Von der Reiselust zum Entschädigungsfrust: Die Amtsgerichte haben im Jahr 2019 mehr als 100.000 Verfahren zu Reiseausfällen und Verspätungen verzeichnet – nahezu eine Verdopplung zum Vorjahr. Nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie dürfte es in diesem Jahr einen weiteren Anstieg geben. Reisende berichten, dass Fluggesellschaften selbst offensichtlich berechtigte Forderungen zunächst ablehnen. Den Unternehmen wird regelmäßig der Vorwurf gemacht, darauf zu spekulieren, dass Kundinnen und Kunden irgendwann ihre Ansprüche aus Frust nicht mehr geltend machen.
Auf ihrer Herbstkonferenz werden sich die Justizministerinnen und Justizminister mit einem Beschlussvorschlag aus Hamburg befassen, der eine automatisierte Auszahlung von Entschädigungen vorsieht. Die Transportunternehmen sollen demnach verpflichtet werden, entsprechende Legal-Tech-Anwendungen einzusetzen. Durch die Zusammenführung aller erforderlichen Daten könnten Ansprüche der Passagiere automatisch abgewickelt werden. Die Beträge würden grundsätzlich sofort zur Auszahlung kommen. In Streitfällen stünde der Weg zu den Gerichten aber weiterhin beiden Parteien offen.
Justiz- und Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina sagt dazu: "Es ist nicht hinnehmbar, wenn Reisende ihrer Entschädigung hinterher rennen müssen und dieser bürokratische Abwehrreflex seitens der Unternehmen auch noch die Justiz belastet. Hier kann Digitalisierung helfen, die Hilflosigkeit der Reisenden zu durchbrechen und die Durchsetzung der Rechte so einfach wie möglich zu machen. Entsprechende Algorithmen, die die Ansprüche automatisch abwickeln, bedeuten für die Reisenden schnelle und verlässliche Entschädigung. Durch Legal Tech würden künftig offenkundig begründete Ansprüche der Reisenden nicht mehr einfach abgelehnt."
Solche Systeme sind technisch möglich und werden von Fluggesellschaften bereits eingesetzt, etwa für Gutscheine für Verpflegung und Hotel im Fall einer Flugstörung. Durch den Einsatz von Legal-Tech-Anwendungen bei Entschädigungen würden die Reisenden die ihnen zustehenden Ansprüche zeitnah und ohne bürokratischen Aufwand ausgezahlt bekommen, ohne sie an Fluggastportale abtreten zu müssen. Diese verlangen von Verbraucherinnen und Verbrauchern für den Fall einer erfolgreichen Geltendmachung der Ansprüche regelmäßig eine hohe Gebühr.
In dem Hamburger Beschlussvorschlag wird die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz aufgefordert, die Möglichkeiten zu prüfen, den Unternehmen verbindlich Legal-Tech-Anwendungen für die Abwicklung von Fahrgastansprüchen vorzuschreiben.