Vorgeschlagene Begründung des außergewöhnlichen universellen Wertes
Im südlichen Bereich der Hamburger Altstadt sind in engem räumlichen und funktionalen Zusammenhang zwei sich ergänzende monofunktionale Quartiere erhalten: auf der einen Seite die Speicherstadt, der Lagerkomplex für die über den Hafen importierten Güter, auf der anderen Seite das Kontorhausviertel mit den Kontoren der hafen- und schifffahrtsabhängigen Unternehmen.
Die zwischen 1885 und 1927 unter der Leitung von Franz Andreas Meyer in drei Bauabschnitten entstandene, im Zweiten Weltkrieg beschädigte und in der Nachkriegszeit durch Werner Kallmorgen in Anlehnung an das historische Vorbild wiederaufgebaute und durch 1950er Jahre-Bauten von hoher Qualität ergänzte Speicherstadt zeichnet sich durch ihre außergewöhnliche städtebauliche und architektonische Geschlossenheit aus. Sie besteht aus 15 fünf- bis siebengeschossigen Lagerhäusern und einer Reihe von Einzelbauten, bis auf wenige Ausnahmen in Backsteinbauweise in neogotischen und neoromanischen Formen, sowie einer spezifischen funktionalen, baulichen und städtebaulichen Struktur mit gepflasterten Straßen, Wasserstraßen, Brücken und Eisenbahnanschlüssen.
Von vergleichbarer Homogenität ist das nördlich des Zollkanals angrenzende Kontorhausviertel. Dieses vorwiegend in den 1920er und 1930er Jahren entstandene Quartier besteht überwiegend aus großmaßstäblichen, teilweise sogar blockfüllenden Gebäuden mit Klinkerfassaden in expressionistischen oder sachlichen Formen, flachen Dächern und Staffelgeschossen. Das nominierte Gebiet wird geprägt von dem 1922-24 von Fritz Höger errichtetem Chilehaus, einem im Kern als Stahlbetonbau mit Umfassungswänden aus für den Klinkerexpressionismus typischen dunkelrot bis violett gebrannten Backsteinen errichteten zehngeschossigem Kontorhaus. Weitere prägende Gebäude der nominierten Stätte sind der 1923-24 durch die Gebrüder Hans und Oskar Gerson errichtete Meßberghof, der in drei Abschnitten zwischen 1927und 1943 von den Architekten Hans und Oskar Gerson und von Fritz Höger errichtete Sprinkenhof sowie der 1928 nach Plänen der Architekten Rudolf Klophaus, August Schoch und Erich zu Putlitz errichtete Mohlenhof.
Bauhistorisch spiegeln die sich funktional ergänzenden Viertel eindrucksvoll und in einmalig erhaltener Konzentration und Größenordnung die Entwicklung der europäischen Architektur des ausgehenden 19. und des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts sowie neue Ideen der funktionalen Reorganisation der Stadt auf dem Weg zur Moderne wider. Sie boten jeweils den neuen logistischen Anforderungen im Güterumschlag und der organisatorischen Abwicklung des Handels den optimalen Raum. Zudem machen sie mit ihrer hohen konzeptionellen und gestalterischen Qualität den Rang deutlich, den der Hamburger Hafen und der hiesige Außenhandel seinerzeit im internationalen Vergleich innehatte.
Kriterien
(i) Das Chilehaus von Fritz Höger gilt mit seiner an einen Schiffsbug erinnernden Spitze und der charakteristischen Detaillierung seiner Fassaden als eine Ikone des Expressionismus in der Architektur, die in keinem Standardwerk über die Architektur des 20. Jahrhunderts fehlt. Mit der Kombination eines Stahlbetonbaus mit traditionellem Mauerwerk, verwirklicht mit einer kaum zu überbietenden gestalterischen und handwerklichen Virtuosität, schuf Höger eine moderne Bürohausarchitektur, wie sie auch international ohne Vorbilder war.
(ii) Die hohe kulturgeschichtliche Bedeutung der Speicherstadt und des Kontorhausviertels, insbesondere der Kernzone, bestehend aus Chilehaus, Meßberghof, Sprinkenhof und Mohlenhof, liegt darin begründet, dass sie den städtebaulichen, architektonischen, technischen und funktionalen Wandel dokumentieren, der aus der starken Expansion des Welthandels in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts resultierte. Die beiden monofunktionalen, sich funktional ergänzenden Quartiere dokumentieren in weltweit einmalig erhaltener Konzentration und Größenordnung die Idealvorstellungen einer modernen Stadt mit funktionaler Zonierung sowie die Citybildung.
