Professor Schäfers, Sie haben im Verbundprojekt NEW 4.0 gemeinsam mit der Wirtschaft die Energiewende für Norddeutschland in verschiedenen Reallaboren durchgespielt. Außerdem wurde an Ihrem Institut der Solaratlas für Hamburg erarbeitet. Wo steht Hamburg in Sachen erneuerbare Energie?
Hans Schäfers: Hamburg hat mit dem Klimaplan neue Standards gesetzt. Damit gibt es nun einen Handlungsrahmen, der verbindlich und nachvollziehbar ist. Wie alle Metropolen gehört Hamburg zu den Energieverbrauchern. Gleichzeitig steht wenig Fläche zur Verfügung, um dezentral erneuerbare Energie zu erzeugen. Aber die Stadt hat viele Dächer und unter jedem Dach gibt es Verbraucher. Das ist die optimale Kombination für Ökostrom aus Sonnenenergie. Der Strom, der auf dem Dach erzeugt wird, kann direkt darunter verbraucht werden.
Sie denken da vor allem an Mieterstromkonzepte in Mehrfamilienhäusern?
Hans Schäfers: Ja und nein. Ein Mieterstromkonzept lässt sich genauso mit Gewerbetreibenden umsetzen, die ihre Gewerberäume anmieten. Am einfachsten ist es natürlich, wenn Unternehmer auf ihren eigenen Dächern Photovoltaik-Anlagen installieren und den Strom selbst verbrauchen. Über eine Wärmepumpe können sie mit dem gewonnenen Strom ihre Halle heizen und an der Ladesäule vor der Tür die E-Autos betanken. Was zu viel ist für den Eigenbedarf, wird ins Netz eingespeist – oder mit dem Nachbarn geteilt.
Klingt einfach. Warum hat dann nicht längst jedes Unternehmen Photovoltaik auf dem Dach?
Hans Schäfers: Viele Hallendächer sind für derartige zusätzliche Lasten nicht ausgelegt. Wir brauchen die Dachflächen aber, um die solare Energiewende zu schaffen. An dieser Stelle sollte die Stadt unterstützen. Zum Beispiel, indem Fördermittel für die Ertüchtigung der Hallendächer bereitgestellt werden. Es gibt dann kein statisches Argument mehr gegen Photovoltaik. Für Handwerker werden die kommenden 30 Jahre goldene Zeiten sein. Die Sanierungsrate von Wohn- und Nichtwohngebäuden in Hamburg muss theoretisch verdreifacht werden, damit die Klimaschutzziele erreicht werden.
Die Förderung der erneuerbaren Energien über das gleichnamige Gesetz wird aktuell eher zurückgefahren. Ist das nicht kontraproduktiv?
Hans Schäfers: Nein, wir brauchen keine Steuerung des Marktes mehr über eine fixe Förderung von Anlagen. Der Markt muss das jetzt selbst regulieren. Und das wird er. Zum einen steht längst soviel Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung, dass so manches konventionelle Kraftwerk überflüssig geworden ist. Die Grundlast ist gesichert. Zum anderen werden CO2-Zertifikate in den kommenden Jahren teurer werden. Dann brauchen viele Unternehmen den emissionsfreien Strom, um Geld zu sparen. Das kurbelt erneut die Nachfrage nach Ökostrom an.
Bliebe noch das Problem der Leitungskapazitäten…
Hans Schäfers: Richtig, das Stromnetz hat keinen Puffer und es gibt zu wenig Leitungskapazität, um beispielsweise den an den Küsten erzeugten Windstrom in den Süden zu transportieren. Mit erhöhter Flexibilität am Strommarkt lässt sich das aber abfedern. Der Strom muss praktisch in Echtzeit gehandelt werden. Hat ein Unternehmen akut Bedarf an mehr Strom, muss der Händler an der Strombörse ihm den auch liefern können.
Die Umweltberatenden von Handelskammer und ZEWUmobil sowie die Energielotsen der Stadt beraten kostenlos zu solarer Eigenstromversorgung.