Schlappe Möhren, Joghurt nahe am Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), Brötchen von gestern: Viele Lebensmittel sind noch genießbar, wandern aber in die Tonne. Die größte Verschwendung findet in Privathaushalten statt. Im Handel entstehen laut einer Studie des Thünen-Instituts etwa vier Prozent der Abfälle. Das ist wenig, dennoch haben Supermärkte, Discounter, Bäckereien oder Gemüseläden über die Gestaltung von Angeboten einen wichtigen Hebel in der Hand.
Jana Fischer von der Verbraucherzentrale Hamburg sagt: „Wichtig ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher das Mindesthaltbarkeitsdatum richtig interpretieren. Es heißt eben nicht: nach Ablauf bitte sofort wegwerfen. Der Handel sollte das Thema positiv besetzen. Schilder oder Aufdrucke mit Botschaften wie „Oft noch länger gut“ machen Menschen Mut, ihren Sinnen auch nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums zu trauen.“ Wichtig sei auch, dass die Produkte versehen mit bunten Stickern im üblichen Regal einsortiert werden und nicht in einem Karton bunt zusammengewürfelt stehen. Grundsätzlich dürfen Milch, Müsli oder Margarine mit abgelaufenem MHD weiterverkauft werden, nur bei schnell verderblichen Waren wie Fisch oder Fleisch ist das verboten. Solche Produkte sind allerdings auch mit einem Verbrauchsdatum gekennzeichnet und sollten nach Ablauf tatsächlich entsorgt werden.
Kein Bodyshaming für Obst und Gemüse
An welchen Stellen lässt sich noch nachjustieren? Nicht jedes Gemüse gewinnt Schönheitswettbewerbe, aber Möhren mit zwei Beinen oder krumme Gurken kommen meist gar nicht ins Regal. Jana Fischer sagt: „Hier sollte der Handel, aber natürlich auch die Kundschaft offener werden. Wir brauchen mehr Wertschätzung für die Natur.“ Außerdem sollten Packungsgrößen auf den Prüfstand. Drei Paprika in einer Verpackung sind für Singles meist zu viel. Und auch Rabattaktionen wie „zahl zwei, nimm drei“ setzen schwierige Anreize.
Nicht alle Produkte lassen sich noch verkaufen, aber besser als sie wegzuschmeißen ist es, sie Initiativen gegen Lebensmittelverschwendung zur Verfügung zu stellen. In Hamburg gibt es verschiedene Anlaufstellen:

Hamburger Tafel
Die Tafel sammelt übrig gebliebene Lebensmittel auf Märkten, bei Geschäften und Großhandelsunternehmen ein und verteilt sie an Menschen, die knapp bei Kasse sind. Das Motto: „Wir haben Hamburg noch lange nicht satt“.

Foodsharing
Die Initiative rettet ebenfalls übrig gebliebene Lebensmittel und holt sie bei Handelsunternehmen, aber auch Privathaushalten und Betrieben ab. Die Lebensmittel kommen dann in „Fair-Teiler“ – frei zugängliche Kühlschränke. Hier kann sich jeder und jede bedienen.

Too Good To Go
Über die App von Too Good To Go können Händlerinnen und Händler überschüssige Waren zum reduzierten Preis anbieten. Bananen mit kleinen Druckstellen, Haferflocken kurz vorm MHD oder Brot von gestern finden so ihren Weg zu den Kundinnen und Kunden.
Auch im Bio-Städte Netzwerk, dem Hamburg seit 2016 angehört, geht es um öko-regionale Erzeugung, gesunde Ernährung, um Nachhaltigkeit und einen guten Umgang mit Ressourcen. Mehr Wertschätzung für Lebensmittel – dieser Aufgabe hat sich auch der Runde Tisch gegen Lebensmittelverschwendung angenommen. Die Hamburger Behörde für Justiz und Verbraucherschutz vernetzt mit dem Runden Tisch Initiativen, Wirtschaft, Verbände und die Hamburger Verbraucherzentrale. Ziel ist es, für Verschwendung zu sensibilisieren und noch mehr Projekte zur Lebensmittelrettung auf die Schiene zu bringen. Jana Fischer findet: „Es ist vermutlich utopisch, dass nichts mehr weggeschmissen wird. Aber es gibt noch jede Menge Spielraum, die sinnlose Verschwendung zu reduzieren.“