Daher ist es wichtig, ein automatisches Warnsystem in den Stationen zu implementieren, um rechtzeitig über Auffälligkeiten im Gewässer informiert zu werden.
Das bisher übliche Verfahren zur automatischen Alarmerkennung bestand in der alleinigen Definition von statischen Schwellenwerten. Bei Über- beziehungsweise Unterschreitung dieser Grenzwerte wurde dann vom Stationsrechner eine Meldung abgesetzt. Auf den ersten Blick scheint diese einfache Methode sich für die Praxis gut zu eignen und ist daher als alleinige Methode zur Alarmerkennung noch weit verbreitet.
Bei genauerer Betrachtung der Problematik wird jedoch schnell deutlich, dass statische Grenzwerte in der Regel nicht ausreichend dafür geeignet sind signifikante Auffälligkeiten zu erkennen, da es sich dabei sehr oft um zeitlich eng begrenzte Abweichungen handelt, die sich innerhalb der Bandbreite normaler Werte bewegen.
Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für ein derartiges Ereignis.

Auffälligkeiten im Datenverlauf der Leitfähigkeit und des pH-Wertes
Sowohl in den pH-Werten (grüne Linie), als auch in den Werten der Leitfähigkeit (blaue Linie) ist eine deutliche Auffälligkeit erkennbar. Weiterhin ist ersichtlich, dass sich diese innerhalb der Bandbreite „normaler“ Messwerte befinden. Der pH-Wert zeigt lediglich eine Abnahme von pH 7,75 auf pH 7,6. Hätte man statische pH-Grenzen festgelegt, wäre diese Auffälligkeit nicht registriert worden.
Statische Grenzen oder auch wöchentlich angepasste Grenzen helfen nur sehr große Auffälligkeiten zu finden. Diese Auffälligkeiten sind in ihrem Ausmaß dann häufig Katastrophen, die auch ohne kontinuierliche Messstationen erkannt werden; sei es durch augenscheinliche Veränderungen des Gewässers (tote Fische, Geruch, Farbe) oder dadurch, dass der Störfall aufgrund seiner sonstigen Auswirkungen zum Beispiel bei Polizei und Feuerwehr bereits bekannt ist.
Die zu erfassenden Messgrößen müssen im kontinuierlichen Betrieb quasi „augenblicklich“ analysiert, ausgewertet und bewertet werden. Entscheidend ist immer die Abweichung vom erwarteten zeitlichen Verlauf der Messgrößen. Dabei geht es darum, schädliche in-situ-Veränderungen im Gewässer zu erkennen, die in ihrem zu messenden Ausmaß auch sehr klein sein können. Das Wassergütemessnetz Hamburg verwendet daher Alarmkriterien und automatisierte mathematische Algorithmen die zur Auffälligkeitserkennung genutzt werden. Diese Algorithmen wurden im Projekt EASE beschrieben.
Die Erfahrungen der Vergangenheit haben weiterhin deutlich gemacht, dass in den weitaus meisten Fällen einer störfallbedingten Gewässerbeeinträchtigung gleichzeitige Veränderungen in mehreren Messgrößen festzustellen sind, die für sich allein betrachtet relativ unbedeutend aussehen können. Diese Beobachtung hat zur Entwicklung eines „Alarmindexes“ geführt. Durch diesen Alarmindex werden die Ergebnisse der Auffälligkeitsberechnungen verschiedener Messgrößen, wie zum Beispiel UV-Absorption, elektrische Leitfähigkeit und Trübung in einer Station miteinander gekoppelt und zusammengefasst. Der Alarmindex (AI) wird aus allen registrierten Auffälligkeiten mit unterschiedlichen Gewichtungen vom Stationsrechner berechnet. Nach jeder erkannten Auffälligkeit steigt der Wert des Alarmindexes um eine - für jede Messgröße definierte - Anzahl an „Punkten“.
Der Alarmindex wird im Messstationenbetrieb laufend automatisch neu berechnet und erlaubt somit die schnelle und sichere Erkennung von Ereignissen beziehungsweise bedenklichen Gewässerbeeinträchtigungen. Weitere Vorteile des Alarmindexes sind:
- die zuverlässige Vermeidung von Fehlalarmen durch die Verknüpfung von Daten verschiedener unabhängiger Geräte
- Gerätestörungen/Verschmutzungen einzelner Geräte beeinflussen die Alarmgebung weniger stark
- sichere und aussagekräftige Ergebnisse
Der schematische Ablauf einer Störfallerfassung mittels Alarmindex wird im Folgenden erläutert.
Schematischer Ablauf einer Störfallerfassung mittels Alarmindex
In dem gewählten Beispiel sind im Gewässer deutliche Veränderungen der Messwerte zu erkennen. Der Stationsrechner analysiert die Messdaten mittels Doppelsigmatest und erfasst sowohl für die Messgröße 1 (M1) als auch für Messgröße 2 (M2) einen signifikanten Anstieg der Werte (A1 und A2). Weiterhin ist in einem Biotestgerät (B1) eine deutliche Verhaltensänderung, beziehungsweise Schädigung der Organismen zu registrieren. Der geräteinterne Toxizitätsindex steigt über den internen Alarmschwellenwert (G) und erzeugt einen Gerätealarm (A3).
Der Alarmindex (AI) wird aus allen registrierten Auffälligkeiten mit unterschiedlichen Gewichtungen vom Stationsrechner berechnet. Nach jeder erkannten Auffälligkeit steigt der Wert des Alarmindexes um einen für jede Messgröße definierten Betrag. Bei Überschreitung des „gelben“ Grenzwertes (G gelb) erfolgt eine erste Warnung, die als Stufe „Ereignis“ definiert wird. Übersteigt der Alarmindex den „roten“ Grenzwert (G rot), wird vom Stationsrechner die Meldestufe (MS) erreicht.
Um zu verhindern, dass einzelne, zeitlich weit auseinander liegende Auffälligkeiten zu einer Aufsummierung von „Alarmindex-Punkten“ führen, ist jeder Beitrag einer Auffälligkeit zum Alarmindex mit einer Verfallszeit versehen, das heißt die Punkte der einzelnen Auffälligkeiten (hier A1bis A3) werden schrittweise wieder auf Null zurückgeführt.
Nach dem erreichen der Meldestufe, sendet der Stationsrechner die relevanten Informationen an die Rechnerzentrale. Von hier aus wird der Alarm automatisch per Mail oder SMS an die Mitarbeiter des Wassergütemessnetz weitergeleitet. Zeitgleich wird in der Station automatisch eine Alarm-Probenahme gestartet.