(iii) Beide Quartiere, sowohl Speicherstadt als auch Kontorhausviertel, insbesondere die Kernzone, bestehend aus Chilehaus, Meßberghof, Sprinkenhof und Mohlenhof, sind in ihren Dimensionen und ihrer gestalterischen Qualität sowie in ihren Materialien und Architekturformen außergewöhnliche Zeugnisse der baulichen Tradition Hamburgs als Hanse- und Hafenstadt und des Selbstverständnisses ihrer Kaufleute sowie von deren eigener, den Erfolg sichernden Anpassungsfähigkeit. Die beiden eng benachbarten monofunktionalen, sich in funktionaler Hinsicht ergänzenden Quartiere stellen zwei hervorragende Beispiele von Gebäude- und Ensembletypen dar, die die Folgen des expandierenden Welthandels im ausgehenden 19., respektive im beginnenden 20. Jahrhundert versinnbildlichen. Aufgrund ihrer schlüssigen Konzeption und ihrer qualitätvollen, funktional geprägten Bauten im Kleid des Historismus bzw. der Moderne stellen sie auch im internationalen Vergleich einzigartige Beispiele für Ensembles von maritimen Lagerhauskomplexen bzw. von modernen Bürohausbauten der 1920er Jahre dar.
(iv) Die Hamburger Speicherstadt, Ende des 19. Jahrhunderts mit ihren zahlreichen Speicher- und Funktionsbauten, ihrer spezifischen funktionalen, baulichen und städtebaulichen Struktur mit gepflasterten Straßen, Wasserstraßen, Brücken und Eisenbahnanschlüssen entstanden, ist noch heute das größte zusammenhängende, einheitlich geprägte Speicherensemble der Welt. Durch den behutsamen Wiederaufbau konnte trotz der Einwirkungen des letzten Krieges das einheitliche Bild erhalten respektive wieder hergestellt werden. Die Speicherstadt zeichnet sich nicht nur durch eine hohe architektonische und städtebauliche Geschlossenheit aus, die aus der einheitlichen Gestaltung mit roten Backsteinfassaden, überwiegend in den neogotischen Formen der „Hannoverschen Schule“ resultiert, sondern auch durch eine bildmächtige Inszenierung, die ihren für die Bauaufgabe ungewöhnlich repräsentativen Charakter unterstreicht.
Das von einer bis heute erlebbaren großen Homogenität und außergewöhnlichen Größenordnung geprägte Kontorhausviertel repräsentiert als erstes reines Büroviertel auf dem europäischen Kontinent eine Verdichtung bisheriger Erfahrungen in der Konzeption und Gestaltung von Kontorhäusern sowie die Verlagerung des Schwerpunktes der wirtschaftlichen Aktivitäten in Kontinentaleuropa vom sekundären auf den tertiären Sektor. Seine Kontorhäuser, insbesondere das Chilehaus, der Meßberghof, der Sprinkenhof und der Mohlenhof setzten Maßstäbe für die Entwicklung der Bürohausarchitektur und zählen auch im internationalen Vergleich zu den bedeutendsten Leistungen der Baugattung Bürohaus nach dem Ersten Weltkrieg. Sie weisen hohe konzeptionelle und gestalterische Qualitäten auf, wie sie vergleichbar seinerzeit nur in den USA zu finden waren. Während aber die Bürohausarchitektur dieser Zeit international noch durch den Beaux-Arts-Stil bzw. andere historisierende Formen geprägt wurde, wiesen die Hamburger Bauten bereits moderne Klinkerfassaden in expressionistischen Formen auf, die beim Chilehaus und beim Sprinkenhof eine kaum noch zu überbietende gestalterische und handwerkliche Virtuosität erlangten. Der Meßberghof war eines der ersten Gebäude, die der Neuen Sachlichkeit den Weg ebneten, der Mohlenhof kann sogar schon der Neuen Sachlichkeit zugerechnet werden. Der hohe gestalterische Anspruch der Hamburger Kontorhausbauten setzt sich auch im Inneren in den Eingangsbereichen und Treppenhäusern fort.
Integrität
Mit dem Hamburger Ensemble Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus sind gleich zwei monofunktionale Quartiere in unmittelbarer Nachbarschaft in angemessener Größe und in nahezu unveränderter historischer Gestaltung intakt erhalten, die den Wandel Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts von der durchmischten Stadt hin zur modernen City mit monofunktionalen Zonen dokumentieren können. Die Speicherstadt beinhaltet dabei alle Elemente und Strukturen, die ihre Bedeutung als größtes, einheitlich geprägtes Speicherensemble und modernstes Logistikzentrum der Welt aus der Zeit des späten 19. Jahrhunderts zum Ausdruck bringen, das Kontorhausviertel, insbesondere die Bauten seiner Kernzone bestehend aus Chilehaus, Meßberghof, Sprinkenhof und Mohlenhof, alle Elemente und Strukturen, die seine Bedeutung für die Entwicklung der modernen Bürohausarchitektur der 1920er und 1930er Jahre dokumentieren.
