„Ohne Wasserstoff werden wir das Kohlendioxid-Problem nicht lösen“, davon ist Karsten Schönewald überzeugt. Als einer der Geschäftsführer ist er verantwortlich für Nachhaltigkeit bei der Flotte Hamburg oder anders gesagt: für 50 Schiffe verschiedenster Baujahre und Einsatzarten, die sich nicht einfach mit Hilfe eine Elektromotors emissionsfrei ausstatten lassen. In diesem Jahr werden bei der Flotte Hamburg zunächst einmal Polizeiboote mit Plug-in-Hybrid in Dienst gestellt. Diese können vorübergehend den Dieselmotor abschalten und mit Strom fahren – so, wie auch die neuen „Bügeleisenschiffe“ der Hadag. Künftig sollen diese Fährschiffe dann mit wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotoren oder Brennstoffzellen betrieben werden.
Neue Schiffe mit moderner Antriebstechnologie auszustatten, ist für Flotte-Hamburg-Mann Schönewald keine große Kunst. Die Herausforderung liegt darin, auch die alten, aber noch betriebsfähigen Schiffe auf einen schadstofffreien Kurs zu bringen. Momentan gelingt das zumindest für Feinstaub und Stickoxid. Dafür werden alle 50 Schiffe mit GTL betankt. Der synthetische Kraftstoff ist dem Diesel sehr ähnlich, verbrennt aber sauberer. Das Problem: Die CO2-Bilanz von GTL ist kaum besser als die von Diesel. Deshalb sieht nicht nur Karsten Schönewald darin maximal eine Übergangslösung. „Wir retten damit nicht die Welt, aber tun damit erst einmal viel für die Luft in Hamburg“, sagt er und plant bereits die Umrüstung auf PTL-Kraftstoff.
PTL steht für Power to Liquid, ein flüssiger Kraftstoff aus Wasserstoff. „Wasserstoff ist überall dort interessant, wo die Batterie an ihre Grenzen kommt, also beispielsweise im Schwertransport, in der Schifffahrt, im Flugverkehr“, sagt Peter Lindlahr, Geschäftsführer der hySOLUTIONS GmbH. Das als Public-Private-Partnership organisierte Unternehmen entwickelt unter anderem Projekte mit privatwirtschaftlichen und öffentlichen Akteurinnen und Akteuren, um beispielsweise Elektro- und wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenfahrzeuge inklusive der notwendigen Lade- oder Betankungsinfrastruktur in Hamburg zu etablieren.
Hamburg setzt auf grünen Wasserstoff, nicht nur, um die Schadstoffemissionen in der Schifffahrt zu senken. Auch die Luftfahrt und die grundstoffverarbeitende Industrie werden künftig wohl Großabnehmer von grünem Wasserstoff aus einer leistungsstarken Elektrolyseanlage sein, die am Standort des Kohlekraftwerks Moorburg geplant ist. Diese Anlage soll zunächst auf 100 Megawatt (MW) ausgelegt sein und kann auf 500 MW skaliert werden. Netzseitig könnte sie sogar bis auf 1,6 Gigawatt ausgebaut werden. „Entscheidend bei der Nutzung von Wasserstoff ist, dass er aus erneuerbarer Energie hergestellt wird“, betont Peter Lindlahr.
Ein Pfund, mit dem Norddeutschland als wichtiger Produzent von Strom aus Windkraft durchaus wuchern kann. Die Moorburg-Pläne sind ein plakatives Beispiel für den Transformationsprozess im Energiebereich und zugleich ein kraftvoller Treiber der grünen Wasserstoff-Strategie der fünf norddeutschen Bundesländer. Mit deren Hilfe soll schon bald eine sich selbst tragende Wasserstoff-Wirtschaft etabliert werden. Die Bedingungen sind günstig: Es gibt wissenschaftliche Expertise und Industriezweige mit Erfahrungen im Umgang mit Wasserstoff. Der Hafen spielt dabei perspektivisch eine wichtige Rolle, nicht zuletzt für die dringend benötigten Importkonzepte. Schifffahrt und Luftfahrt haben zudem Bedarf am Einsatz von synthetischen Kraftstoffen auf Wasserstoffbasis.
Der UmweltPartner Gasnetz Hamburg wird in den kommenden zehn Jahren ein speziell auf die Durchleitung von grünem Wasserstoff ausgelegtes Versorgungsnetz in Betrieb nehmen. Im Umkreis des Elektrolyseurs gibt es zahlreiche potenzielle Abnehmer des grünen Wasserstoffs, die an das Leitungsnetz angebunden werden können. Dazu zählen neben den großen Industriebetrieben auch Unternehmen wie die HHLA, die die Emissionen im Terminalbetrieb mit Hilfe von Wasserstoff auf null reduzieren will, sowie die Flotte Hamburg.
Die Hansestadt hat nach Ansicht von Peter Lindlahr beim Wasserstoff heute schon eine Marktplatzqualität mit leistungsfähigen Anbietenden und Abnehmenden im großindustriellen Maßstab. Dementsprechend arbeiten viele Akteurinnen und Akteure daran, die Hamburger Aktivitäten durch die EU-Kommission als „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) qualifizieren und anschließend durch die Bundesregierung fördern zu lassen. Der Kurs ist damit klar: Norddeutschland soll einer der führenden europäischen Wasserstoff-Hubs werden.