Umgang mit möglicherweise NS-belasteten Straßennamen
In vielen Städten und Gemeinden in Deutschland wird über den Umgang mit Straßennamen, die nach möglicherweise NS-belasteten Personen benannt wurden, diskutiert. Die Kernfrage ist hier oft: Umbenennen oder beibehalten und erläutern?
Bisher gilt: die Umbenennung einer Straße soll dann erfolgen, wenn der Straßenname heutige Wertvorstellungen in eklatanter Weise verletzt. Vorschläge für einen Umbenennung werden in den Bezirken entwickelt und in den Bezirksversammlungen oder -ausschüssen vorgelegt. Die Bezirksversammlung muss sich dann auf einen Namensvorschlag einigen. Danach wird der sogenannte „Benennungsvorschlag“ von dem jeweiligen Bezirksamt beim Staatsarchiv eingereicht.
Dieses Verfahren ist in den „Bestimmungen über die Benennung von Verkehrsflächen“ unter Punkt III. 3. und 4. geregelt. Im Staatsarchiv wird die Umbenennung der entsprechenden Verkehrsfläche geprüft und der zuständigen Senatskommission zur Entscheidung vorgelegt.
In Hamburg gab es wie in allen deutschen Städten zahlreiche Umbenennungen nach 1945. Ab 1985 sollten zudem keine Verkehrsflächen mehr nach einer Person benannt werden, die der NSDAP angehörte. In der Zeit von 1985 bis 2016 wurden in Hamburg 13 Straßen wegen NS-Belastung ihrer Namensgeber umbenannt beziehungsweise umgewidmet (vgl. Übersicht).
Bei den Prüfungen im Staatsarchiv hat sich dabei gezeigt, dass eine systematische Aufarbeitung der nach möglicherweise NS-belasteten Personen benannten Verkehrsflächen notwendig ist, um sowohl für eine Umbenennung einheitliche Kriterien anlegen zu können, als auch um über eine (Nicht-)Benennung nach einer Person entscheiden zu können.
2016 erarbeitete eine historische Fachkommission, die auf Beschluss des Hauptausschusses der Bezirksversammlung Bergedorf eingesetzt worden war, eine Stellungnahme zu NS-belasteten Straßennamen im Bezirk Bergedorf. Hier wurden ebenfalls Kriterien entwickelt und Empfehlungen ausgesprochen.
Grundlegend hat sich bisher vor allem Rita Bake in ihrem Aufsatz „Umgang mit nach Personen benannten Hamburger Straßennamen, die als NS-belastet gelten könnten“ mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Studie „Wissenschaftliche Untersuchung zur NS-Belastung von Straßennamen“
Im Auftrag des Staatsarchivs wurde durch den Historiker Dr. David Templin die Studie „Wissenschaftliche Untersuchung zur NS-Belastung von Straßennamen“ erstellt. Ziel der Studie war es, Kurzbiographien zu ausgewählten möglicherweise NS-belasteten Personen zu erstellen und Kategorien zur Klassifizierung der NS-Belastung der Personen zu entwickeln. Durch die entwickelte Typologie sollten Einzelfälle verglichen und bewertet werden können.
Die Studie umfasst 58 Personen, nach denen Straßen in Hamburg benannt sind oder benannt werden könnten. 56 Personen wurden in der Datenbank „Die Dabeigewesenen“ der Landeszentrale für politische Bildung aufgeführt. Zusätzlich wurden Siegfried Lenz und Irmgard Pietsch untersucht. Eine Benennung nach Lenz wäre aufgrund seiner Mitgliedschaft in der NSDAP nach den bisherigen Kriterien nicht möglich. Eine Benennung nach Pietsch wurde 2016 zurückgenommen, weil ihre Mitgliedschaft in der NSDAP erst nach der Benennung bekannt geworden ist.
Das Ziel der Studie war explizit nicht eine Umbenennung der jeweils nach der Person benannten Straße zu prüfen. Außerdem handelte es sich nicht um eine abschließende Liste, sondern eine eher exemplarische Auswahl mit dem Ziel, aus den entwickelten Kriterien Empfehlungen für künftige Entscheidungen zu treffen.
Einberufung einer Kommission
Die Frage nach dem Umgang mit Verkehrsflächen, die nach diesen Personen benannt sind, ist nicht allein eine historische, sondern auch eine politische und moralische Frage. Im Rahmen der vorliegenden Studie konnte und sollte diese Frage daher nicht abschließend beantwortet werden.
Die Behörde für Kultur und Medien hat im September 2020 eine Kommission aus acht Expertinnen und Experten für erinnerungspolitische Fragestellungen berufen, die Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen aussprechen sollte. Die Kommission hat seitdem zehn Mal getagt und jetzt einen Abschlussbericht mit Vorschlägen zum weiteren Verfahren vorgelegt.