Bereits seit Jahren diskutiert die Medienbranche über drohende „Nachrichtenwüsten“ – Regionen ohne täglich erscheinende Lokalpresse. Wie weit Lokalzeitungen in West- und Ostdeutschland tatsächlich noch verbreitet sind, war bisher jedoch unklar. Diese Lücke schließt der „Wüstenradar“: Die Studie erfasst systematisch die Zahl der wirtschaftlich unabhängigen gedruckten lokalen Tageszeitungen auf Kreisebene von 1992 bis 2023. Die Daten zeigen, dass es auf Landkreisebene in Deutschland noch keine Nachrichtenwüsten gibt. Gleichwohl macht die Studie einen erheblichen Rückgang lokaler Zeitungen aus, insbesondere in ländlichen Regionen Westdeutschlands. In fast jedem zweiten Landkreis gibt es aktuell nur noch eine Tageszeitung.
Kultur- und Mediensenator Dr. Carsten Brosda: „Mit dieser Studie haben wir erstmals ein gesichertes Faktenfundament für die medienpolitische Diskussion über die Zukunft des Lokaljournalismus. Die Ergebnisse zeigen zwar, dass wir – noch – keine Nachrichtenwüsten in Deutschland haben, wir aber ein kontinuierliches Sterben der lokalen Medienlandschaft feststellen müssen. Ohne eine fundierte journalistische Berichterstattung vor Ort bricht auch eine wichtige Säule der Demokratie weg. Das ist eine dringende Warnung an die Medienpolitik und ein Auftrag, die Bedingungen des Journalismus vor Ort zu verbessern. Dies ist aber auch eine Mahnung für uns alle, dass uns der lokale Journalismus etwas wert sein muss.“
Die Studienverantwortlichen der Hamburg Media School, Dr. Christian Wellbrock und Sabrina Maaß: „Für die Zukunft des Journalismus ist eine verlässliche Datengrundlage als Basis für evidenzbasierte Medienpolitik und fundierte Strategieentwicklung in Medienorganisationen von hoher Relevanz. Deutschland ist in dieser Hinsicht im Vergleich zu anderen Ländern eher schlecht aufgestellt. Mit dem Wüstenradar erheben wir systematisch die Verbreitung des Lokaljournalismus in der Bundesrepublik über mehrere Jahrzehnte und wollen damit zu einer Verbesserung der Datenlage beitragen.
Vor dem Hintergrund internationaler Erkenntnisse schlägt die Studie politische und zivilgesellschaftliche Maßnahmen vor, um der Entstehung von Zeitungswüsten entgegenzuwirken. Diskutiert werden die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Journalismus, Innovationsförderungen, Anreize zur Beschäftigung von Journalistinnen und Journalisten und die Stimulation der Nachfrageseite etwa durch Konsumgutscheine.
Stephanie Reuter, geschäftsführende Vorständin der Rudolf Augstein Stiftung: „Lokaljournalismus gehört zur demokratischen Daseinsvorsorge. Es braucht jetzt den sektorübergreifenden Schulterschluss, um zu verhindern, dass auch in Deutschland Nachrichtenwüsten entstehen – und mutige politische Weichenstellungen. Der Wüstenradar zeigt: Noch ist es nicht zu spät. Wir unterstützen diesen Prozess als Stiftung gerne und zeigen mit dem Media Forward Fund beispielhaft, wie kluge Förderinstrumente aussehen können. Förderinstrumente, die die journalistische Unabhängigkeit und Staatsferne garantieren.“
Weitere Informationen: www.wuestenradar.de