Authentizität
Das Hamburger Ensembles Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus dokumentiert in weltweit einzigartig erhaltener Konzentration und Größenordnung mit den qualitätvollen, funktional geprägten Bauten im Kleid des Historismus bzw. der Moderne seiner beiden sich ergänzenden, in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden monofunktionalen Quartiere in weitgehend unveränderter historischer Gestaltung den Wandel von der durchmischten Stadt hin zur modernen City mit monofunktionalen Zonen Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts.
Trotz der Schäden im Zweiten Weltkrieg und der sukzessiven Umnutzung der Blöcke in den letzten anderthalb Jahrzehnten hat die Speicherstadt in weiten Teilen in Material und Substanz ihre Form und Gestaltung bewahrt, die durch ihre hohe architektonische und städtebauliche Geschlossenheit, durch die anspruchsvolle Verbindung zwischen architektonischer Gestaltung der Bauten und ihren technischen Einrichtungen, die gelungene Komposition ihrer repräsentativen roten Backsteinbauten in neogotischen Architekturformen der Hannoverschen Schule und durch ihre sowohl funktionale als auch malerisch wirksame Struktur bestimmt werden. Diese Konstanten verleihen dem Ensemble das unvergleichliche Bild einer „Speicherstadt“ mit einem für die Bauaufgabe ungewöhnlich repräsentativen Charakter. Die ursprüngliche Funktion der Speicherstadt als Lagerzentrum ist in großen Teilen erhalten, und, wo nicht, zumindest lesbar geblieben.
Das Hamburger Kontorhausviertel, dessen Bauten noch heute ihren ursprünglichen Zwecken dienen, wird in Form und Gestalt sowie in Material und Substanz ebenfalls weitgehend unverändert geprägt durch moderne, in Stahlkonstruktionsbauweise errichtete Bürohausbauten der 1920er und 1930er Jahre, deren sorgfältig gestaltete, teilweise sehr aufwändig detaillierte Klinkerfassaden expressionistische und sachliche Architekturformen aufweisen. Auch der künstlerische Bauschmuck und die repräsentative Ausstattung der Vestibüle und der Treppenhäuser sind in Material und Substanz weitgehend unverändert erhalten. Dies gilt auch für das Chilehaus, dessen charakteristische Detaillierung der Backsteinfassaden und dessen signifikante Form mit Überbauung der Fischertwiete und der S-linienförmigen Fassade am Meßberg, vor allem aber mit der an einen Schiffsbug erinnernde Spitze im Osten in Material und Substanz erhalten ist.
Erfordernisse für Schutz und Verwaltung
Speicherstadt und Kontorhausviertel stehen wegen ihrer überragenden Bedeutung unter Denkmalschutz. Alle wichtigen Instandsetzung- bzw. Veränderungsmaßnahmen und alle baulichen Eingriffe sind mit dem Denkmalschutzamt der Freien und Hansestadt Hamburg abzustimmen und bedürfen seiner Genehmigung. Zudem gibt es für die Speicherstadt eine Gestaltungsverordnung sowie ein Entwicklungskonzept.
Es ist beabsichtigt, auch für das Kontorhausviertel eine Gestaltungsverordnung zu entwerfen. Darüber hinaus wird derzeit ein Bebauungsplan für die Speicherstadt erstellt (Bebauungsplan HafenCity 12/Hamburg-Altstadt 48).
Um den Erhalt und die Verwaltung des für die Nominierung zum Welterbe vorgeschlagenen Ensembles "Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus" gewährleisten zu können und dessen nachhaltige Entwicklung auf eine breite Basis zu stellen, wurde ein Managementplan erarbeitet.
Die Leitung der Koordination des Welterbe-Managements wird beim Denkmalschutzamt angesiedelt werden, einer Abteil
Die zwischen 1885 und 1927 unter der Leitung von Franz Andreas Meyer in drei Bauabschnitten entstandene, im Zweiten Weltkrieg beschädigte und in der Nachkriegszeit durch Werner Kallmorgen in Anlehnung an das historische Vorbild wiederaufgebaute und durch 1950er Jahre-Bauten von hoher Qualität ergänzte Speicherstadt zeichnet sich durch ihre außergewöhnliche städtebauliche und architektonische Geschlossenheit aus. Sie besteht aus 15 fünf- bis siebengeschossigen Lagerhäusern und einer Reihe von Einzelbauten, bis auf wenige Ausnahmen in Backsteinbauweise in neogotischen und neoromanischen Formen, sowie einer spezifischen funktionalen, baulichen und städtebaulichen Struktur mit gepflasterten Straßen, Wasserstraßen, Brücken und Eisenbahnanschlüssen.