Unabhängige Jurys hatten die Preisträgerinnen und den Preisträger ausgewählt, der Senat hat die Auszeichnung für die Jahre 2022, 2023 und 2024 beschlossen. Die Preisverleihungen finden in diesem sowie im kommenden Jahr statt. Der Edwin-Scharff-Preis wird seit 1955 an bildende Künstlerinnen und Künstler verliehen. Das Preisgeld der Stadt wurde auf 15.000 Euro verdoppelt, nachdem es in den letzten Jahren durch die Haspa Stiftung aufgestockt wurde.
Mit Eske Schlüters, den 3 Hamburger Frauen und Georges Adéagbo werden vier Künstlerinnen und ein Künstler gewürdigt, die Hamburg besonders prägen. Sie alle haben eine ganz eigene künstlerische Handschrift. Eske Schlüters verbindet Film, Fotografie und Text zu offenen Erzählräumen, die unsere eingeübte Wahrnehmung hinterfragen. Die 3 Hamburger Frauen lassen aus Wandmalerei, Fotografie und Performance humorvolle, gesellschaftskritische Werke entstehen, die einen kritischen Blick auf weibliche Rollenbilder und den Kunstmarkt öffnen. Georges Adéagbo kombiniert Fundstücke, Texte und Bilder zu Installationen, die Kolonialgeschichte reflektieren und unseren eurozentristischen Blick deutlich weiten.
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Mit dem Edwin-Scharff-Preis würdigt die Stadt Hamburg Künstlerinnen und Künstler, die unsere Stadt kulturell bereichern und neue Impulse setzen. Mit Eske Schlüters, den 3 Hamburger Frauen und Georges Adéagbo zeichnen wir Kunstschaffende aus, die auf ganz unterschiedliche Weise gesellschaftliche Fragen aufgreifen, Denkräume öffnen und Debatten anstoßen. Ihre Werke verbinden Geschichte und Gegenwart, Individuelles und Gesellschaftliches, und laden dazu ein, die Welt aus neuen Perspektiven zu betrachten. Ich gratuliere den Preisträgerinnen und dem Preisträger herzlich und danke ihnen für ihren Beitrag zu einer vielfältigen Kultur in Hamburg.“
Zu Eske Schlüters heißt es in der Begründung der Jury: „Eske Schlüters interdisziplinäres und postkonzeptuelles Schaffen hinterfragt und erweitert die Grenzen zwischen Bild, Text und Ton tiefgreifend. Sie ist eine Künstlerin, die in ihrem Werk Bilder und Texte aus vielfältigen Quellen dekonstruiert, um sie neu zu montieren, und so, in ihrer Vielschichtigkeit, zu analysieren. Auf diese Weise überführt sie diese in neue Denkstrukturen. Ihre Arbeiten stellen tiefgehende Fragen zur Wahrnehmung, zu den Mechanismen des Erzählens und zur gesellschaftlichen Prägung durch Bilder. Ob Found-Footage-Film, Installation oder künstlerisch-wissenschaftliche Forschung – stets bewegt sich ihre Kunst an der Schnittstelle von Ästhetik, Theorie und Reflexion. Neben ihrer künstlerischen Praxis engagiert sich Schlüters intensiv in der Lehre und Forschung. Ihre Gastprofessuren an der HfbK Hamburg sowie an der ZHdK Zürich sind Ausdruck ihres Bestrebens, Kunst nicht nur als ästhetische Praxis, sondern als intellektuelles und gesellschaftliches Werkzeug zu verstehen.“
