Hamburg.de Startseite Politik & Verwaltung Behörden ... Themen Kulturförderung
Freie Darstellende Künste

Jurykommentar zu den Förderanträgen zur Spielzeit 2023/24

Für die Spielzeit 2023/24 haben sich die Jurys für die Förderung von 51 Projekten und einem Festival ausgesprochen. Über die Vergabe der Mittel zur Förderung der Freien Darstellenden Künste haben unabhängige Fachjurys in jeweils mehrstündigen, diskussionsstarken Sitzungen beraten.

Kinder- und Jugendtheater

Die Auswahlkommission Kinder- und Jugendtheater konnte in dieser Förderperiode zwei von fünf Basisanträgen entsprechen, sowie acht von 25 Anträgen zur Produktion von Theateraufführungen für ein junges Publikum. Das allerdings auch nur, weil unter Abweichung eigentlich selbstverständlicher Förderprinzipien wie der Komplettförderung der Antragssumme einige geringere Kürzungen vorgenommen wurden. Das sollte eine Ausnahme bleiben und ist begründet durch den qualitativ anspruchsvollen wie quantitativ überraschen Anstieg der Anträge. Trotz der besorgniserregenden kulturpolitischen Tendenzen im Zusammenhang mit der zu erwartenden Reduzierung kommunaler wie bundesweiter Förderungen Freier Theater spätestens 2024 stellt das eine besondere Herausforderung an die kulturpolitischen Akteure dar. Deren Aufgabe muss es nun sein, nach den schmerzhaften Coronaeinschränkungen künstlerische wie kulturpädagogische Angebote für diese Generation der Kinder und Jugendlichen nicht nur nicht zu reduzieren, sondern zu erweitern. Der erkennbare Professionalisierungsschub durch die letzten Neustart-Kultur-Förderungen sowie durch die stabilisierende Orientierung an den Untergrenzen der Künstler:innenhonorare wird das unterstützen.

Deutlich sichtbar bei den szenischen Darstellungsweisen der vorliegenden Projekte war der mittlerweile selbstverständliche Anteil partizipativer Strategien bei Recherche und Präsentation sowie die spielerische Einbeziehung installativer Elemente. Auffällig auch die Nutzung von dokumentarischem und biografischem Material als szenischer Start.

Besonders geachtet bei den Entscheidungen der Jury wurde wie stets auf inklusions- wie diskriminierungssensible Positionen.

Anträge zur Nachwuchs-Förderung lagen anders als in Tanz und Performance erneut nicht vor. Vermisst wurden zudem Theaterproduktionen im Bereich Musiktheater für Kinder sowie mehr künstlerische Angebote für die Altersgruppe early years. Überzeugend dagegen die Anträge im Bereich Tanz für ein junges Publikum, dazu die laufenden Konzeptionsförderungen: die Kulturstadt Hamburg findet hier ein bundesweit beachtetes kulturpolitisches Profil.

Tanz

Die Jury Tanz hat für die Spielzeit 23/24 insgesamt 39 Anträge im Bereich Tanz begutachtet. Erneut war eine große Anzahl qualitativ hochwertiger Anträge zu verzeichnen, gefördert werden konnten acht Produktionsanträge sowie sechs Nachwuchsanträge und ein Antrag aus dem Bereich Konzeption.

Ursache für die magere Förderquote ist der Rückfall der Fördermittel nach zwei Jahren der Erhöhung auf das Vor-Corona-Niveau. Dies hatte zum einen zur Folge, dass die Jury nicht alle förderungswürdigen Anträge zur Förderung empfehlen konnte. Zum anderen wurden aufgrund der angespannten Fördersituation auch in der Jury Tanz Kürzungen der Antragssummen vorgenommen, um mehr Künstler:innen in die Förderung zu bekommen und ihnen damit Arbeitsgrundlagen zu schaffen. Der Fokus der Juryempfehlung lag auch dieses Jahr auf der künstlerischen Qualität der Anträge. Es wurde versucht, ihrer ästhetischen, thematischen und methodischen Vielfalt in der Förderempfehlung Rechnung zu tragen.

Nach wie vor gilt es, Hamburg als Produktions- und Lebensort für international agierende Künstler*innen attraktiv zu halten, um der lokalen Entwicklung wichtige Inspiration an die Seite zu stellen. Bestehend bleibt dementsprechend auch der Bedarf an einer langfristigen Exzellenzförderung, um Kunstschaffende zu ermächtigen, krisensicher und nachhaltig zu arbeiten.

Sprechtheater, Musiktheater, Performance

Die zunehmende Normalisierung des Theaterbetriebs im vergangenen Jahr nach der insbesondere für die Theater entbehrungsreichen Corona-Zeit stellt auch und besonders für die in der Hamburger Freien Szene arbeitenden Künstler:innen ohne Zweifel eine Erleichterung dar. Der Ausblick auf eine weitere Spielzeit ohne Einschränkungen im Produktions- und Publikumsbetrieb ist ermutigend.

Dies zeigt sich auch in einer gestiegenen Anzahl von Projektanträgen im Bereich Sprechtheater, Musiktheater und Performance (SMP) im Vergleich zum vorherigen Jahr. Das beantragte Finanzvolumen fiel deutlich höher aus als noch für die Spielzeit 2022/23. Die Zahlen sprechen für sich: Einer für die kommende Spielzeit 23/24 beantragten Summe aller Anträge im Bereich SMP von 2.484.371,35 € stehen lediglich 390.000 € an Fördermitteln zur Verfügung (Vor-Corona-Niveau).

Dabei ist die künstlerische Qualität der 66 für eine Produktionsförderung in den drei Teilbereichen eingereichten Projektanträgen als insgesamt sehr hoch zu erachten.

Die Hamburger Freie Szene bringt eine Vielfalt an spannenden, relevanten und innovativen darstellerischen und erzählerischen Ideen und Ansätzen hervor. Sie begibt sich mit ihren künstlerischen Fragestellungen in die unmittelbare Lebenswelt der Hamburger, scheut nicht die Auseinandersetzung mit tagesaktuellen Problemen und stellt sich den drängenden gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit. Die Jury hat mit Freude die Fülle an spannenden und zukunftsweisenden Projektanträgen gelesen.

Die Auswahl an Produktionen, für die sich die Jury ausgesprochen hat, reflektiert eine möglichst große Bandbreite an Perspektiven, Stimmen, Stoffen, Narrativen, Ästhetiken und Erzählstrategien, mit denen das ebenfalls vielfältige Hamburger Publikum adressiert werden kann.

Dabei ist der Sachverhalt klar zu benennen, dass der finanzielle Spielraum für qualitativ hochwertige Produktionen in der Freien Szene dramatisch schwindet. Nicht nur fallen die coronabedingten Förderungen nun wieder ersatzlos weg. Zusätzlich schlägt die gegenwärtige, allgemeine Teuerungsrate im Bereich der freien Theaterproduktionen voll durch. Dies gilt für fast sämtliche Produktionskosten, mehr noch aber für die Honorare, die in keiner Weise die sprunghaft gestiegenen, in Hamburg ohnehin schon hohen Lebenshaltungskosten decken können.

Dem enormen kreativen Potenzial und der zunehmenden Professionalisierung der Szene kann damit in keiner Weise begegnet werden. Die seit Jahren von der Jury benannte und beklagte Schieflage zwischen der hohen Anzahl der förderungswürdigen Anträge und den zur Verfügung stehenden, mageren Mitteln erreicht somit in diesem Jahr einen neuen traurigen und kaum hinnehmbaren Höhepunkt. Wenn in naher Zukunft Künstler:innen ihre Lebenshaltungskosten über ihre Honorare nicht einmal mehr für den Zeitraum der Mitarbeit an den Theaterprojekten bestreiten  können, ist mit einem starken Einbruch der Produktivität der Freien Szene Hamburgs zu rechnen. Künstlerische Qualität wird sich nicht mehr rechnen!

Wir sind uns nur zu bewusst, dass die Entscheidung auch anders hätte ausfallen können. Das eklatante Missverhältnis zwischen förderwürdigen Projektanträgen und mageren Mitteln hat auch eine Erschwerung der Jury-Arbeit zur Folge. Die vielen großartigen, aber ungeförderten Projekte delegitimieren jede Juryentscheidung, weil die Kriterien der künstlerischen Qualität nicht mehr geeignet sind, die Auswahl zu rechtfertigen. Zudem lässt sich bei einer Förderquote im Bereich SMP von weit unter 20% einfach nicht mehr rechtfertigen, von den beantragenden Künstler:innen voll ausgearbeitete und zeitaufwändig herzustellende künstlerische Konzepte als Entscheidungsgrundlage zu verlangen.

Aus Sicht der Jury SMP besteht unmittelbare Handlungsnot: Eine substanzielle Erhöhung der Fördersummen ist unumgänglich und darf nicht verschleppt werden, sofern einer Stadt wie Hamburg daran gelegen ist, die hier arbeitenden künstlerischen Teams mit ihrem enormen künstlerischen Potenzial zu erhalten und zu entwickeln. Nur so lässt sich auch verhindern, dass Künstler:innen mitsamt ihren Teams aus Hamburg abwandern, um der zunehmenden Prekarität ihrer Arbeitsweise zu entkommen.

Basis- und Rechercheförderung

Die diesjährige Entscheidung zur Vergabe der Basis- und Rechercheförderungen stellte uns als Jury vor eine große Herausforderung durch das geringe Volumen der zur Verfügung stehenden Mittel. Wir konnten die Breite der Themen und künstlerischen Positionen, auch angesichts der disziplinübergreifenden Anträge in beiden Förderbereichen, leider nicht in den Förderergebnissen abbilden.

Von 25 Basisanträgen konnten wir 5 fördern, und das nur unter Kürzung von der beantragten Gesamtsumme bei den 3 Anträgen mit größerem Volumen. Dabei sahen wir uns in dem Konflikt zwischen der strukturellen Festigung einzelner künstlerischer Positionen und der Sicherung der Infrastruktur für Zusammenschlüsse von Künstler*innen. Diesen Konflikt hatten wir in den vergangenen zwei Jahren weniger, da ein größeres Volumen an Mitteln zur Verfügung stand.

Von den 50 Anträgen zu Rechercheförderung haben wir 9 zur Förderung empfohlen. Als inhaltliche Schwerpunkte in den Rechercheanträgen konnten wir neben disziplininternen Fragestellungen Queerness bzw. Queering, De- und postkoloniale Perspektiven sowie die Auseinandersetzung mit Barrierefreiheit bzw. -abbau ausmachen. Allerdings wurden in wenigen Anträgen künstlerische Ansätze zu diesen Themenbereichen aus gelebten Erfahrungen eingereicht. Weitere Themenfelder waren grob umrissen Digitalität, Erinnerungskultur, Körperpraktiken, Natur, Differenz, Gemeinschaft bzw. Community und Identität(en). Das Thema Rassismus wurde in den Anträgen gar nicht oder peripher umrissen.

Der unabhängigen Fachjury gehörten in diesem Jahr an:

Sprechtheater, Musiktheater, Performance

Leyla Ercan (Agentin für Diversität, Nds. Staatstheater Hannover),
Noah Holtwiesche (Neuere dt. Literatur/ Theaterforschung, Uni Hamburg),
Bahar Roshanai (Programm-Managerin, Musikvermittlerin, Körber-Stiftung Hamburg,
Bereich Kultur)

Tanz

Katrin Ullmann (freie Tanz- und Theaterkritikerin),
Olivia Hyunsin Kim (Choreografin und Performerin in Berlin, Frankfurt und Seoul)
Emil Wedervang Bruland (Ballettdirektor und Choreograf am Schleswig-Holsteinischen
Landestheater), Beisitz: Dr. Kerstin Evert (Künstlerische Leitung K3 | Tanzplan Hamburg)

Kinder- und Jugendtheater

Charlotte Baumgart (Kulturwissenschaftlerin, künstlerische Leitung Kompanie Kopfstand),
Eva Binkle (Musiktheaterpädagogin Staatsoper Hamburg)
Thomas Lang (Vorstandsmitglied der ASSITEJ 1996-2016)

Basis- und Rechercheförderung (spartenübergreifend)

Melmun Bajarchuu (Critical Companion, Dramaturgin, Kuratorin, künstlerische Produktionsleitung),
Tuğsal Moğul (Schauspieler, Regisseur, Anästhesist und Notarzt)

Zum Weiterlesen

Förderungen 2025 (1. Halbjahr)

Grundlegende Informationen zum Förderprogramm finden Sie weiter unten in diesem Artikel. Förderungen 2025 Die Behörde für Kultur und Medien will die Förderung des internationalen Kulturaustausch ausbauen und hat die finanziellen Mittel daher um 44.000 Euro auf insgesamt 300.000 Euro erhöht.

Förderungen 2025 (2. Halbjahr)

Die Hamburger Kulturbehörde wird im zweiten Halbjahr 2025 insgesamt 18 Projekte des internationalen Kulturaustauschs mit insgesamt 177.000 Euro fördern. Davon fließen rund 40.500 Euro in Maßnahmen zur Stärkung der kulturellen Teilhabe einer diversen Stadtgesellschaft. Tabelle Die Auswahl der...

Hamburger Literaturpreise

Die Hamburger Literatur-Preise werden in 8 Kategorien vergeben: Kategorie: Buch des Jahres Sie können sich nicht selbst bewerben. Kategorie: Sach-Buch-Preis der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS Sie können sich nicht selbst bewerben. Kategorie: Roman Kategorie: Erzählung Kategorie: Lyrik, Drama,...