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13. Februar 2025

Rede zum Produzententag 2025

gehalten im Colosseum Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte versuchen, eine Spur grundsätzlicher zu werden, denn ich glaube, dass hinter den Fragestellungen, die wir bereits gehört haben, ein noch tieferliegendes Problem steckt – etwas, das in unserem Land derzeit zunehmend ins Rutschen gerät.

Im Kern geht es um drei Aspekte, wenn wir darüber sprechen, warum die Kulturpolitik mit Blick auf den Film eine besondere Aufgabe hat. Erstens geht es darum, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Filmbranche nachhaltig bestehen kann. Zweitens müssen die Förderbedingungen so ausgelegt sein, dass sie nicht nur wirtschaftlich tragfähig sind, sondern auch gesellschaftlich und kulturpolitisch wünschenswerte Projekte ermöglichen.
Gerade hier zeigt sich die Besonderheit des Filmmarktes im Vergleich zu vielen anderen Branchen: Wir haben es mit einem meritorischen Gut zu tun – einem Gut also, das nicht nur ökonomischen Nutzen bringt, sondern auch einen gesellschaftlichen Mehrwert schafft.

Drittens geht es um die Arbeit an der gesellschaftlichen Selbstwahrnehmung – ein Aspekt, der in unserer heutigen Zeit wichtiger ist denn je. Wir brauchen Menschen, die uns einen Spiegel vorhalten, die uns zeigen, wie wir uns gerade verhalten, und die uns gleichzeitig daran erinnern, wer wir sein könnten und welche Möglichkeiten noch bestehen.
Und in dieser Konstellation zusammengenommen kommt dann Kulturpolitik auf den Platz und hat dafür zu sorgen, dass in diesen drei Dimensionen vernünftig gearbeitet werden kann. Was erleben wir aber momentan? 
Derzeit erleben wir aus verschiedenen, teils sehr unterschiedlichen Gründen eine Veränderung. Diese Gründe hängen zum Teil mit der objektiven Haushaltslage zusammen, zum Teil mit der Unfähigkeit verschiedener politischer Akteure, sich zu verständigen. Hinzu kommen Veränderungen im Mindset einzelner politischer Strömungen in unserem Land.
In der Vergangenheit war es eine Selbstverständlichkeit, dass die Politik dafür sorgt, die notwendigen Rahmenbedingungen zu gewährleisten – und zwar formal, ohne inhaltlich vorzugeben, was dabei entstehen soll. Doch mittlerweile weichen wir von diesem Prinzip ab. Wir stellen fest, dass es zunehmend Stimmen gibt, die fordern, dass die geförderten Produkte eine bestimmte Qualität aufweisen sollen: Manche verlangen, dass Filme regionale Identität und Heimatgefühl stärken. Andere sprechen von der Förderung einer „deutschen Leitkultur“. Wieder andere sehen Kultur als gesellschaftlichen Kitt, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern soll. Auch die Stärkung der Demokratie wird als Ziel genannt.

Doch ist es wirklich sinnvoll, Kulturförderung unmittelbar an solche politischen oder gesellschaftlichen Ziele zu knüpfen? Ich bin der Meinung, dass wir hier eine gedankliche Anstrengung unternehmen müssen. Eine gelungene Kulturförderung kann solche Effekte durchaus mittelbar haben. Doch sie darf nicht an eine qualitative Anforderung gebunden sein, die vorschreibt, welche Inhalte ein gefördertes Werk zu transportieren hat. Vielmehr ist es Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen und Förderbedingungen so zu gestalten, dass Kreativität frei entstehen kann – ohne bereits vorab festzulegen, welches Ergebnis dabei herauskommen muss.

Das ist schwierig – vor allem dann, wenn man mit Haushaltspolitikern spricht. Alle Politikerinnen und Politiker hier im Saal kennen diese Herausforderung. Claudia Roth hat gerade schon ein wenig davon berichtet. Haushälter wollen immer wissen: Was ist am Ende zählbar?

Also beginnen wir mit den Regionaleffekten, den Beschäftigungseffekten und den wirtschaftlichen Auswirkungen, weil diese sich quantifizieren und belegen lassen. In Hamburg funktioniert das ganz gut. Wenn unser Förderchef Helge Albers mit entsprechenden Studien vorrechnen kann, welchen wirtschaftlichen Nutzen die Filmförderung bringt, überzeugt das auch die kaufmännisch denkenden Abgeordneten in der Bürgerschaft. Daher haben sie gesagt: Gut, wir stellen für die nächsten zwei Jahre 10 Millionen Euro zusätzlich bereit.

