Fachstrategie zum Umgang mit kolonialen Straßennamen in Hamburg
Die im September 2023 veröffentlichte „Fachstrategie zum Umgang mit kolonialen Straßennamen in Hamburg“ wurde im Staatsarchiv Hamburg – der Assistenzeinheit der Senatskommission für die Benennung von Verkehrsflächen – entwickelt. Diese Fachstrategie wurde von Herrn Senator Dr. Brosda und Frau Staatsrätin Schiedek genehmigt. Im September 2021 hatte das Staatsarchiv ein Online-Symposium über den Umgang mit Straßennamen mit kolonialen Bezügen veranstaltet. Die Fachstrategie ist ein Teil der Initiative „Hamburg dekolonisieren!“ (was link with id: 10894008) und hat zum Ziel, das Erbe der Kolonialzeit in der Stadt aufzuarbeiten.
Die Fachstrategie zielt darauf ab, die Spuren der Kolonialzeit in Hamburger Straßennamen auf wissenschaftlicher Grundlage zu untersuchen und damit eine breite gesellschaftliche Diskussion anzustoßen. Dabei sollen Straßennamen identifiziert werden, die heutige Wertvorstellungen in einer Weise verletzen, sodass sie nicht länger beibehalten werden sollten. Ebenso sollen Straßennamen bestimmt werden, die kritisch erläutert werden müssen. Darüber hinaus soll die Fachstrategie eine Grundlage für die zukünftige Auswahl von Straßennamen schaffen.
Ein zentraler Gedanke der Fachstrategie ist die Partizipation von betroffenen Personen und Communities, Wissenschaftler:innen und Expert:innen, bezirklichen Gremien und allen interessierten Hamburger Bürger:innen an der Diskussion über Straßennamen, die einen kolonialen Bezug aufweisen. Diese Diskussion soll dazu beitragen, einen kritischen und rassismussensiblen Blick auf die koloniale Vergangenheit Hamburgs zu werfen. Das Ziel ist es, eine neue Perspektive auf das koloniale Erbe unserer Stadt zu schaffen.
Hamburg und der deutsche Kolonialismus
Hamburg war als deutsche Metropole und wichtige europäische Hafenstadt ein Zentrum des Kolonialismus. Die Handelsstadt wurde von Kaufleuten und Reedern geprägt, die über die Jahrhunderte Waren wie Zucker, Baumwolle oder Tee in die Stadt importierten, die sie durch ökonomische und ökologische Ausbeutung anderer Kontinente gewonnen hatten. Die Ausbeutung der unterworfenen Gebiete ging mit brutaler Gewalt, massiven Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Genoziden einher.
Hamburg und die umliegenden Gebiete waren auch im transatlantischen Menschenhandel verstrickt. Der Plantagenbesitzer und Menschenhändler Heinrich Carl von Schimmelmann (1724-1782) ist ein frühes Beispiel dafür, wie Dänemark und Hamburg von kolonialen Verhältnissen profitierten, noch bevor Deutschland offiziell Kolonialmacht wurde. Auf Schimmelmanns Plantagen auf dänischen Inseln in der Karibik schufteten 1000 versklavte Menschen unter unmenschlichen Bedingungen. Die Profite machten Schimmelmann reich – und zum Mäzen in Wandsbek und Ahrensburg. Noch heute sind drei Straßen in Hamburg-Wandsbek nach ihm benannt.
Es waren dann ebenfalls hanseatische Kaufleute wie der Hamburger Reeder Adolph Woermann (1847-1911), die Reichskanzler Bismarck davon überzeugten, ihre Besitzungen in Übersee unter deutschen Schutz zu stellen, also Kolonien zu gründen. Bismarck lud 1884/85 zur Afrika-Konferenz nach Berlin, bei der ganz Afrika in europäische Interessensphären aufgeteilt wurde. Während der deutsche Staat nun also die Unterwerfung der Kolonien organisierte und die Ausbeutung absicherte, verdienten Privatunternehmen, viele davon aus Hamburg, am Import von Kautschuk, Kakao oder Sisal, aber ebenso an den neu erschaffenen Märkten. Adolph Woermann verdiente allerdings nicht nur mit dem Verkauf von Waffen und Alkohol in die Kolonien, sondern darüber hinaus auch an den Transporten der Truppen, die im Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika kämpften und den Genozid an den Herero und Nama verübten. Auch Woermann findet sich nach wie vor auf Hamburger Stadtplänen: Zwei Straßen sind in Hamburg-Ohlsdorf nach ihm benannt.
Die Spuren der Kolonialgeschichte haben sich im Hamburger Stadtbild niedergeschlagen – nicht nur, aber auch in Straßennamen. Über 120 Straßennamen der Stadt weisen einen kolonialen Bezug auf.
Staatsarchiv Hamburg: Verkehrsflächenbenennung
Ein zentrales Element des post-kolonialen Erinnerungskonzeptes ist der Umgang mit Verkehrsflächen, die nach kolonial-belasteten Personen oder Orten benannt worden sind. Hierzu wurde im Staatsarchiv Hamburg eine Fachstrategie entwickelt, die im September 2023 veröffentlicht wurde. Die daran anschließenden Diskussionen in der Stadtgesellschaft sollen vom Staatsarchiv eng begleitet werden.
Weitere Informationen
- Zivilgesellschaftliche Initiativen wie Hamburg Postkolonial die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und Berlin Postkolonial beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkomplex kolonialer Straßennamen in Deutschland.
- Die Wanderausstellung freedom roads! thematisiert nach Kolonialherren benannte Straßen in Deutschland und fordert Umbenennungen.
- Das Bildungsbüro Hamburg betreibt einen Newsblog zum Thema „Decolonizing Hamburg“.
Hier finden Sie
- 20 Biografien von Kolonialakteuren, nach denen in Hamburg Straßen benannt sind (Stand 2015). Die Biografien wurden von der Künstlerin und Aktivistin HMJokinen unter Mitarbeit der Historikerin Frauke Steinhäuser erstellt.
- ein wissenschaftliches Gutachten zu Emily Ruete, nach der ein Platz in Hamburg-Uhlenhorst benannt war und der inzwischen in Teressa-Platz umbenannt wurde. Das Gutachten wurde von der Historikerin Dr. Tania Mancheno Moncada verfasst.