Die Hamburger Landesstrategie gegen Antisemitismus und zur Förderung des jüdischen Lebens macht deutlich: „Antisemitismus darf in Hamburg keinen Platz haben.“ Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für Schulen, Lehrkräfte und Elternräte, auch vor dem Hintergrund des Überfalls der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der folgenden Zunahme antisemitischer Vorfälle auch an Schulen. Die von der Bildungsbehörde herausgegebene Zeitschrift „Hamburg macht Schule“ legt nun ein Sonderheft zum Thema Antisemitismus-Prävention vor, das aufzeigt, wie differenziert und wie interdisziplinär Präventionsarbeit an Schulen geleistet werden kann – und dass Antisemitismus jeglicher Ausprägung oder Provenienz ein Indikator für die Gefährdung von Demokratie ist.
Bildungssenatorin Ksenija Bekeris: „In Hamburgs Schulen ist kein Platz für Übergriffe und Diskriminierung jeglicher Art. Alle, die in Schule Verantwortung tragen, zeigen Haltung, wenn Menschen übergriffig werden oder selbst von anderen bedrängt werden. Schulen und Lehrkräfte bekommen in der Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Ereignissen und vor allem mit sich daraus ergebenden antisemitischen Pauschalisierungen Unterstützung. Das jetzt von den beiden früheren Schulleitungen Ingrid und Ruben Herzberg verantwortete Sonderheft unserer Zeitschrift „Hamburg macht Schule“ ist für Lehrkräfte und Elternräte ein klarer Rahmen für schulisches Handeln.“
Heinz Grasmück, Direktor des Landesinstituts für Qualifizierung und Qualitätsentwicklung in Schulen (LI): „Antisemitismus-Prävention muss eine vordringliche Aufgabe in der schulischen wie außerschulischen Bildung und zugleich ein Professionalisierungsanliegen in der Lehrkräftebildung aller drei Phasen bleiben. Im Sonderheft werden vielfältige pädagogische Konzepte zur Antisemitismus-Prävention und bundesweite Best-Practice-Modelle präsentiert. Es ist ein Kooperationsprojekt mit renommierten Institutionen und eröffnet damit einen weiten Diskursraum.“
Das Sonderheft legt keine Analyse der Situation in Israel und Gaza vor, geht aber auf die Verbindungen judenfeindlicher Haltungen mit dem Krieg in Nahost ein, weil die Kenntnis dieser Bezüge für Lehrende wichtig ist und das Wissen von Schülerinnen und Schülern über die historischen Voraussetzungen dieses Konflikts erfahrungsgemäß gering ist.
Das Sonderheft „Antisemitismus-Prävention“ will dafür Sorge tragen, dass die angeleitete „Kultur des Dissenses“ den Lernprozess fördert und Austausch ermöglicht und verweist dazu auf Unterstützungsangebote für Lehrkräfte und Betroffene sowie auf Begegnungsprojekte, Lernorte in und außerhalb Hamburgs, die Schulung der medienkritischen Auseinandersetzung angesichts von Antisemitismus und antisemitischer Verschwörungstheorien im digitalen Raum. Auch gibt es Anregungen für kulturelle und historische Projekte an Schulen zum Thema Antisemitismus.
Ingrid und Ruben Herzberg, Redaktionsleitung von „Hamburg macht Schule: „Es geht darum, antisemitischen Positionen im Kontext von Schule und politischer Bildung wirksam zu begegnen. Das Sonderheft stellt Erfahrungen vor, die für die schulische Praxis hilfreich sein können; es werden Ansprechpersonen bzw. Einrichtungen genannt, an die man sich wenden kann, wenn im beruflichen Umfeld Problemlagen auftauchen, die nur mit Unterstützung bewältigt werden können. Das Heft enthält auch Hinweise, an welchen Lernorten die Auseinandersetzung mit antisemitischen Positionen geführt werden kann – wo im Dialog und medial auf junge Menschen und ihre Haltungen eingegangen wird.“
Ingrid Herzberg war langjährige Schulleiterin des Gymnasiums Blankenese. Ruben Herzberg war ebenfalls langjähriger Schulleiter des Gymnasiums Klosterschule in St. Georg, 2007-11 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg und in dieser Zeit auch Mitgründer der von der Jüdischen Gemeinde getragenen Joseph-Carlebach-Schule im Grindelviertel.
