Lieber Herr Kuhlemann,
lieber Herr Prof. Schwenker,
lieber Herr Kühnel,
lieber Ion Marin,
liebe Musikerinnen und Musiker der Symphoniker Hamburg,
liebe Gäste,
wir haben gerade ein sehr bewegendes Konzert erlebt.
Was eigentlich das letzte Symphonie-Konzert der Spielzeit hätte sein sollen, wurde zum Abschiedskonzert, dargeboten von den Musikerinnen und Musikern der Symphoniker Hamburg unter ihrem ersten Gastdirigenten Ion Marin.
Es ist ein trauriger Anlass, der uns hier zusammenführt.
Wir alle denken in diesen Stunden an Sir Jeffrey Tate, der Anfang des Monats jäh und unerwartet aus unserer Mitte gerissen wurde. Die Redewendung „plötzlich und unerwartet“ vernehmen wir so oft; hier wurde sie in aller Brutalität jähe Wirklichkeit.
Wir trauern mit seinem Mann, seinen Freunden und seinen Wegbegleitern.
Sir Jeffrey Tate zählte zu den renommiertesten und vielseitigsten Dirigenten seiner Generation.
Seit Jahrzehnten gastierte er an führenden europäischen Häusern und weltweit. Für seine künstlerischen Verdienste wurde er vielfach ausgezeichnet; unter anderem in Frankreich mit den Titeln eines „Chevalier de la Légion d'Honneur“ und eines „Commandeur des Arts et des Lettres“, in Großbritannien mit dem Titel „Commander of the British Empire“ und in Venedig mit dem Preis „Una vita nella musica 2016“. Anfang 2017 wurde Jeffrey Tate von Prinz William zum Ritter geschlagen. Aus diesem Grund hätte er morgen mit einem Senatsfrühstück geehrt werden sollen.
Als Chefdirigent der Symphoniker Hamburg hat Sir Jeffrey Tate seit 2009 den Platz der Symphoniker im Musikleben der Stadt weiter verfestigt.
Seit Beginn ihrer Zusammenarbeit haben sich Sir Jeffrey Tate und Intendant Daniel Kühnel mit einer profilierten Dramaturgie positioniert. In klaren Programmlinien haben sie uns anspruchsvolle und unverwechselbare Programme mit hochkarätig besetzten Konzerten und einem vielseitigen und kreativen Vermittlungsprogramm präsentiert.
Auch das kürzlich veröffentlichte Programm für die kommende Spielzeit 2017/18 legt Zeugnis dieser künstlerisch-konzeptionellen Arbeit ab.
Die dramaturgisch schlüssigen Programme mit Leben zu füllen und damit beim Live-Erlebnis der Konzerte das Publikum für sich zu begeistern, ist Sir Jeffrey Tate mit seinen Symphonikern immer wieder gelungen.
Der musikalische Anspruch des Chefdirigenten und die spürbare, starke Identifikation der Musikerinnen und Musiker mit ihrem Orchester sind sicherlich die wesentlichen Gründe der Begeisterung des Publikums für „ihre“ Symphoniker. Es war zu spüren: Das Orchester und sein Dirigent waren einander nicht nur musikalisch, sondern auch emotional eng verbunden. In all seiner Fragilität war Jeffrey Tate nicht nur seinem Orchester ein Fels. Er war ein Meister der kleinen Geste – im Wissen, um deren große Wirkung.
In den vergangenen Jahren konnten die Symphoniker ihre Besucherzahlen ständig steigern, und dies sogar seit Eröffnung der Elbphilharmonie.
Bei der wiederholten Zusammenarbeit mit starken Künstlerpersönlichkeiten haben Sir Jeffrey Tate und die Symphoniker Impulse und künstlerische Akzente gesetzt, die die überregionale und internationale Aufmerksamkeit auf das Orchester und die Musikstadt Hamburg gelenkt haben.
In Hamburg erstreckte sich der Wirkungskreis Sir Jeffrey Tates und der Symphoniker weit über die Laeiszhalle hinaus: auf die Hochschule für Musik und Theater, auf die Staatsoper Hamburg, auf Konzertsäle des Umlands sowie auch auf viele ungewöhnliche Orte der musikalischen Begegnung, zum Beispiel dem Bunker an der Feldstraße, Park Fiction an der St. Pauli Hafenstraße, dem U-Bahn-Viadukt der Isestraße, dem Flohmarkt FlohZinn in Wilhelmsburg, der MS Stubnitz, dem Kunstfestival MS artville, der Hanseatische Materialverwaltung und dem Gängeviertel.
Ein besonderes Anliegen war Sir Jeffrey Tate die musikalische Vermittlungsarbeit.
Bereits die vielfältigen Aufführungsorte zeigen, dass die Symphoniker auf ihr Publikum zugehen. Neues Publikum zu gewinnen, Barrieren zur klassischen Musik abzubauen und insbesondere Kindern und Jugendlichen aller Nationalitäten Zugang zur klassischen Musik zu eröffnen, war Sir Jeffrey Tate sehr wichtig.
Dass er ein herausragender Musikvermittler war, konnten wir bei seinen begeistert aufgenommenen „Close-Up-Proben“ erleben, in denen das Publikum dem Dirigenten bei der Arbeit auf die Finger schauen konnte.
Besondere Aufmerksamkeit erregte auch das Projekt „MusikImPuls“, das mit Konzerten und Konzertprojektionen den öffentlichen Raum bespielte.
Seit 2017 sind die Symphoniker Hamburg das Residenzorchester der Laeiszhalle und haben damit die wichtige Aufgabe übernommen, die starke Tradition am Johannes-Brahms-Platz fortzuführen und diesen herausragenden und traditionsreichen Saal weiter zu entwickeln. Ihm fühlte sich Sir Jeffrey Tate verbunden. Als ich ihn in einem persönlichen Gespräch noch vor der Eröffnung die Vorzüge der Akustik der Elbphilharmonie schilderte, reagierte er abgeklärt: „Ja, so ein moderner Saal halt“. Er liebte die Wärme der Laeiszhalle und beherrschte doch auch den neuen Raum.
Nach dem begeistert aufgenommenen Konzert mit Beethovens „Missa Solemnis“ in den Eröffnungswochen der Elbphilharmonie hätte ich mich sehr gefreut zu erleben, wie Sir Jeffrey Tate und die Symphoniker ihre neue Rolle in der neuen Vielfalt der Musikstadt Hamburg ausfüllen werden. Jetzt werden es die Symphoniker ohne ihn tun müssen.
Der Grundstein hierfür ist gelegt. Das konnten wir im heutigen Konzert hören.
Mit seiner Arbeit hat Sir Jeffrey Tate bleibende Spuren im musikalischen Leben unserer Stadt hinterlassen.
Er hat sich auf ewig in diese reiche musikalische Tradition unserer Stadt eingeschrieben.
Seine musikalischen und seine menschlichen Werke klingen nach. Noch lange Zeit.
Wir werden ihn vermissen.