Doch genau darum geht es nicht. Wir fördern Kultur nicht nur, weil sie messbare ökonomische Effekte hat – solche Effekte könnte man für viele Branchen berechnen. Was Kulturförderung wirklich ausmacht, ist ein zweiter, weit wichtigerer Effekt: Sie sichert einen Raum, in dem es möglich ist, Dinge zu produzieren, ohne bereits vorhersagen zu können, was dabei herauskommt. Diesen Raum für kreative Freiheit müssen wir als Gesellschaft erhalten und schützen.
Der große August Everding hat einmal über die Kunst gesagt, sie sei zwecklos, aber gerade deshalb sinnvoll. Seitdem, so glaube ich, hat niemand diesen Gedanken wieder so auf den Punkt formuliert.

Doch genau diese Haltung wird politisch zunehmend schwerer durchzuhalten. Ich bin überzeugt, dass es eine kulturpolitische Pflicht ist, genau an diesem Punkt dafür zu sorgen, dass Kunst nicht nur nach ihrem unmittelbaren Nutzen bewertet wird. Das ist auch deshalb entscheidend, um sicherzustellen, dass die öffentliche Verantwortung für Kulturförderung weiterhin anerkannt wird. Denn auch dieser Konsens gerät ins Wanken.

Immer häufiger hört man Argumente wie: Sollen doch diejenigen, die Kultur konsumieren, sie auch selbst bezahlen. Gerade in Zeiten, in denen an Kulturausgaben gespart wird, tauchen solche Sätze auf. Ein besonders erschreckendes Beispiel habe ich hier in dieser Stadt gehört: Warum soll die Supermarktkassiererin das Opernticket mitfinanzieren?
Ja, in drei Gottes Namen: Damit sie es sich leisten kann. Genau deshalb wird Kultur öffentlich gefördert. Das gilt für die Oper ebenso wie für das Kino. Würden die tatsächlichen Kosten eines Films vollständig auf den Ticketpreis umgelegt, wäre Kino für viele Menschen unerschwinglich. Es geht darum, dass der Staat, dass die Gesellschaft als Ganzes mit in der Verantwortung steht, Kunst und Kultur für alle zugänglich zu machen – frei, offen und demokratisch.

Diesen Grundsatz müssen wir verteidigen, denn ich bin mir nicht mehr sicher, ob der über Jahrzehnte geltende Konsens in der Kulturpolitik noch selbstverständlich ist. Bernd Neumann, der hier vorne sitzt, hat diesen Konsens in der Bundesregierung immer vertreten. Doch wir müssen dafür eintreten, dass er selbstverständlich bleibt.

Umso wichtiger ist das angesichts der aktuellen Lage in der Welt. Mein Lieblingsfilm – und ich kann ihn auf so viele Situationen anwenden – ist Network von 1976 mit Peter Finch. Viele werden ihn kennen. In einer legendären Szene dreht der Nachrichtensprecher Howard Beale im Studio durch und fordert die Menschen auf, ans Fenster zu treten und zu rufen: I’m mad as hell, and I’m not gonna take it anymore!

Ich bin mir nicht sicher, wie das ausgehen würde, wenn heute jemand im Fernsehen so durchdrehen würde. Ich bitte die anwesenden Vertreter der deutschen Fernsehsender, es nicht auszuprobieren – denn ich bin mir nicht sicher, was das Ergebnis wäre.Noch spannender an diesem Film finde ich jedoch etwas anderes: Er ist eine beißende Satire auf die Fähigkeit der Medien, Kritik an sich selbst so weit aufzusaugen, dass sie am Ende wirkungslos verpufft. Die Kritik am System wird selbst zum Unterhaltungsprodukt – und verliert dadurch ihre eigentliche Kraft.

Genau dieses Phänomen erleben wir heute an vielen Stellen. Inhalte werden verbreitet, doch ihre Wirkung kehrt sich oft gegen das ursprüngliche Anliegen. Der Journalist Roger de Weck beschreibt das in einem sehr klugen Buch über den Journalismus. Auf dem Klappentext heißt es zugespitzt: Wir müssen den Journalismus trotz der Medien möglich machen.

Was er damit meint, ist folgendes: Journalismus soll einer Gesellschaft helfen, sich über sich selbst zu verständigen. Doch in der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie wird Berichterstattung oft vor allem danach ausgerichtet, Reichweite zu erzielen und Erlösstrukturen zu optimieren. Die eigentliche Aufgabe des Journalismus – Orientierung, Aufklärung, Debatte – gerät dabei in den Hintergrund.

Und das gilt genauso für Kunst, Kulturproduktion und insbesondere für die Filmproduktion. Würden wir uns ausschließlich an den Verwertungsökonomien und den aufmerksamkeitsökonomischen Kriterien der Filmproduktion orientieren, würde vieles, was wir heute als Teil unserer Filmkultur begreifen, entweder gar nicht oder nur noch in sehr geringem Maße produziert werden. Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir diese Verantwortung übernehmen und die Vielfalt der Filmkultur bewahren. Denn es geht auch darum, die Geschichten, von denen wir bereits gehört haben, weiterhin in die Öffentlichkeit zu tragen und unserer Gesellschaft eine Möglichkeit zur Selbstreflexion zu geben.

Ein Beispiel dafür ist Hamburg. Wir haben es gerade schon gehört: Zum zweiten Mal in Folge stellt Hamburg den deutschen Oscar-Kandidaten. Letztes Jahr war es Das Lehrerzimmer, dieses Jahr Die Saat des heiligen Feigenbaums. Besonders bemerkenswert ist dabei eine Geschichte, die hier bereits angedeutet wurde. Im Saal sitzen Menschen, die – würde ich jetzt meine SMS-Verläufe durchsehen – aktiv daran mitgewirkt haben, dass der Regisseur Mohammad Rasulof über die Grenze nach Deutschland gebracht wurde und hier Schutz gefunden hat.

Und genau das zeichnet ein funktionierendes Gemeinwesen aus: dass es möglich ist, dass der Chef einer Filmförderung seinem Aufsichtsratsvorsitzenden, dem Kultursenator, eine Nachricht schreibt: Du, wir müssen da etwas tun. Dass sich der Senator dann an die Bundesregierung, an sein eigenes Innenressort wendet, andere in Bewegung setzt – und es schließlich gelingt, dass ein verfolgter Künstler nach Deutschland kommen und hier Sicherheit finden kann.

Ein Staat, der sich aktiv um den Schutz von Künstlerinnen und Künstlern kümmert, die verfolgt werden – das ist unsere Vorstellung von gesellschaftlicher und öffentlicher Verantwortung. Und diese sollten wir uns von niemandem nehmen lassen. Doch das funktioniert nur, wenn wir Politik, politische Verantwortung und auch gesellschaftliche Verantwortung von Menschen, die in Öffentlichkeit wirken und Kunst produzieren, nicht als bloßes Reflektieren von gemessenen Bevölkerungsmeinungen begreifen, sondern als aktive Arbeit an der Selbstausdeutung unserer Gesellschaft. Hätten wir Politik nur danach ausgerichtet, was zu einem bestimmten Zeitpunkt 50 Prozent der Menschen unterstützen, würde dieses Land heute ganz anders aussehen.

Deutschland hat sich entwickelt, weil es Menschen in Kunst, Kultur, Politik und in der Gesellschaft gegeben hat, die immer wieder gesagt haben: Wir haben eine Idee, wohin wir mit dieser Gesellschaft wollen. Und sie haben für diese Idee geworben, Überzeugungsarbeit geleistet und dadurch Mehrheiten verändert. Für mich – und sicherlich auch für viele andere – ist es unvorstellbar, Deutschland als ein Land in der Mitte Europas nicht als eine offene Gesellschaft zu denken. Deshalb sollten wir genau dafür werben: für eine Gesellschaft, die Menschen einlädt, die Vielfalt lebt und in der alle ohne Angst verschieden sein können.

Für diese Idee sollten wir werben. Und diese Idee sollten wir zur mehrheitlichen Überzeugung dieser Gesellschaft machen. Falls sie ins Wanken gerät, müssen wir dafür kämpfen, dass sie Bestand hat. Nun könnte ich Ihnen noch viele Gründe nennen, warum Hamburg ein hervorragender Filmstandort ist – aber das wissen Sie ohnehin. Darüber spreche ich am Samstag. Kommen Sie zur Hamburger Landesvertretung, wo wir beim traditionellen Moin-Empfang zusammenkommen.