Schulen und Lehrkräfte benötigen und erhalten in der Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Ereignissen und vor allem mit sich daraus ergebenden antisemitischen, aber auch rassistischen und rechtsextremistisch motivierten Pauschalisierungen Unterstützung. So wird in dem Heft auch auf die Verbindung von Antisemitismus und Rassismus verwiesen, sowie auf Beratungseinrichtungen, die dem ebenfalls zunehmenden Rechtsextremismus Einhalt gebieten sollen.
Das Fazit dieser Ausgabe von „Hamburg macht Schule“: Aktuelle Ereignisse wie der Krieg in Gaza sind vordergründige Anlässe für die Artikulation von Hass und Gewalt, aber der Kern antisemitischer Positionen ist Bestandteil einer zutiefst menschenverachtenden Haltung. Diese darf in Schulen keinen Raum haben. Stattdessen muss schulische Demokratieerziehung immer die Förderung von Empathiefähigkeit einschließen und auf Dialog setzen. Diese Forderung steht in Einklang mit der gemeinsamen Erklärung der Religionsgemeinschaften und der Behörde für Schule, Familie und Berufsbildung vom 18. Juni 2025 unter dem Titel „Hamburgs Vielfalt fördern und schützen – Hamburg und seine Religionsgemeinschaften zeigen Haltung für ein respektvolles dialogisches Miteinander.“ (https://www.hamburg.de/resource/blob/1071740/9392a5e521f7365329527e8d2b23ac80/gemeinsame-erklaerung-data.pdf).
Das Sonderheft „Antisemitismus-Prävention“ ist hier zu finden: https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/bsfb/veroeffentlichungen/hamburg-macht-schule.
Gemeinsames Portal zu jüdischem Leben und Antisemitismusprävention gestartet
Die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) und der Zentralrat der Juden in Deutschland haben ihr gemeinsames Online-Portal www.kmk-zentralratderjuden.de mit Materialien zur Vermittlung jüdischen Lebens und zur Prävention von Antisemitismus in Schulen neu gestartet.
Die Webseite bietet Lehrkräften, Multiplikatoren und Interessierten eine umfangreiche Materialsammlung, Empfehlungen und Hintergrundinformationen – von didaktisch aufbereiteten Unterrichtsmaterialien über Studien und Links bis hin zu gemeinsamen Erklärungen und Projekten.
Ziel des Portals ist es, jüdisches Leben in Deutschland sichtbar zu machen, historisches Bewusstsein zu stärken und schulische Strukturen gegen Antisemitismus zu sensibilisieren. Die Inhalte sind thematisch gegliedert und für den Einsatz in verschiedenen Schulformen und Fächern geeignet. Das neue Portal soll ein starkes Zeichen setzen für gelebte Verantwortung. Es soll zeigen, wie Bildung zur Verständigung beitragen kann – durch Wissen, Begegnung und Haltung. Die KMK will Schülerinnen und Schüler ermutigen, jüdisches Leben als selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft zu begreifen und sich aktiv gegen Antisemitismus zu positionieren.
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: „Die nachhaltige Kooperation mit der Kultusministerkonferenz stärkt die Vermittlung von Inhalten zu jüdischem Leben in Deutschland – sowohl im historischen Kontext als auch mit Blick auf die Gegenwart. Das neu gestaltete Portal bietet hier sowohl für Lehrkräfte als auch für weitere Multiplikatoren eine wertvolle Ressource. Angesichts der zunehmenden antisemitischen Vorfälle ist es umso wichtiger, dass Schulen ihrer Aufgabe gerecht werden können – nicht nur, indem sie auf Antisemitismus reagieren, sondern auch, indem sie ihm durch eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Judentum entgegentreten.“
Das Portal ist ab sofort unter www.kmk-zentralratderjuden.de erreichbar.
