Bei den Hamburger Ordinarieboten handelt es sich um ein von den Älterleuten der Hamburger Kaufmannschaft im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts aufgebautes Botenwesen, das durchaus der Reichspost des Hauses Thurn und Taxis vergleichbar war und den Raum zwischen Antwerpen und Danzig sowie zwischen Kopenhagen und Frankfurt am Main abdeckte.
Im 14. und 15. Jahrhundert oblag der Botenverkehr zwischen den Hansestädten Rats- oder Kaufmannsboten, die sich bei Bedarf auf den Weg machten. So verfügte auch der Rat der Stadt Hamburg über Ratsboten. Im Jahre 1517 gründeten in Hamburg die drei Kaufmannsgesellschaften der England-, Flandern- und Schonenfahrer das Kollegium der Älterleute des gemeinen Kaufmanns. Seit der Gründung der Börse im Jahre 1558 wurden diese Älterleute auch als Börsenalte bezeichnet. Von Anfang an widmen sie sich dem Ausbau bestehender und der Einrichtung neuer Botenverbindungen. Erst im Jahre 1821 wird das Post- und Botenwesen von der Stadt Hamburg übernommen.
Regelmäßig durch Boten wahrgenommene Verbindungen bestanden nach Westen seit 1570 nach Antwerpen und seit 1571 nach Amsterdam, nach Osten seit 1593 nach Danzig, nach Norden seit 1602 nach Kopenhagen und nach Süden seit 1586 nach Köln und seit 1609 für wenige Jahre nach Frankfurt am Main. Nach Lübeck werden Boten seit 1592 regelmäßig, seit 1616 täglich und seit 1652 als reitende Boten entsandt. Die Boten der Hamburger Kaufmannschaft bedienten periodisch bestimmte Routen. Ihre Dienste konnten von jedermann in Anspruch genommen werden. Auch die Räte der Hansestädte griffen gerne auf dieses Kommunikationssystem zurück, um Post in hansischen oder anderen Angelegenheiten zu befördern. Allerdings befand sich der hansische Verband, dessen letzter Hansetag im Jahre 1669 stattfand, im 17. Jahrhundert in einem Prozess der Auflösung. Zugleich geriet auch das hamburgische Botenwesen unter den Druck der Konkurrenz durch die Reichspost sowie durch die dänische und die schwedische Post. Die Verbindungen nach Amsterdam, Lübeck und Danzig blieben jedoch bestehen.
In der Regel waren die Hamburger Ordinarieboten entweder zu Fuß oder mit dem Wagen unterwegs. Die Tagesleistung eines laufenden Boten betrug über 60 km pro Tag. Von Amsterdam bis Danzig benötigten Läufer circa 18 Tage. Für das Jahr 1462 ist die Beförderung von circa 100 Briefen durch einen Läufer belegt. Neben der Beförderung von Briefen oblag den Boten auch der Transport von Geld und Waren. Leistung, Haftung und Entlohnung sind durch Botenordnungen für die einzelnen Routen geregelt.
Das Schriftgut zu den Hamburger Ordinarieboten wird im Bestand 612-2/1 »Börsenalte« verwahrt. In der abgebildeten Ordnung der Boten für die Route von Frankfurt am Main nach Hamburg, Stade und Bremen von 1609 wird der Begriff »Ordinariereisen« verwendet. Als solche werden die Botengänge bezeichnet, die auf der Grundlage der jeweiligen Botenordnung als »ordentliche« Reisen erfolgen.
Literatur: Gerhard Ahrens, Das Botenwesen der Hamburger Kaufmannschaft 1517–1821. In: Archiv für deutsche Postgeschichte 1962, Heft 1, S. 28–42; Matthias Puhle, Das Gesandten- und Botenwesen der Hanse im späten Mittelalter. In: Deutsche Postgeschichte, hrsg. von Wolfgang Lotz, Berlin 1989, S. 43–55; Iwan A. Iwanov, Die Hanse im Zeichen der Krise. Handlungsspielräume der politischen Kommunikation im Wandel 1550–1620 (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte NF 61), Köln, Weimar und Wien 2016, S. 228–259.