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19. Oktober 2018

Alma de l‘ Aigle-Preis der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur

Grußwort des Senators Dr. Carsten Brosda

Sehr geehrte Frau Schabbel-Mader,
sehr geehrte Frau von dem Bussche,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Gartenfreundinnen und Gartenfreunde.

ich möchte mit einem Zitat beginnen:

„Ein kiesbestreuter Weg führte zwischen verblühten Magnolien und Kamelien, deren weiße und rosa Blütenblätter auf dem Rasen lagen wie verzauberte Schneeflocken, auf eine kleine Anhöhe. Es war, als folge man einem Hochzeitszug. Ein Elsterpaar flog keckernd aus einem Baum. Als der leichte Wind sich legte, waren nur mehr zwei Geräusche zu hören: das Zirpen und Tschilpen von Hunderten von Singvögeln und das Murmelns und Rauschen unsichtbarer kleiner Wasserläufe und Kaskaden.“

Diese Beschreibung eines Gartens ist aus dem Roman „Ein Garten im Norden“ des Schriftstellers Michael Kleeberg. Es gibt darin eine auf siebzehn Seiten beschriebene Begehung dieses Gartens, den der jüdische Bankier Albert Klein mitten in Berlin hegt und pflegt. Der Journalist Joseph Roth wandert in dieser Passage durch die verschiedenen „kosmopolitischen“ Gartenräume: Es gibt unter anderem einen französischen Park, den „Kleinen Schwarzwald“, einen Japanischen und einen Englischen Garten zu bestaunen. 

Seine zahlreichen Eindrücke und Berauschungen an Pflanzen, Perspektiven, Strukturen und Farben fasst der Erzähler am Ende in zwei Worte zusammen:
„Schönheit und Ratio.“

Er stellt fest: „Alles war hier richtig und gut“ und manifestiert damit den klassischen Topos vom Garten als Paradies, in dem der Mensch – endlich möchte man fast sagen – Erholung und Inspiration, Eins-Sein mit sich und der Welt sowie die Versöhnung von Vernunft und Gefühl in dem „perfekt ausbalancierten Aufbau der Natur“ erfährt.

Im Verlauf des Romans verschiebt sich jedoch dieser Aspekt der individuellen Erfahrung hin zu einem gesellschaftlichen Wunschbild: Der Garten wird zum Sinnbild einer demokratisch-pazifistischen Welt, einem Gegenentwurf zum Grauen des Nationalsozialismus. 

In diesem Park, mitten in Berlin, trifft sich die intellektuelle Elite Europas von Lasalle über Brian bis hin zu Stresemann. Da wird – hinter hohen Gartenmauern – diskutiert und gestritten und gemeinsam an einer weltoffenen, humanistischen Zukunft gearbeitet.
Und in einer einzigartigen literarischen Geschichtsklitterung wird darin aus Heidegger ein aktiver Demokrat, der philosophische Impromptus verfasst, und Wagner zu einem überzeugten SPD-Mitglied und Vordenker der Minimal Music.

Wie beiläufig fällt einmal während besagter Begehung der Satz: „Was brauchte er einen Führer!“ Gemeint war in der konkret beschriebenen Situation zwar ein Gartenführer, der dem Laien Botanik und Gestaltung erklärt; in dieser emphatisch mit einem Ausrufezeichen versehenen Begrifflichkeit wird jedoch auch der andere, der historische Konnex mehr als deutlich.

Der Garten ist in Michael Kleebergs Roman eine Heterotopie: Hier findet sich das richtige Deutschland im falschen. Im Garten sind das Gute, das Zarte, Kluge und Schöne.

Er erweist sich bei Kleeberg dennoch nicht als Zeitkapsel und wird trotz seiner hohen Mauern schlussendlich von den Nazis zerstört.

Auch im praktischen, im echten Leben erleben wir Gärten und Parks – wenn auch nicht mit dieser historischen Dimension – als heterotope Orte. Als Orte, die uns eine Verschnaufpause vom Alltag verschaffen, als Orte, in denen wir all die Dinge tun können, die in unserem effizient durchstrukturierten Leben oft keinen Platz haben: 
Spazierengehen; auf der Wiese liegen, lesen oder spielen; die Abwechslung zu städtischen Bebauung und zum Straßenlärm genießen; die Schönheit einer Gartengestaltung auf sich wirken lassen; zweckfrei Zeit verrinnen lassen.

Laut einer bundesweiten Umfrage sind nahezu alle Befragten, nämlich 98 Prozent, der Meinung, dass Grün- und Freiflächen nicht nur wichtig für das Ökosystem, sondern auch sehr wichtig für die Lebensqualität seien. 
Von den 16 bis 64-Jährigen verbringen am Wochenende sogar fast 50 Prozent mehr als zwei Stunden in Parks und öffentlichen Grünanlagen. 

Hamburg kann sich, das wird Sie freuen, als eine der grünsten Großstädte weltweit bezeichnen, wir landen immerhin auf Platz zehn. Das hat im Frühjahr die Auswertung von Satellitenbildern von 50 internationalen Metropolen ergeben.
Ein bisschen von diesem Grün werden Sie in den kommenden zwei Tagen ja besuchen: Planten un Bloomen, Ohlsdorfer Friedhof, Jenisch Park, Wilhelmsburger Inselpark und einiges mehr.

Meine Damen und Herren,

der Senat tut viel dafür, dass Hamburg trotz wachsender Einwohnerzahlen und innerstädtischen Nachverdichtungen eine grüne Stadt bleibt.

Wir stehen damit in einer guten Hamburger Tradition.

Der Architekt Fritz Schumacher (1869 -1947) sagte einmal: Bauflächen erstehen, auch wenn sich kein Stadtplaner darum kümmert; Grünflächen hingegen verschwinden, wenn sich kein Stadtplaner darum kümmert. 
Also kümmern wir uns.

Bereits zu Schumachers Zeiten wurde im Senat eine eigenständige Grünplanung unter der Leitung des genialen Otto Linne eingerichtet. Sie markierte den Beginn einer beispiellosen „Durchgrünung“  der Stadt, von der wir bis heute profitieren. 
Und die wir weiterhin erhalten, pflegen und erweitern. 

Das ist auch ein Verdienst von Anke Kuhbier, die eine der Gründerinnen der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur war und die wir alle schmerzlich vermissen.

Von 2011 bis heute haben die Grün- und Erholungsflächen leicht zugenommen. In Kürze sollen weitere neue Naturschutzgebiete ausgewiesen werden. 
Und das alles, während wir jährlich zuerst 6.000 und mittlerweile 10.000 neue Wohnungen bauen.

Der Hamburger Senat hat unter dem Begriff „Qualitätsoffensive Freiraum“ Strategien und Lösungen zur Erhöhung und Verbesserung innerstädtischer Freiräume entwickelt. Das Pilotprojekt in Hamm Nord wurde bereits abgeschlossen.

2016 wurde der Etat für Straßenbaumpflanzungen verdreifacht.

Die Hamburger Gründachstrategie hat das Ziel, mehr als 70 Prozent der geeigneten Neubauten mit Flachdach oder flachgeneigtem Dach zu begrünen und zum Teil als Garten nutzbar zu machen. Für Grundeigentümer gibt es finanzielle Anreize für Dachbegrünungen.
Spektakulärstes Beispiel ist wohl die Planung eines Dachgartens auf dem Medienbunker an der Feldstraße, der als öffentlicher Park für alle nutzbar werden soll.

Mit dem Programm „Ein Grünes Netz“ will Hamburg Parkanlagen, Spiel- und Sportflächen, Kleingartenanlagen und Friedhöfe durch breite Grünzüge oder schmalere Grünverbindungen zu einem grünen Netz verknüpfen. Ziel ist es, dass sich Bürgerinnen und Bürger ungestört vom Straßenverkehr im Grünen bewegen können – und das innerhalb der Stadt bis in die freie Landschaft am Rande der Stadt.

Gemeinsam engagieren sich die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, die Behörde für Umwelt und Energie und das Denkmalschutzamt meiner Behörde dafür, dass wir auch in Zukunft genug bezahlbare Wohnungen und genug Grünflächen, Parks und Gärten haben werden. 
Der Denkmalschutz kümmert sich dabei um die historischen Grünanlagen. 
Darüber hinaus ermöglicht die Behörde für Kultur und Medien durch Fördergelder die Instandsetzung von gartenkulturell wichtigen Objekten – wie zum Beispiel die dringend notwendige Sanierung der Gewächshäuser in Planten un Blomen oder die Sanierung des Teehauses. 

Bürgerschaftliche Initiativen wie die „Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur“ sind in diesem Prozess bereichernde und manchmal wirkmächtige Stimmen mit anderen Blickwinkeln und neuen Impulsen, die sich mit Know how und Begeisterung für die Sache engagieren.

Denn letztlich sind es die vielen privaten und liebevoll gepflegten Gärten, in denen sich entscheidet, wie gartenfreundlich eine Gesellschaft ist.
Die grüne Stadt Hamburg muss sich da nicht verstecken.

Liebe Frau von dem Bussche,

bereits seit 1996 veranstalten Sie auf Schloss Ippenburg (in Niedersachsen) jedes Jahr ein großes Fest für – ich zitiere:
„Gartenfreaks, Balkonianer und Wildniseroberer.
Barbecuer, Picknicker und Mikroabenteurer.
Dachzeltnomaden, Naturschwärmer und Downsizer.
Aficionados, Epikureer und Glückssucher.“ 

Die Aufzählung geht noch weiter – ich fasse zusammen: Ein Gartenfest für alle!

Sie setzen sich mit viel Verve, guten Ideen und noch mehr Arbeit dafür ein, dass sich jedes Jahr mehr und mehr Menschen für die Schönheit von Parks und Gärten begeistern. Dafür ein herzlicher Dank.

Ein ebenso herzlicher Dank geht an die Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur für ihren unermüdlichen Einsatz, die Gartenkunst als einen lebendigen Teil unserer Gegenwartskultur zu erhalten.

Sie tragen dazu bei, dass unsere Städte über kleine Paradiese verfügen, über allegorische Gartenräume, grüne Gesellschaftsträume, realisierte Utopien und Freiräume für Begegnung. 

Schönen Dank.