Prävention und Umgang mit Radikalisierung
Die Bildungsbehörde, das Landesinstitut für Qualifizierung und Qualitätsentwicklung in Schulen (LI) und die Beratungsstelle Gewaltprävention unterstützen die allgemeinbildenden Schulen bei der Bekämpfung von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Radikalisierung in den Bereichen Fortbildung, Beratung, Prävention und Intervention. Im Verlauf der Beratung durch die Beratungsstelle Gewaltprävention wird im Einvernehmen entschieden, ob und gegebenenfalls welche weiteren öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen hinzugezogen werden.
Die wesentlichen Kooperationspartner der Beratungsstelle Gewaltprävention sind dabei die Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ), die Bildungsbehörde (BSFB), die Jugendämter (ASD), Akteurinnen und Akteure der freien Kinder- und Jugendhilfe, die Dienststelle Prävention gewaltzentrierter Ideologien des Landeskriminalamtes (LKA), die Sicherheitsbehörden (Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), LKA), zivilgesellschaftliche Fachberatungsstellen zur Radikalisierungsprävention sowie themenbezogene Projekte (insbesondere aus den Beratungsnetzwerken zur Prävention von Islamismus beziehungsweise Rechtsextremismus).
Präventiv und in der Frage der Befähigung von Lehrkräften zum Umgang mit herausfordernden Situationen im Kontext Radikalismus erfolgt Beratung, Unterstützung und Fortbildung durch das LI. Es berät Schulen und Lehrkräfte darüber hinaus bei allgemeinen und unterrichtsbezogenen Anfragen. Die Anfragen der einzelnen Schulen sowie die fallbezogenen Beratungen sind vertraulich. Durch die Beratungs- und Fortbildungsangebote wird die Handlungssicherheit der Lehrkräfte und Schulleitungen gestärkt.
Die Bildungsbehörde arbeitet in verschiedenen Zusammenhängen mit Religionsgemeinschaften zusammen, die aktiv gegen Extremismus und Diskriminierung einstehen. Der gemeinsame Religionsunterricht für alle leistet einen wesentlichen Beitrag zur Prävention religiöser Radikalisierung. Er vermittelt grundlegende Kompetenzen für ein dialogisches Miteinander und eine Haltung, aus der heraus übergriffigem Verhalten einzelner begegnet wird. Im Religionsunterricht lernen die Schülerinnen und Schüler, Traditionen, Werte und Gebote aus Religionen fachlich angemessen zu verstehen, radikalisierte Auslegungen zu hinterfragen und ihnen begründet entgegentreten zu können. Darüber hinaus unterstützen die islamischen Religionsgemeinschaften das tolerante Miteinander im Schulleben. Vor dem Hintergrund wachsender psychosozialer Herausforderungen im Kindes- und Jugendalter wird unter anderem die Schulsozialarbeit in Hamburg systematisch ausgebaut und schrittweise an allen allgemeinbildenden Schulen eingeführt. Ziel ist es, Kinder und Jugendliche in ihrer psychosozialen Entwicklung zu stärken, ihre Lern- und Entwicklungschancen insbesondere in belasteten Lebenslagen zu verbessern.
