Die „sonderliche herrliche mappa“ oder „Hamburger Elbkarte“ von 1568 ist eine der wertvollsten Archivalien des Staatsarchivs Hamburg. Mit zwölf Metern Länge stellt sie das älteste bekannte Gesamtbild des Unterlaufes der Elbe von Hamburg bis zur Mündung in die Nordsee dar. Sie ist das Werk des Flensburger Malers, Dichters und Kartographen Melchior Lorichs.
Lorichs, als Sohn eines Flensburger Ratsherrn 1526/27 geboren, reiste nach seiner Goldschmiedelehre als Stipendiat des dänischen Königs Christian III. durch Europa und wurde dabei zu einem überzeugten Humanisten, einem „studiosissimus antiquitatis“. Seine Reisen führten ihn auch an den kaiserlichen Hof nach Wien. In kaiserlichen Diensten 1556 fertigte er bereits Karten nach den modernsten Standards der noch relativ jungen Kartographenzunft. Vermutlich waren es Kontakte am kaiserlichen Hof in Wien, die ihn 1567 mit Vertretern der Stadt Hamburg bekannt machten.
Der Hamburger Rat bedurfte dringend eines fähigen Kartographen, da die Stadt schon seit längerem mit ihren südlichen Nachbarn, allen voran dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg, im Streit um die Kontrolle der Schifffahrt auf der Elbe lag. Dieser behauptete, die Süderelbe sei ein eigenständiger Fluss und die Ansprüche Hamburgs auf Zoll- und Stapelrechte somit nichtig. Diese Behauptung wurde u. a. durch Karten zu belegen versucht, die die Norderelbe als kleines Rinnsal zeigten und so Hamburgs hoheitliche Stellung untergraben sollten. Daher entschied sich Hamburg, in gleicher Weise ein kartographisches Beweismittel herzustellen, welches die Argumente der Gegner aushebeln sollte. Melchior Lorichs galt dabei als der richtige Mann für die Aufgabe: der Weg zur Schaffung der Elbkarte war gebahnt.
Dabei standen zwei Aspekte im Vordergrund. Erstens sollte durch eine möglichst umfangreiche Darstellung der niederelbischen Gebiete bewiesen werden, dass die Süderelbe kein eigenständiger Fluss ist. Zweitens sollte die detaillierte Darstellung hamburgischer Besitzungen und Infrastruktur hervorheben, mit welchem Aufwand die Stadt an der Elbe um Sicherung der Schifffahrt bemüht war.
Die Arbeit an der Elbkarte dürfte mehrere Monate gedauert haben. Zunächst musste Lorichs die geographischen Gegebenheiten kennenlernen. Dies geschah durch eigene Messungen und Beobachtungen vor Ort, aber auch durch das Gespräch mit Ortskundigen. Nach Einholung aller Informationen mussten die Grundzüge und Umrisse von Landschaft, Gewässern und Städten mit einem Rötelstift auf die einzelnen Folioblätter aufgemalt werden. In einem zweiten Schritt wurden die Vorzeichnungen dann mit sepiafarbener Rohrfeder im Detail ausgeführt, woraufhin die einzelnen Blätter auf Leinwand zu einem Gesamtbild zusammengefügt wurden. Erst jetzt konnte die Karte vollständig koloriert werden. Auch wenn die Karte keinen Anspruch auf geographische Genauigkeit erheben kann, so ist sie dennoch aus historischer Sicht äußerst detailreich, gerade was die Darstellung hamburgischer Besitzungen angeht. Vor allem die Bedeutung Hamburgs als zentraler Verkehrsknotenpunkt der Elbschifffahrt gelangt auf der Karte zur Geltung.
Somit ist die Elbkarte nicht einfach ein Kunstwerk, sondern ein politisches Mittel zur Durchsetzung konkreter Hamburger Interessen. Das ließ sich der Rat der Stadt auch einiges kosten. Für seine Arbeit erhielt Lorichs ca. 580 Taler, umgerechnet ca. 13.000 Euro. Der Erfolg war jedoch zwiespältig. 1569 erhielt die Stadt durch kaiserliches Mandat eine Bestätigung ihres Rechts auf freie und ungehinderte Schifffahrt auf der Elbe. Das Stapel- und Zollrecht auf der Süderelbe dagegen wurden nicht anerkannt.
Quelle: Bolland, Jürgen: Die Hamburger Elbkarte aus dem Jahre 1568. Gezeichnet von Melchior Lorichs, 3. Aufl., Hamburg 1985.
Elbkarte von 1568
Elbkarte des Melchior Lorichs
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