Seit 1996 hat die Kulturbehörde ihren Sitz im Herzen der Stadt und nahe bei vielen der wichtigsten Kulturinstitutionen. Das ist auch ein geographisches Zeichen dafür, dass die Kultur im städtischen und politischen Leben Hamburgs einen zentralen Stellenwert einnimmt.
Wie es sich für eine Kulturbehörde gehört, ist ihr Domizil, das so genannte Brandenburgerhaus, ein Kontorhaus mit Tradition. Prof. Dr. Manfred F. Fischer, ehemaliger Leiter des Denkmalschutzamtes, hat die Geschichte des Brandenburgerhauses sowie seiner Erbauer erforscht und hier nacherzählt. Herausgekommen ist ein kleines Kapitel Stadtgeschichte, das spannend zu lesen ist.
Die Gegend südlich des Gänsemarkts ist untypisch für das Gesicht der Hamburger Innenstadt: Hier sind die Straßen schmal und von hohen Häuserzeilen gesäumt, kleine Läden und Restaurants bestimmen das Bild. Abseits der vielerorts durchgeführten Sanierungs- und Straßenverbreiterungsmaßnahmen, die oft wie ein gewaltiger Hobel durch die vorhandene Bausubstanz schnitten, hat sich hier in den letzten Jahrzehnten ein einnehmendes urbanes Ambiente entfalten können. Dabei gab es auch für dieses Gebiet hochliegende Stadtentwicklungspläne, die Modernisierungen und Straßendurchbrüche vorsahen, aber zum Glück für die historisch gewachsene Struktur nie verwirklicht wurden. So hat sich das Viertel seit dem Krieg gleichsam in einer Nische ungestört und kontinuierlich entwickelt. Und als die alten Planungen vom Tisch waren, sah jedermann, wie attraktiv das Gebiet geworden war.
Die Hohen Bleichen liegen in der Neustadt, befanden sich also im Mittelalter außerhalb der Stadtmauern. Im 13. Jahrhundert wurden sie manchmal von der Alster überschwemmt und erst im 17. Jahrhundert schrittweise bebaut. Bis dahin waren dort die Wiesen, auf denen man die Wäsche zum Bleichen auslegte, die heutige Straßenbezeichnung erinnert noch daran.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurde die Gegend zum Wohngebiet. Schmale klassizistisch Gebäude rahmten die Straßen. Das letzte dieser alten Wohnhäuser, Hohe Bleichen 15 (1859 erbaut), ist noch heute erhalten. Um 1900 breiteten sich dann die Kontorhäuser zunehmend auch in der Neustadt aus, die moderne City begann Fuß zu fassen. Das Brandenburgerhaus ist ein Resultat und ein Zeugnis dieser Entwicklung.
Kontorhäuser, also Bauten, die speziell für die Büronutzung errichtet wurden, entstanden seit den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts vor allem im Bereich der sogenannten »Börsenmeile«, also in der historischen Altstadt. Beginnend mit dem berühmten, leider abgebrochenen Dovenhof haben sie in wenigen Jahrzehnten das Bild der Innenstadt verändert: Hamburgs Stadtkern verwandelte sich in eine Geschäfts-City.
Kontorhäuser wurden meist in innerstädtischen Sanierungsgebieten gebaut oder auf großen, durch Zusammenlegung kleiner Parzellen entstandenen Grundstücken. Kontorhäuser stellen einen interessanten Bautyp dar, und viele dieser kulturhistorisch einmaligen Gebäude stehen heute unter Denkmalschutz. Genannt seien nur das Asia-Haus, das Afrika-Haus und das Chilehaus. Kontorhäuser hatten immer einen exotischen und klangvollen Namen, um eine interessante Adresse für die Mieter und Kunden zu sein. Ihre Fassaden waren meist aufwendig gestaltet, ebenso das Foyer und das Treppenhaus. Paternoster und technisch-sanitärer Komfort galten bald als selbstverständlicher Standard. Ansonsten war freie Veränderbarkeit des Grundrisses bei möglichst rationellem Stützensystem oberstes Prinzip.
