Justizsenatorin Anna Gallina sagt dazu: "Die Corona-Pandemie hat uns noch deutlicher vor Augen geführt, dass wir unsere Digitalisierungsoffensive in der Justiz weiter voranbringen müssen, um die Gerichte zukunftsfest zu halten. Wenn kofferweise Akten ins Homeoffice und zurück geschleppt werden müssen, ist ein flexibles Arbeiten kaum möglich. Die Einführung der E-Akte bringt viele weitere Vorteile: Zum Beispiel kann man E-Akten schnell und einfach elektronisch am Laptop durchsuchen, Inhalte strukturieren und auswerten. Das hilft gerade in umfangreichen Verfahren. Die Möglichkeit, dass mehrere Personen gleichzeitig in demselben Verfahren arbeiten können, spart außerdem Zeit und kann so die Verfahrensdauer kürzen. Wir tragen die Aktenberge jetzt Stück für Stück ab."
Mit dem Umstieg auf die elektronische Aktenführung wird das Herzstück der Justiz digitalisiert. Während derzeit noch große Aktenberge das Bild vor allem auf den Geschäftsstellen prägen, erfolgt sowohl die Verwaltung von Akten als auch deren inhaltliche Bearbeitung künftig mit zeitgemäßen digitalen Arbeitsmitteln. Der Anfang ist nun am Landgericht Hamburg gemacht.
Richterinnen und Richter, Geschäftsstellenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, Kostenbeamtinnen und Kostenbeamte sowie weitere Beschäftigte können mithilfe der elektronischen Akte orts- und zeitunabhängig gleichzeitig unterschiedliche Tätigkeiten in denselben Verfahren erledigen. Zudem können Akten schnell per Volltextsuche durchsucht und die Inhalte individuell strukturiert und ausgewertet werden. Der Umstieg auf die elektronische Aktenführung beschleunigt außerdem den Akten- und Dokumententransfer zusätzlich.
Dazu sagt Dr. Marc Tully, Präsident des Landgerichts Hamburg: "Der Startschuss zur schrittweisen Einführung der elektronischen Akte bedeutet für sämtliche Kolleginnen und Kollegen des Landgerichts einen Paradigmenwechsel. Er ist eine große fachliche und organisatorische Herausforderung, die nur im Zusammenwirken zwischen Anwaltschaft, Justizbehörde und dem Landgericht gelingen kann. Wir freuen uns, dass das Landgericht hier Pionierarbeit leistet und sehen die großen Chancen, die sich aus der fortschreitenden Digitalisierung im Hinblick auf moderneres und flexibleres Arbeiten ergeben."
Auch für die Anwaltschaft bringt die Einführung der E-Akte Neuerungen. So erfolgt künftig auch die Akteneinsichtnahme elektronisch. Im Laufe des Jahres 2021 wird dies auch unter Nutzung des bundesweiten Akteneinsichtsportals möglich sein. Im Sitzungsaal können die elektronischen Akteninhalte gemeinsam mit den Parteien im Saal auf Großbildschirmen eingesehen werden. Über Dokumentenkameras können dort auch Papierdokumente und mithilfe weiterer Technik auch die digitalen Inhalte der Verfahrensbeteiligten zur Ansicht auf den Großbildschirmen gebracht werden. Zur Digitalisierungsoffensive gehört deshalb auch die Ausstattung von mehr als 130 Gerichtsälen in Hamburg mit moderner Videokonferenztechnik. 20 Säle werden noch in diesem Monat fertig.
Dr. Christian Lemke, Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer sagt dazu: "Zum Start des Pilotprojektes E-Akte beim Landgericht Hamburg gratuliere ich Frau Senatorin Gallina und Herrn Landgerichtspräsidenten Dr. Tully sehr, verbunden allerdings mit der Aufforderung, bei der längst überfälligen Digitalisierung der Justiz nicht nachzulassen und sich weiter dafür einzusetzen, dass die personelle und sachliche Ausstattung der Staatsanwaltschaften und Gerichte gestärkt wird. Die Unterstützung der Anwaltschaft dabei sichere ich zu. Die Anwaltschaft, die bei der Digitalisierung längst in Vorleistung getreten ist und auf eigene Kosten das besondere elektronische Anwaltspostfach betreibt, wird in die Digitalisierungsvorhaben der Justiz weiterhin eng einzubinden sein."
Als nächste Schritte ist im ersten Halbjahr 2021 die Einführung der elektronischen Akte auch in einigen Senaten des Hanseatischen Oberlandesgerichts, mehreren Abteilungen des Amtsgerichts Hamburg und in Bereichen der Fachgerichtsbarkeit geplant.
Hintergrund
Die gesetzlichen Verpflichtungen zur Einführung einer elektronischen Verfahrensakte bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften ergeben sich aus dem Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05. Juli 2017. In Hamburg wird durch das Projekt „ERV-Gesamtstrategie“ die Einführung der elektronischen Verfahrensakte geplant und die Umsetzung koordiniert. Neben einer zentralen Projektgruppe in der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz gibt es mehrere Projekte, die die Umsetzung in den Dienststellen steuern. Hamburg nutzt für die elektronische Aktenführung das individuell für die Justiz entwickelte Anwendungsprogramm „elektronisches Integrationsportal“ (eIP). Dieses wird in einem länderübergreifenden Entwicklungsverbund Verbund eIP entwickelt. Hierzu gehören neben Hamburg auch die Bundesländer Bayern, Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz.