Dr. Dorothee Stapelfeldt, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen: „Das Baulandmobilisierungsgesetz bietet große Chancen für mehr bezahlbaren Wohnraum, den wir in Hamburg dringend brauchen. Deshalb haben wir uns auf Bundesebene intensiv dafür eingesetzt und hart darum gerungen. Mit der heutigen Verordnung stellen wir sicher, dass die Neuerungen jetzt schnell und effektiv zum Tragen kommen. Wir erweitern dadurch die Palette an Maßnahmen, mit denen wir für Entlastung auf dem angespannten Hamburger Wohnungsmarkt sorgen. Gezielt auf den Wohnungsbau zugeschnittene Baugebote und gestärkte Vorkaufsrechte ermöglichen es der Stadt, entschlossen gegen Grundstücksspekulationen vorzugehen. Auf den ersten Blick unscheinbarer, aber enorm wertvoll sind auch die erleichterten Baugenehmigungen im Befreiungswege: Sie geben uns innerhalb des bestehenden Planrechts mehr Spielraum für den dringend benötigten Wohnungsneubau.“
Kay Gätgens, Leiter des Bezirksamts Eimsbüttel: „Die neuen Instrumente aus dem Baulandmobilisierungsgesetz geben uns zum einen mehr Schlagkraft im Vorgehen gegen Spekulation und brachliegende Wohnbauflächen. Zum anderen schaffen sie mehr Flexibilität bei Baugenehmigungen: Mit Aufstockungen oder sonst nicht zulässigen Bebauungen zum Beispiel lässt sich das vorhandene Potenzial der Grundstücke besser ausnutzen. Für die Bezirke bedeutet das mehr Beinfreiheit, um das erfolgreiche Wohnungsbauprogramm fortsetzen zu können. Wir können die neuen Chancen aber nur ausschöpfen, wenn uns in den Bezirken auch entsprechende Bauanträge vorliegen. Deshalb appelliere ich an alle Bauherrinnen und Bauherren: Loten Sie aus, was auf Ihren Flächen vielleicht möglich gemacht werden kann!“
Für einige der neuen Instrumente muss ein angespannter Wohnungsmarkt gemäß § 201a BauGB vorliegen. Die Feststellung, dass dies für das gesamte Hamburger Stadtgebiet der Fall ist, liegt der am Dienstag vom Senat beschlossenen Rechtsverordnung zugrunde. Angewandt wurden dabei dieselben Kriterien wie bei der Mietpreisbremse, wonach Mietentwicklung und Wohnungsnachfrage über dem Bundesdurchschnitt liegen.
Eines der wichtigsten Instrumente, die nach dem Senatsbeschluss nun eingesetzt werden können, erlaubt eine intensivere bauliche Ausnutzung von Grundstücken mit geltendem Planrecht. Es handelt sich um Erleichterungen bei der „Erteilung von Baugenehmigungen durch Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans“. Das heißt: Es wird für die Stadt leichter, einen Bauantrag für ein Wohnungsbauvorhaben zu genehmigen, obwohl es in bestimmten Aspekten über den Bebauungsplan hinausgeht. Zum Beispiel können höhere Geschosszahlen ermöglicht oder ein Anbau kann erlaubt werden. Eine qualitätsvolle Stadtentwicklung ist weiterhin sichergestellt, denn es handelt sich um Einzelfallentscheidungen über konkrete Anträge, nicht um generelle Aufhebungen der Vorgaben. Das bedeutet aber, dass entsprechende Anträge erst einmal gestellt werden müssen. Insofern ist jetzt ganz besonders die Initiative der Bauherrinnen und Bauherren gefragt.
Ein weiteres Instrument, dessen Nutzung der Senatsbeschluss zum angespannten Wohnungsmarkt ermöglicht, ist das im Sinne des Wohnungsbaus geschärfte Baugebot. Unter bestimmten Umständen kann Hamburg künftig anordnen, dass ein Grundstück mit einer oder mehreren Wohneinheiten bebaut werden muss. Grundstücke mit geltendem Planrecht und großem, ungenutztem Wohnungsbaupotenzial können so der Spekulation entzogen werden. Dadurch wird, ganz im Wortsinne des Gesetzestitels, Bauland mobilisiert.
Auch das dritte Instrument, das gestärkte kommunale Vorkaufsrecht an unbebauten oder brachliegenden Grundstücken, zielt – neben anderen Aspekten – gegen Spekulation. Es erstreckt sich nun auch auf Flächen, auf denen städtebauliche oder anlagenbezogene Missstände herrschen. Erfasst sind auch Flächen, die lediglich umfriedet oder nur ganz geringfügig und erkennbar provisorisch bebaut sind. Auf einem ansonsten leeren Grundstück nur einen Zaun oder einen Schuppen zu errichten, reicht also nicht länger, um das gemeindliche Vorkaufsrecht zu umgehen. Gleichzeitig sind durch das Baulandmobilisierungsgesetz auch die Fristen für die Ausübung der Vorkaufsrechte praxisgerechter gestaltet geworden, und der preislimitierte Ankauf zum Verkehrswert wurde erleichtert.
Unabhängig vom heutigen Senatsbeschluss besteht durch das Baulandmobilisierungsgesetz bereits die Möglichkeit, einfache Bebauungspläne zugunsten des Wohnungsbaus zu erlassen. Die Stadt kann nun in einem schlanken Verfahren in vielen Gebieten Planrecht gezielt und ausschließlich für neue Wohnungen schaffen und dabei auch bestimmte Anteile geförderten Wohnungsbaus verbindlich vorschreiben. Dieses Instrument eignet sich insbesondere, um in großen Bereichen Hamburgs mit Baurecht nach Baustufenplänen aus den 1950er Jahren das bestehende Planrecht zu modernisieren, um mehr Wohnungsbau zu ermöglichen.
Eine an sich kleine Veränderung im Baugesetzbuch ermöglicht nun auch die Aufhebung von Planrecht zur Wiedernutzbarmachung von Innenentwicklungsflächen mit denselben Verfahrensbeschleunigungen, wie sie auch zur Aufstellung von Bebauungsplänen der Innenentwicklung geregelt sind. Dies betrifft in Hamburg aktuell circa 25 Geschäftsgebietsflächen nach altem Planrecht in den Bezirken Hamburg-Mitte, Hamburg-Nord und Harburg, die damit zügig aufgehoben werden können. Die sich dann ergebene planungsrechtliche Situation kann dort den Bau bisher nicht zulässigen Wohnungsbaus möglich machen.
Auch für die Intensität der Bebauung haben sich Regelungen verändert. So sind die bis dato für bestimmte Baugebiete vorgeschriebenen strengen Obergrenzen der baulichen Nutzung in Orientierungswerte umgewandelt worden. So können in neuen Wohngebieten die angestrebten Bebauungsdichten erleichtert festgesetzt werden, solange gesunde Wohnverhältnisse gewahrt bleiben und für das gesamte Entwicklungsgebiet genügend Freiflächen vorgesehen werden.
Zum Schutz von Mieterinnen und Mietern vor Verdrängung aus ihren angestammten Quartieren ist schließlich noch das sogenannte Umwandlungsverbot geplant. Dieses macht die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig und somit abhängig von bestimmten Bedingungen. Eine entsprechende Regelung gilt in Hamburg bereits für Gebiete mit Sozialer Erhaltungsverordnung. Um das Umwandlungsverbot auch außerhalb dieser Bereiche anwenden zu können, ist der Erlass einer Verordnung gemäß § 250 BauGB notwendig. Dies ist in Hamburg ebenfalls zeitnah geplant. Denn auf Umwandlungen bislang günstiger Wohnungen folgen oft Eigenbedarfskündigungen oder aufwändige Sanierungen und schließlich Weitervermietungen zu Preisen, die für die ursprünglichen Mieterinnen und Mieter unerschwinglich sind.
Hintergrund zum angespannten Wohnungsmarkt:
Folgende Kriterien gelten für die Feststellung eines angespannten Wohnungsmarkts gemäß § 201a BauGB:
1. die Mieten steigen deutlich stärker als im bundesweiten Durchschnitt
2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte übersteigt den bundeweiten Durchschnitt deutlich
3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird
4. es besteht geringer Leerstand bei großer Nachfrage.
Mietniveau und Mietentwicklung: In Hamburg stiegen die Angebotsmieten zwischen 2007 und 2020 im Mittel von 7,86 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche monatlich netto-kalt um rund 58 Prozent auf 12,44 Euro. Einen besonders steilen Anstieg verzeichnete Hamburg von 2007 bis 2011. In diesen vier Jahren stiegen die Angebotsmieten um 23 Prozent. Im Vergleich dazu stiegen von 2007 bis 2020 bundesweit die Angebotsmieten von 6,01 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche netto-kalt um durchschnittlich rund 49 Prozent auf 8,97 Euro. Bei der absoluten Höhe der Angebotsmieten steht Hamburg bundesweit auf Platz vier hinter den teuersten Städten München, Frankfurt am Main und Stuttgart. Die aktuelle Durchschnittsmiete im Bestand liegt laut dem jüngsten Mietenspiegel von 2019 bei 8,66 Euro.
Mietbelastung: Der Anteil des Einkommens, der für die Miete aufgebracht werden muss, betrug 2018 in Hamburg durchschnittlich 30,4 Prozent und lag damit um rund 3,2 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt von 27,2 Prozent.
Bevölkerungswachstum: Von 2006 bis November 2019 ist die Bevölkerung laut Statistikamt Nord von 1.754.182 auf 1.851.872 Einwohnerinnen und Einwohner gewachsen. Bis 2035 wird mit einem weiteren Anstieg um rund 146.000 Personen gerechnet.
Ende des Jahres 2019 standen den rund 1.042.000 Haushalten, die die potentielle Wohnungsnachfrage abbilden, rund 966.000 Wohnungen gegenüber.
Leerstand: Der CBRE-empirica-Leerstandsindex zeigt, dass Hamburg im Bundesländervergleich 2019 mit 0,5 Prozent die niedrigste Leerstandsquote aufwies. Der Bundesdurchschnitt lag für dasselbe Jahr bei 2,8 Prozent.
Rückfragen der Medien
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Susanne Enz | Pressesprecherin
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Bezirksamt Eimsbüttel
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