Der nachträgliche Ausbau von Dachgeschossen und die Aufstockung bestehender Gebäude sind effiziente Maßnahmen, um ohne Inanspruchnahme zusätzlicher Grundstücksflächen Wohnraum zu schaffen. Die Hamburgische Bauordnung (HBauO) wurde mit den von der Bürgerschaft am 23.01.2018 beschlossenen Änderungen für diese Herausforderungen fit gemacht. In diesem Artikel werden die Verbesserungen erläutert. Sie schaffen Anreize für Bauherren, ihren Wohnungsbestand durch Ausbau von Dachgeschossen oder Aufstockungen zu verdichten. Die Änderungen der nachfolgend benannten Vorschriften der HBauO sind ab 1. Mai 2018 in Kraft getreten.
Welche Erleichterungen gibt es nun bei der nachträglichen Schaffung von Wohnraum durch die Änderung von Dachgeschossen oder der Errichtung zusätzlicher Geschosse?
- Entfall der Pflicht zum Ein- oder Umbau von Aufzügen
- Neuer Abweichungstatbestand
Die Erleichterungen werden nachfolgend näher erläutert. Unter Änderung von Dachgeschossen ist dabei der Ausbau, der Umbau oder die Nutzungsänderung von Dachgeschossen zu verstehen. Die Errichtung zusätzlicher Geschosse schließt auch die Aufstockung von Gebäuden um mehrere Geschosse ein.
Entfall der Pflicht zum Ein- oder Umbau von Aufzügen
(§ 37 Absatz 4 Satz 1 2. Halbsatz HBauO)
Nach der bisherigen Regelung ist ein Aufzug erforderlich, wenn bei bestehenden Wohngebäuden durch die Änderung des Dachgeschosses oder durch Aufstockung erstmals Aufenthaltsräume vorgesehen werden, deren Fußbodenoberkante mehr als 13,0 m über der maßgeblichen Geländeoberfläche nach § 2 Absatz 3 Satz 2 HBauO liegt. Der nachträgliche Einbau eines Aufzuges ist bei bestehenden Gebäuden regelmäßig mit großem baulichem und finanziellem Aufwand verbunden. Er kann an unzureichenden baulichen Voraussetzungen oder wirtschaftlichen Erwägungen scheitern und die Realisierung eines Vorhaben insgesamt in Frage stellen.
Um dem entgegenzuwirken entfällt zukünftig die Pflicht zur Herstellung von Aufzügen, wenn bei bestehenden Gebäuden zusätzlicher Wohnraum durch Änderung des Dachgeschosses oder durch Aufstockung um zusätzliche Geschosse geschaffen wird (§ 37 Absatz 4 Satz 1 2. Halbsatz HBauO). Die Privilegierung gilt auch für bestehende Gebäude mit vorhandenen Aufzügen, die z. B. bei einer Aufstockung nicht höher geführt werden müssen. Ein bisher benötigter Abweichungsantrag mit einzelfallbezogener Begründung, die Ermessensentscheidung der Bauaufsichtsbehörde und die damit verbundene Verwaltungsgebühr entfallen. Dieses gibt den Entwurfsverfasserinnen und Entwurfsverfassern Planungssicherheit, entlastet Antragsteller und wirkt beschleunigend auf das Baugenehmigungsverfahren.
Neuer Abweichungstatbestand
(§ 69 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 HBauO)
Die Einführung des neuen Abweichungstatbestandes flankiert die neue, zuvor beschriebene Regelung zum Entfall der Pflicht zum Ein- oder Umbau von Aufzügen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass trotz des Entfalls der Aufzugspflicht ein Vorhaben zur Schaffung von nachträglichem Wohnraum scheitern kann, weil weitere Anforderungen nicht erfüllbar sind und Abweichungen nach § 69 Abs. 1 Nummern 1 und 2 HBauO hiervon nicht zugelassen werden können.
Mit einem neuen Abweichungstatbestand (neue Nr. 3) wird zukünftig eine Möglichkeit geschaffen, im Einzelfall das Anforderungsniveau der HBauO zu reduzieren. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen zulassen, wenn
"… bei bestehenden Gebäuden zusätzlicher Wohnraum durch Änderung des Dachgeschosses oder durch Errichtung zusätzlicher Geschosse geschaffen wird, das Vorhaben ansonsten nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand verwirklicht werden kann und die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefährdet werden, insbesondere wenn keine Bedenken wegen des Brandschutzes bestehen" (§ 69 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 HBauO).
Die Zulassung dieser Abweichung erfordert eine Einzelfallprüfung mit einer Ermessensentscheidung, ob die Abweichung im Hinblick auf das Schutzziel der Vorschrift, dem öffentlichen Interesse an der Schaffung zusätzlichen Wohnraums und dem wegen des Gebäudebestandes entstehenden unzumutbaren Aufwandes mit der öffentlichen Sicherheit, insbesondere Leben und Gesundheit, vereinbar ist. Dabei wird die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum dann im öffentlichen Interesse liegen, wenn zusätzliche Wohnungen geschaffen oder vorhandene Wohnungen in ihrer Nutzbarkeit verbessert werden, z. B. die Wohnfläche erweitert oder zusätzliche Aufenthaltsräume entstehen. Die Vereinbarkeit mit der öffentlichen Sicherheit, insbesondere Leben- und Gesundheit, wie Brandschutz, Standsicherheit und Verkehrssicherheit, muss gewährleistet bleiben.
Abweichungen nach der neuen Nummer 3 können z. B. in Betracht kommen für
- den Verzicht auf (zusätzliche) Kinderspielflächen (§ 10 HBauO),
- Treppenräume, die in den oberen Geschossen nicht in einem Zuge durchgehen (§ 32 Abs.3 HBauO),
- Unterschreitung der lichten Raumhöhe beim Dachgeschossausbau (§ 44 HBauO),
- die Reduzierung der Größe bzw. Verzicht auf Abstellräume (§ 45 HBauO) und
die Reduzierung der Größe bzw. Verzicht auf Abstellflächen für Kinderwagen (§ 45 HBauO).
Downloads
- Drucksache 21/9420 Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft (Parlamentsdatenbank)
- Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 4, 6. Februar 2018 (Lütcke & Wulff)
- Hamburgische Bauordnung in der aktuell geltenden Fassung (Landesrecht Online der Justizbehörde)