Ich möchte nur eines betonen: Die regionale Filmförderung wurde in Hamburg vor 45 Jahren mitbegründet, weil Filmemacher wie Wim Wenders, Volker Schlöndorff und Hark Bohm sich dafür starkgemacht haben. Natürlich können wir uns nicht mit den großen Filmländern messen, die Claudia Roth vorhin genannt hat – dazu fehlen uns die finanziellen Möglichkeiten. Hamburg hat eben nur 1,8 Millionen Einwohnende und Schleswig-Holstein beteiligt sich nicht proportional an der Finanzierung der Förderung. 

Aber eines steht fest: Hamburg gibt pro Kopf mehr für Filmförderung aus als jedes andere Bundesland. Und auch wenn sich das nicht in absoluten Zahlen als größter Haushalt niederschlägt – es zeigt, wie sehr wir diese Verantwortung ernst nehmen. Das ist genau die Herausforderung. Deshalb haben wir Helge Albers schon damals gesagt: Mehr Geld wird er nicht bekommen – er muss eben smarter sein als die anderen. Und genau das ist vielleicht auch eine Qualität erfolgreicher Förderarbeit. Ein Beispiel dafür ist die nachhaltige Filmproduktion. Der Grüne Drehpass, ein Konzept für umweltfreundliche Filmproduktionen, wurde von Eva Hubert, der Vorvorgängerin von Helge Albers, entwickelt und durchgesetzt – und ist heute Standard in Deutschland.

Ein weiteres wichtiges Thema ist Diversität. Eine verpflichtende Quote für Diversitätskriterien in Filmen wäre der falsche Weg. Aber eine Diversity Checklist kann helfen. Wer Förderung beantragt, bekommt einen Fragebogen, der ihn dazu bringt, sich selbst zu hinterfragen: Habe ich alle Aspekte berücksichtigt? Oder reproduziere ich nur unbewusst Stereotype, die ich seit Jahrzehnten verinnerlicht habe? Solche Impulse können eine echte Wirkung entfalten.
Der nächste Schritt ist eine solide Datenbasis – zum Beispiel durch die Omni Inclusion Plattform, die erfasst, wie es faktisch um Diversität in Produktionskontexten bestellt ist. Denn nur wenn wir wissen, wo die Probleme liegen, können wir gezielt daran arbeiten. Zu oft wird spekuliert und aus Mutmaßungen entstehen vorschnelle Anklagen. Manchmal hilft es, erst einmal die Fakten zu klären, bevor man Schlussfolgerungen zieht. Ich erinnere mich an einen Satz aus meiner Volontariatszeit: Fakten hemmen den Erzählfluss. Das mag für fiktionale Kinoproduktionen gelten – für alle anderen gesellschaftlichen Bereiche sollte man sich besser nicht daran orientieren. Ich jedenfalls versuche, mich seither genau daran zu halten.

Auch in der Stoffentwicklung gehen wir in Hamburg neue Wege. Mit dem Programm Nest denken wir die Development-Förderung neu und organisieren sie community-basiert. Erfahrene Filmschaffende und Newcomer*innen arbeiten kollaborativ an neuen Stoffen, tauschen sich in regelmäßigen Treffen aus und entwickeln sich gemeinsam weiter. Solche Ansätze können neue Impulse setzen und den Filmstandort stärken – zusätzlich zu den klassischen Marktordnungs- und Förderbedingungen, die natürlich weiterhin essenziell sind. Hamburg setzt dabei auf eine antizyklische Strategie. Als überzeugte Keynesianer haben wir entschieden, die Filmfördermittel in diesem Jahr zu erhöhen – und wir hoffen, dass wir diesen Weg über die bereits beschlossenen Maßnahmen hinaus weitergehen können.

Wir haben bereits einige Fortschritte gemacht, und das ist gut so. Das FFG ist verabschiedet – ein wichtiger Schritt. Die 30-prozentige Anhebung bringt eine gute Lösung für dieses Jahr. Entscheidend ist jetzt, dass wir nicht weiter Marktvolumen verlieren, denn der Rückgang der letzten Jahre war deutlich und dramatisch sichtbar.

Aber es ist ebenso klar: Wir brauchen sowohl ein steuerliches Anreizmodell als auch eine Investitionsverpflichtung. Und ich halte beides ehrlicherweise nicht für Raketenwissenschaft. Es geht schlicht darum, es dann auch zu machen und dahin zu bringen, dass wir es miteinander verabschiedet bekommen. Und das muss gehen.

Ein zentraler Punkt ist dabei die Rolle der Länderfinanzen. Denn eines ist klar: Wenn der Bund mit dem Steueranreizmodell kommt, dann übernehmen die Länder faktisch die Hälfte der Filmförderung. Das kann so nicht funktionieren. Einige Finanzminister auf Länderseite haben deshalb erst einmal Nein gesagt. Wir sind bereit zu verhandeln – aber dann müssen diese Gespräche auch geführt werden. Bisher kamen sie nicht zustande. Claudia Roth hat die Hintergründe bereits beschrieben. Doch es ist höchste Zeit, das zu ändern.

Das Gleiche gilt für die Investitionsverpflichtung. Sie ist notwendig – inklusive der Rechtefragen, die Björn Böhning bereits angesprochen hat. Produzentinnen und Produzenten müssen als echte Marktteilnehmer agieren können. Es darf nicht sein, dass sie nach Vertragsabschluss nur noch zusehen, was mit ihrem Produkt geschieht. Auch dafür gibt es Lösungen – wir müssen sie nur umsetzen. Machen ist wie wollen, nur krasser.

In Richtung der Länder gibt es ebenfalls einiges zu sagen. Wir haben uns darauf verständigt, die Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch deshalb anzugehen, um eine Beitragserhöhung zu rechtfertigen. Doch im Laufe der Verhandlungen haben einige Länder das offenbar vergessen. Aktuell liegen fünf Staatsverträge vor. Hamburg wird, Stand jetzt, alle fünf Staatsvertragsbestandteile inklusive der Beitragsanpassung in die Bürgerschaft einbringen.
Ein weiteres Thema ist die Klage der Rundfunkanstalten. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob es klug war, die Klage genau jetzt einzureichen und damit möglicherweise einige Länder zu triggern, die sonst zugestimmt hätten. Aber dass sie einen Rechtsanspruch darauf haben, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die Länder sich an die Verfassung halten, finde ich das normalste von der Welt. Wer in einer Staatskanzlei sitzt und fordert, dass Rundfunkanstalten darauf verzichten sollen, muss sich fragen, ob er den Rechtsstaat noch ernst nimmt.

Das eigentlich Skurrile ist, dass ausgerechnet der bayerische Ministerpräsident, der sich am vehementesten gegen eine Beitragsanpassung ausspricht, mit seinem Handeln die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Karlsruhe am Ende genau diese Erhöhung durch ein Urteil durchsetzt. Wäre es den Ländern gelungen, sich auf das neue Beitragsverfahren als Staatsvertrag zu einigen, hätte Karlsruhe mit großer Wahrscheinlichkeit festgestellt, dass dies im Rahmen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten geschehen ist. Das Modell hätte sichergestellt, dass die Rundfunkanstalten ihre Rücklagen bis 2027 aufbrauchen können, bevor eine neue Anpassung erfolgt. Eine Unterfinanzierung des gesetzlichen Auftrags wäre vermieden worden.

Doch stattdessen heißt es nun: "Wir machen das nicht, weil die erst ihre Klage zurückziehen sollen." Dass die Anstalten das nicht tun werden, wurde bereits dargelegt. So geraten wir nun in eine Lage, in der Karlsruhe über eine Finanzierung entscheidet, ohne dass die Länder einen Alternativvorschlag vorgelegt haben. Das kann man riskieren – aber es ist keine gute Idee. In einem System, das auf Konsens basiert, bleiben einem in solchen Momenten nur noch fassungsloses Kopfschütteln und der Versuch, das Schlimmste zu verhindern.

Meine Sorge ist, dass wir uns hier in eine unkontrollierte Dynamik manövrieren, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die produzierende Branche in Deutschland erhebliche Schwierigkeiten bedeutet. Deshalb liegt es in unserem Interesse, eine gemeinsame Lösung zu finden. Die Sicherstellung eines öffentlich-rechtlichen Medienangebots ist eine öffentliche Aufgabe, die nicht zur Disposition stehen darf. Dieses Prinzip bleibt auch im 21. Jahrhundert essenziell.