Die Jury sagt über das Künstlerinnenkollektiv 3 Hamburger Frauen: „Mit ihrer Entscheidung, den 3 Hamburger Frauen den Edwin-Scharff-Preis zu verleihen, würdigt die Jury neben einem künstlerisch überzeugenden Werk auch den Stellenwert der transformatorischen Kräfte eines Kollektivs und die Relevanz gesellschaftlicher Interaktion durch künstlerische Praxis. Ihre Produktionen bewegen sich zwischen Rauminstallationen und ortsspezifischer Wandmalerei auf Basis fotografischer Selbstinszenierung und kunsthistorischer Referenz und neuerdings auch Arbeiten im öffentlichen Raum. Die mit großer Virtuosität ausgeführten Wandmalereien erreichen in der Art und Weise, wie sie in den architektonischen Raum eingefügt sind, eine fast dreidimensionale Qualität, sie sind begehbare, raumgreifende Gesamtkunstwerke, und in der Art und Weise, wie sie Betrachter*innen in den Schaffensprozess einbeziehen, enthalten sie auch performative Aspekte: Das Kunstwerk ist sowohl Ergebnis als auch Dokument eines gemeinschaftlichen Prozesses […].“
In der Jurybegründung zu Georges Adéagbo heißt es: „Georges Adéagbo (*1942 in Benin / Dahomey) ist ein Geschichtenerzähler. Täglich legt der Künstler eingesammelte Gegenstände, massenmediale Bilder sowie Selbstgeschriebenes in seiner Wohnung in der Hansestadt Hamburg, dem Hof seines Anwesens in Cotonou-Togbin Plage, Benin, oder auf Reisen in Hotelzimmern aus. Diese Assemblagen, die jenseits des eurozentristischen Ausbildungssystems der Akademien und Kunsthochschulen seinen Anfang nahm, sind temporär und verändern sich ständig; abends werden sie wieder aufgelöst, und die Arbeit beginnt von neuem. Die Themen, um die es geht, aktiviert Adéagbo zusätzlich in ausführlichen Gesprächen, die ihre eigene Dynamik besitzen und nie linear verlaufen. Eine westliche Logik mit ihren rationalen, komprimierten Erzählweisen wird dabei in die Peripherie verbannt. Insgesamt erzählen diese Arbeiten, die auch an das offene ästhetische System des Voodoo erinnern (Dana Rush) Geschichten über den Austausch zwischen Afrika und ehemaligen Protagonist*innen des Kolonialismus; sie berichten vom Über- und Nachleben dieser Konstellationen. Die ‚Mobilisierung der Dinge‘ (Kerstin Schankweiler) ist dabei das zentrale Anliegen.“
Zur Jury 2022 und 2023 gehörten Jens Asthoff (Autor, Kunstkritiker), Dr. Dirk Dobke (Kunsthistoriker, Kurator, Geschäftsführer Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V.), Ingrid Jäger (Bildende Künstlerin), Jens Mentrup (Galerie KM Berlin), Mariella Mosler (Bildende Künstlerin), Dr. Kathrin Rottmann (Kunsthistorikerin, Ruhr-Universität Bochum) und Nora Sternfeld (Kunstvermittlerin, Kuratorin, Professorin HFBK).
Zur Jury 2024 gehörten Dr. Nanna Heidenreich (Medienkulturwissenschaftlerin, Kuratorin, Professorin Universität für Angewandte Kunst in Wien), Künstlerkollektiv Jochen Schmith (Preisträger 2020), Dr. Petra Lange-Berndt (Professorin Universität Hamburg), Christoph Rauch (Bildender Künstler), Volker Renner (Bildende Künstler), Dr. Eva Schmidt (Medien- und Kulturwissenschaftlerin, Kuratorin) und Jorinde Voigt (Bildende Künstlerin).
Der Edwin-Scharff-Preis
Der Edwin-Scharff-Preis wird seit 1955 an bildende Künstlerinnen und Künstler verliehen, die in Hamburg und Umgebung leben und „deren Werke unter dem Anspruch, den der Namensgeber des Preises setzt, Auszeichnung verdienen“ (Satzung). Über die Verleihung entscheidet eine Fachjury, die vom Senat berufen wird. Der Namensgeber des Preises, Edwin Scharff, gilt als einer der bedeutendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. 1887 in Neu-Ulm geboren, wurde er in der Nachkriegszeit an die Landeskunstschule nach Hamburg berufen, wo er bis zu seinem Tod lebte und arbeitete. Frühere Preisträgerinnen und Preisträger sind unter anderem Hanne Darboven, Franz Erhard Walther, Anna und Bernhard Blume sowie Daniel Richter. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert.