereitschaft aufweisen, welche sich gezielt in zunächst verbalen Hassbotschaften und Tötungsabsichten äußert. 

Hierbei spielt auch die internetbasierte „SiegeCulture“, eine Form der rechtsextremistischen Terrorpropaganda, eine Rolle. Im Sinne des Akzelerationismus sollen in der Gesellschaft vorhandene Konflikte und Spannungen mittels terroristischer Akte potenziert werden, um so einen Bürgerkrieg auszulösen. Anhänger dieser „Siege-Culture“ haben eine ausgesprochene Faszination für rechtsextremistisch motivierte Amokläufer wie Anders Behring Breivik oder auch David Sonboly. Breivik ermordete im Jahr 2011 in Norwegen 77 Menschen, Sonboly im Jahr 2016 in München neun Menschen. 

Vor dem Hintergrund der zahlreichen Kommunikationsplattformen und sozialen Netzwerke ist das rechtzeitige Auffinden dieser potenziellen Täter eine große Herausforderung. Das Ziel der Sicherheitsbehörden ist und bleibt, mögliche Täter frühzeitig zu erkennen und terroristische Anschläge schon in der Planungsphase zu stoppen. Den Sicherheitsbehörden in Deutschland lagen in den vergangenen Jahren wiederholt Hinweise auf rechtsextremistisch motivierte terroristische Bestrebungen vor, welche konsequent verfolgt wurden. Beispiele sind die Aufdeckung der Aktivitäten der „Revolution Chemnitz“, der „Gruppe S“ oder der „Bürgerwehr Freital“ (auch: „Gruppe Freital“).
 

Rechtsextremistische Agitation in sozialen Medien

Massenwirksame, schnell- und komfortabel zu nutzende soziale Medien sind zentrale Plattformen für die Kommunikation, Propaganda, Mobilisierung und Radikalisierung der rechtsextremistischen Szene. Über sie vernetzen sich Gleichgesinnte regional, überregional sowie international und verbreiten Ideologie wie auch Hetze gegen den politischen Gegner. Dem Einzelnen bietet sie an, krude Weltanschauungen zu nähren, wobei Echo-Räume als Verstärker dienen. Daneben erfolgt eine schnelle und umfangreiche Mobilisierung im Internet. Dabei können im Internet verbreitete Stimmungen jederzeit anlassbezogen in die reale Welt auf die Straße überführt werden.

Zugleich ist die digitale Welt als Rückzugsort für Extremisten geradezu prädestiniert. Sie bietet die Möglichkeit, sich hinter Fake-Profilen oder in „sicheren Häfen“ wie dem russischen Netzwerk vk.com oder auch im Messengerdienst Telegram zu verstecken, aus denen rechtsextremistische Propaganda, inklusive strafrechtlich relevanter Inhalte, bisher kaum gelöscht wird. „Sichere Häfen“ sind auch zugangsbeschränkte Bereiche der digitalen Welt, in der insbesondere auf diversen Spiele-Plattformen ethische Standards oftmals nicht umgesetzt werden. Besonders für gewaltgeneigte rechtsextremistisch motivierte Personen, die zunehmend in losen Netzwerken oder in Kleinstgruppen zusammenwirken fungiert das Internet als Kommunikations-, Aktions-, Informations- und Serviceplattform. Die Nutzer agieren häufig auf mehreren Kanälen und Medien gleichzeitig. Dieses Phänomen, allgemein „Crossmedia“ genannt, bezeichnet bruchlose, plattformübergreifende Kommunikation im Internet. Hierbei nutzen Rechtsextremisten vorwiegend alternative Plattformen. Die Entstehung eines Resonanzraums, in dem die eigenen gruppen- und menschenfeindlichen Ansichten geteilt und gespiegelt werden, birgt die Gefahr einer Parallelwelt, die im Gegensatz zu realweltlichen Kontakten enthemmter und vielschichtiger wirken kann.

Diese Echokammern und Filterblasen können sich beschleunigend auf Radikalisierungsprozesse auswirken. Die Auswirkungen solcher Radikalisierungsverläufe im realweltlichen Kontext zeigen sich beispielsweise an den rechtsextremistisch motivierten Anschlägen von Halle 2019 und Hanau 2020. Die Täter radikalisierten sich außerhalb bekannter rechtsextremistischer Gruppenstrukturen und suchten sich ihre ideologischen Grundlagen in virtuellen Communities zusammen, in denen Verschwörungsideologien und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ungehindert verbreitet werden. Zugleich vergrößern Internet-Communities die Reichweite konventioneller rechtsextremistischer Agitation. Insbesondere Protagonisten der Neuen Rechten wie das „Compact“-Magazin profitieren vom Teilen ihrer Beiträge in sozialen Netzwerken und befeuern durch ihre inhaltliche Agenda die dort gängigen verschwörungsideologischen Narrative.

Neonazismus und subkulturell geprägter Rechtsextremismus

Die neonazistische Szene orientiert sich eng am historischen Nationalsozialismus, woraus sich die grundsätzlich prägenden Ideologieelemente Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Antipluralismus ergeben. Hinzu kommen häufig auch antiamerikanische, antikapitalistische und antiimperialistische Einstellungen. Hier besteht – insbesondere in Bezug auf den Nahostkonflikt – eine ideologische Nähe zu antiimperialistischen Linken und Islamisten. Innenpolitisch streben Neonazis einen ethnisch homogenen Staat nach dem „Führerprinzip“ an, dessen Kernelement eine sogenannte Volksgemeinschaft bildet. Da ethnische Vielfalt und eine pluralistische Gesellschaft aus neonazistischer Sicht die Existenz des eigenen Volkes bedrohten, haben individuelle Rechte des Einzelnen, Meinungsvielfalt und Pluralismus in einer solchen „Volksgemeinschaft“ keinen Platz. Die freiheitliche demokratische Grundordnung wird in ihrer Gesamtheit als nach 1945 aufgezwungene Ordnung eines vorgeblichen alliierten „Besatzerregimes“ abgelehnt. Historische Tatsachen werden in revisionistischer Weise bis hin zur Holocaustleugnung umgedeutet. Aufgrund ihrer ideologischen Überzeugungen und einer deutlichen Affinität zu Waffen und Gewalt weisen Angehörige der neonazistischen Szene eine erhebliche Gewaltorientierung auf. 

Die Mehrzahl der überwiegend regionalen Gruppierungen verzichtet seit mehr als einem Jahrzehnt nach zahlreichen Vereinsverboten zuvor auf feste Organisationsformen, um Verbote zu erschweren und möglichst wenig Ansatzpunkte für strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu bieten. Durch teils persönliche Kennverhältnisse, räumliche Nähe und kleine Gruppen ist die Vernetzung langjährig aktiver Neonazis auch ohne formale Mitgliedschaften, kontinuierliche politische Arbeit oder feste Organisationsstrukturen erhalten geblieben. Ausnahmen bilden neonazistische Parteien, die sich das Parteienprivileg zu Nutze machen.

Die Rolle von Musik und Kampfsport 

Für das Zusammengehörigkeitsgefühl, den Aufbau überregionaler und internationaler Kontakte, die Gewinnung neuer Mitstreiter und Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts sowie die Finanzierung von Szeneaktivitäten spielen Musikkonzerte und seit einigen Jahren auch Kampfsportveranstaltungen eine herausragende Rolle. Kampfsport-Events werden neben dem ausgeprägten Event- und Vernetzungscharakter zunehmend auch durch die Aspekte körperlicher Wehrhaftigkeit und Verbreitung rechtsextremistischer Ideologie geprägt.

Die rechtsextremistische Musikszene umfasst einen erheblichen Teil der subkulturell geprägten Rechtsextremisten. Neben Organisatoren und Besuchern rechtsextremistischer Konzerte zählen hierzu insbesondere Musikgruppen und Liedermacher sowie deren Produzenten, aber auch Herausgeber einschlägiger Publikationen oder Betreiber von Internetseiten und Foren. Neben dem langjährig in der Szene etablierten Rechtsrock und dem sogenannten National Socialist Black Metal (NSBM) findet in den vergangenen Jahren auch das Hip-Hop- und Rap-Genre Anklang bei jüngeren Rechtsextremisten. Unter dem Label einer sogenannten patriotischen und heimatbewussten Jugendbewegung wird auf diesem Wege – verglichen mit Rechtsrock-Produktionen – fremdenfeindliches Gedankengut subtiler vermittelt.