Zu dieser Gattung gehört auch das Brandenburgerhaus in den Hohen Bleichen, das auf einem schmalen, sehr tiefen Grundstück 1907-1909 von dem Hamburger Architekten Johannes Wald für den Bauherren Isidor Hirschfeld errichtet wurde. Es lag entschieden abseits der klassischen »Börsenmeile«, in einem Gebiet, das damals noch in erster Linie Wohnviertel war. Trotz dieser scheinbar ungünstigen Lage bedeutete der Bau eines Kontorhauses in den Hohen Bleichen aber für einen Investor längst kein spekulatives Wagnis mehr. Die moderne »City« hatte auch hier bereits erste Spuren hinterlassen. Gegenüber stand der prächtige neubarocke Bau der Hypothekenbank (Hohe Bleichen 17), 1896/97 von einem Berliner Architekten errichtet, daneben der Bleichenhof von 1896. Schon lange bestand auf dem Grundstück neben dem neuen Brandenburgerhaus ein beliebtes Tanzlokal (Hohe Bleichen 24, heute ein Auktionshaus). Wer also hier baute, konnte bereits mit einer sicheren Rendite rechnen.
Das Grundstück wurde für den Neubau des Brandenburger-hauses bis in die äußersten Rand-bereiche ausgenutzt, wobei auch die Reste der damaligen Gärten verloren gingen. Ein Luftbild aus den 20er Jahren verdeutlicht die nach heutigen Vorstellungen ungeheure Enge der Bebauung auch auf den Nachbargrundstücken. Beim Brandenburgerhaus erstreckt sich in die Tiefe hinein ein langer rückwärtiger Flügel, wegen seiner Ausdehnung mit zwei Treppenhäusern ausgestattet. Ein langgestreckter Lichthof sorgte für gerade noch ausreichende Beleuchtungs- und Arbeitsverhältnisse. In ähnlicher Weise entstanden um diese Zeit überall in Hamburg nicht nur Geschäfts-, sondern auch Wohnbauten, die sogenannten »Terrassen«.
Mit seinem Kopfbau nimmt das Brandenburgerhaus die ganze Grundstücksbreite ein. Das fünfgeschossige Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoß hatte ursprünglich eine wesentlich reicher gestaltete Fassade, als es heute zu vermuten ist. Nach den baulichen Veränderungen in der Nachkriegszeit ist dies nur noch anhand der historischen Pläne erkennbar. Die Fassade bildet - in fünf weitgestellte Achsen gegliedert - durch das mäßige, aber in der engen Straße auffällige Vorziehen der drei Mittelachsen ein giebelgeschmücktes Mittelrisalit. Hier sind die großflächigen Fenster als sogenannte »Bay-Windows« gestaltet, also in polygonal vorspringender Brechung. Dieses Motiv, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in England (Liverpool) und später vor allem in Chicago im Bürohausbau geläufig, hatte um 1900 auch in den Kontorhausbau Hamburgs Eingang gefunden. Es gab dem Gebäude in Verbindung mit den äußerst niedrigen Brüstungen und den sehr schmalen vertikalen Architekturgliedern eine fast gläsern wirkende Haut, eine beinahe transparent erscheinende Leichtigkeit. Nur hier an der Fassade konnte sich Dekor entfalten: eine Mischung aus Neubarock und Jugendstil, durchsetzt von klassischen Gliederungselementen wie z. B. den Rustika-Schichten in den großen Rahmenmotiven. Das Hauptportal dagegen, ebenfalls ursprünglich reicher dekoriert, entspricht in seiner exzentrischen Lage links von der Gebäudemitte nicht diesem übergreifenden Schema. Seine Position zwischen den großen Schaufenstern bezieht sich auf den rückwärtigen Flügel, ist also ein schon von außen sichtbares Zeichen für die extreme Tiefe des Gebäudes, das die Abmessungen des Grundstückes optimal nutzte.
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