Gemeinsame Erklärung zur kulturellen und religiösen Vielfalt sowie respektvollem Miteinander der Behörde für Schule, Familie und Berufsbildung mit den Hamburger Religionsgemeinschaften (18. Juni 2025) https://www.hamburg.de/resource/blob/1071740/9392a5e521f7365329527e8d2b23ac80/gemeinsame-erklaerung-data.pdf
Schulsozialarbeit stabilisiert Bildungsbiografien, fördert das soziale Miteinander und hilft bei der Bewältigung akuter Konflikte und Krisensituationen. Die Einführung erfolgt stufenweise: Seit Oktober 2024 wurden alle Startchancenschulen mit Schulsozialarbeit ausgestattet. Zum 1. Februar 2025 folgten Grundschulen mit Sozialindex 1 und 2; zudem wird die bestehende Schulsozialarbeit an Stadtteilschulen zielgerichteter zugewiesen und insgesamt ausgebaut. Zum Schuljahr 2025/2026 haben alle Gymnasien zusätzliche Ressourcen für Schulsozialarbeit erhalten.
Beratungsteam Menschen- und Demokratiefeindlichkeit / Prävention von Radikalisierung am LI
Das Beratungsteam am LI unterstützt die Schulen bei Ihren Fragen und Themen wie zum Beispiel Radikalisierung, Islamismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus, linker Militanz, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit unter anderem mit Beratungen (auch vor Ort), Fortbildungen, Empfehlungen zu Unterrichtsmaterialien und der Vermittlung von Workshops für Schüler:innen. In enger Kooperation mit der Beratungsstelle Gewaltprävention bietet das Team zudem Unterstützung in der schulischen Einzelhilfe an. Die Beratung umfasst die Bereiche Unterstützungsangebote, Meldestellen, Opferberatung, Positionierung von Lehrkräften, Fortbildungen für Lehrkräfte, Publikationen, Filme, Unterrichtsmaterialien: https://li.hamburg.de/qualitaetsentwicklung-von-unterricht-und-schule/beratungsstellen/praevention-von-radikalisierung
Fachtag Radikalisierungsprävention: Haltung zeigen – Handlung stärken
Im Rahmen eines Fachtags am 27. September 2025 haben sich eine große Zahl Hamburger Lehrkräfte gezielt und intensiv mit Radikalisierungsprävention beschäftigt. Denn: Jugendliche bewegen sich in digitalen und analogen Räumen, in denen menschenfeindliche Narrative, populistische Ideologien und radikale Einstellungen zunehmend ein Teil gesellschaftlicher Normalität werden. Der Fachtag ging der Frage nach, wie Schulen mit Verschwörungserzählungen, Polarisierung, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Radikalisierung umgehen können. Wie lässt sich die Schule als Schutzraum für demokratische Werte stärken? Wie erkennt man Radikalisierungstendenzen im Schulalltag? Und wie gelingt es, angemessen zu reagieren – ohne zu verharmlosen oder zu eskalieren? Der Fachtag richtete sich an Lehrkräfte, das pädagogische Personal, Schulleitungen und weitere Akteurinnen und Akteure im schulischen Feld. Im Fokus standen aktuelle Herausforderungen wie Rechtsextremismus, Islamismus, Antisemitismus und Verschwörungserzählungen und die Frage – was tun?
Phänomene erkennen – Entwicklungen verstehen
In kompakten Fachpanels haben Expertinnen und Experten aktuelles Hintergrundwissen vermittelt und das Verständnis für Mechanismen und Dynamiken von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Radikalisierung verschärft.
Handeln stärken für den schulischen Alltag
In den praxisorientierten Workshops wurden konkrete Fragen aus dem Schulkontext bearbeitet:
- Umgang mit menschenverachtenden oder provozierenden Äußerungen im Unterricht
- Fallbearbeitung bei Radikalisierungsverdacht (Case Management)
- Betroffene im Blick haben (Kooperation mit Beratungsstellen)
- Von Kolleginnen und Kollegen lernen (Good Practice)
Rückfragen der Medien
Behörde für Schule und Berufsbildung
Peter Albrecht | Pressesprecher
Telefon: 040 428 63 2003
E-Mail: pressestelle@bsb.hamburg.de
Internet: www.hamburg.de/bsfb
Instagram: @schulbehoerde