Es wird nicht dadurch obsolet, dass in anderen Teilen der Welt libertäre Kräfte behaupten, jede gesellschaftliche Vereinbarung könne man über Bord werfen und es reicht, dass sich einfach der Stärkste durchsetzt. Diese Vorstellung darf in Europa keinen Platz haben. Gleichzeitig stehen wir als Länder vor der Herausforderung, auch die Refinanzierungsmöglichkeiten privatwirtschaftlicher Medienangebote zu sichern. Denn auch sie sind wichtige Auftraggeber für Film- und Fernsehproduktionen. In dieser Hinsicht kann ich die Bedenken hinsichtlich eines übermäßigen Werbeverbots nur unterstreichen.

Wir müssen darauf achten, dass Bundes- und europäische Regelungen, die in anderen Politikfeldern gut gemeint sind, nicht unbeabsichtigt die Finanzierung öffentlicher Strukturen und Medienangebote untergraben. Demokratie braucht Öffentlichkeit – drehen wir die Regulierung zu weit, gefährden wir diese Öffentlichkeit und damit die Grundlage, auf der Demokratien funktionieren. Diese ordnungspolitische Verantwortung müssen wir ernst nehmen. Dies gilt auch für die Rahmenbedingungen, die durch Digitalisierung und technologische Entwicklungen geschaffen werden. Die Märkte verändern sich rasant – insbesondere durch den Einsatz von KI. Ich hoffe inständig, dass das, was Claudia Roth dazu gesagt hat, auch wirklich zutrifft.

Wenn ich an KI denke, erinnere ich mich an eine Star Trek-Folge der Voyager-Serie – die genaue Staffel bekomme ich nicht mehr zusammen. Darin blieb ein KI-gesteuerter medizinischer Notfallhologramm-Doctor als einziges Überbleibsel des medizinischen Teams übrig. Eigentlich dafür vorgesehen, nur für Notfälle kurzfristig aktiviert zu werden, blieb er dauerhaft an und entwickelte eine eigene Persönlichkeit. Um sich selbst zu beschäftigen, beginnt er, Opernarien zu singen. Als die Crew auf einem Planeten voller Mathematiker landet – die keine Musik kennen – wird dieser KI-Doctor dort zum Superstar, weil er Rigoletto singen kann. Die Bewohner bauen ihm ein Opernhaus, feien ihn, und er ist kurz davor, die Crew zu verlassen, um sich als Künstler niederzulassen. Am Ende der Geschichte wird dem Doctor jedoch erklärt, dass sie nun eine noch bessere Version programmiert hätten, die mehr kann als er – und er könnte nun wieder wegfliegen. Die Technik hat die Technik also überholt. Aber das zeigt, dass wir uns in einer neuen Ära befinden. Die Frage ist nicht, was die Technik eines Tages alles leisten kann – die Antwort darauf ist, sie wird vermutlich fast alles können.

Vielmehr geht es darum, dass wir uns weiterhin darauf berufen, dass Kunst ihren Ursprung im Menschen hat. Kunst ist das Verhandeln unserer eigenen Zustände, nicht das bloße Simulieren dieser Zustände durch Technologie. Wir müssen die Technik nutzen, um unsere Verhandlungen und Deutungen der eigenen Existenz anderen Menschen anzubieten.
Das ist eine Entscheidung, die wir als Gesellschaft und als Individuen treffen müssen. Auch wenn die Technologie uns möglicherweise zu 99,9 % an das Ziel führt – diese letzten 0,1 %, der Unterschied, den es zu verteidigen gilt, sind entscheidend. Und genau in diesem Rest liegt die Menschlichkeit, die es in der Kunst zu bewahren gilt. Es ist eine Aufgabe, die niemand für uns übernehmen kann. Nur wir selbst, als Gesellschaften und als individuell verantwortliche Akteure, können diese Entscheidung treffen. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam tun.

Ich finde es großartig, dass es bereits jetzt sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen gibt. Als Präsident eines anderen Arbeitgeberverbandes – dem Deutschen Bühnenverein – sind wir noch nicht ganz so weit, weil wir noch sicher sind. Aber auch bei uns gibt es schon die ersten Hologramm-Shows. Das fällt aber noch auf. Also insofern haben wir noch ein paar Jahre Luft und werden uns sicherlich an euch dort orientieren.

Abschließend möchte ich einen Satz von David Lynch teilen, der kürzlich verstorben ist. Er sagte: „Keep your eye on the donut, not the hole.“ Weniger hochgestochen als der von Kafka, aber auch ganz wichtig, vielleicht als Ergänzung,
Das ist mein Signal der Zuversicht für Ihre Branche in den kommenden Wochen: Machen wir was Gutes draus. Schönen Dank.