Mit dem Green Deal aus der Krise!
Auch die UmweltPartnerschaft hat sich in diesem Jahr den besondere Bedingungen gestellt und ihren Umweltwirtschaftsgipfel erstmals erfolgreich in einem Online-Format ausgerichtet. Bis zu rd. 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten am 4.11.2020 an ihren Bildschirmen, wie Vertreterinnen und Vertreter der Hamburger Wirtschaft und der Politik über die Chancen des European Green Deal der EU-Kommission diskutierten.
Auch einige Start-ups und Initiativen zeigten dabei, wie konkrete Lösungen aussehen können.
Einweggeschirr aus Plastik ist so etwas wie der Gradmesser unserer klimaschonenden Grundeinstellung geworden: Kaum ein Produkt steht derart sinnbildlich für den weitgehend gedankenlosen Umgang mit wertvollen Ressourcen, wie Teller, Becher und Besteck zum einmaligen Gebrauch. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl an Initiativen und Unternehmen, die Alternativen und Vermeidungsstrategien zu diesen meist aus Kunststoff hergestellten Artikeln entwickeln. Drei davon stellten sich während des diesjährigen Umwelt-Wirtschaftsgipfels am 4. November 2020 im virtuellen Saal der gastgebenden Handelskammer Hamburg vor. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: „Mit dem Green Deal aus der Krise?“.
Unternehmen für plastikfreie Städte
Die beste Möglichkeit, den Verbrauch von Plastik und anderen Kunststoffen spürbar zu senken, ist Vermeidung. Rund 300 Millionen Tonnen Kunststoff werden jährlich weltweit produziert, ein Drittel davon in Deutschland.* Die Hälfte der Kunststoffmenge wird nur einmal genutzt und landet danach im Abfall. Die Rostocker Unternehmens-Initiative „Plastikfreie Stadt“ unterstützt Unternehmen dabei, den eigenen Plastikverbrauch zu identifizieren und alltagstaugliche, nachhaltige Produkte als Alternative einzusetzen. Über die UmweltPartnerschaft Hamburg (UPHH) können Hamburger Unternehmen nun ebenfalls daran teilnehmen und so freiwillige Umweltschutzleistungen erbringen. Am 10. Dezember 2020 wird es dazu eine Info-Veranstaltung der UPHH geben.
Alternativprodukte haben etwa die Netzwerkpartner der UmweltPartnerschaft Biolutions und Paprfloor entwickelt. Das Hamburger Unternehmen Bio-lutions, das die Start-up-Phase bereits hinter sich gelassen hat, stellt Einweggeschirr und Verpackungen aus Pflanzenfasern her. Das Besondere: Für den Rohstoff werden ausschließlich Abfälle aus der Landwirtschaft genutzt, die ansonsten auf den Äckern liegen blieben, also beispielsweise Weizenstroh, Tomatenpflanzen oder Bananenblätter. Mit Hilfe eines mechanischen Prozesses und unter Zugabe von wenig Wasser wird daraus eine Masse, die sich in jede beliebige Form pressen lässt, überall auf der Welt produzierbar und einsetzbar ist.
Unternehmer Dirk Pieper hat nach einer Alternative für Teppichböden gesucht, die auf Messen und anderen Veranstaltungen als Einwegprodukt verlegt werden und als Sondermüll enden. Er ist auf Papier gestoßen. Inzwischen produziert Paprfloor stabile Bodenbeläge in individuellem Design aus vollständig recyceltem Papier, das auch nach der Nutzung wiederverwertet wird. Pro Quadratmeter Bodenbelag werden so zehn Kilogramm CO2 im Vergleich zu herkömmlichem Teppichboden eingespart.
Ökonomie und Ökologie gehen Hand in Hand
Kurze Transportwege und eine dezentrale Produktion, lokale Arbeitsplätze, ein geschlossener Produktkreislauf – die während des Umwelt-Wirtschaftsgipfels vorgestellten Unternehmen zeigten am praktischen Beispiel, dass Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze sind. „Umweltschutz ermöglicht betriebliche Kosteneinsparungen“, betonte Professor Norbert Aust, Präses der Handelskammer, in seinem Grußwort. Hamburg habe eine lange Tradition in betrieblichem Umweltschutz. Die Potenziale in bisher weniger aktiven Unternehmen gelte es nun zu heben – auch mit Hilfe der UmweltPartnerschaft Hamburg und ihrer kostenlosen Beratungsangebote – um den Klimaplan der Stadt realisieren zu können.
Jens Kerstan, Senator für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, sagte in seinem Grußwort, dass die aktuelle, durch Corona verursachte Krise deutlich gezeigt habe, wo die Schwächen des Wirtschaftssystems liegen. „Die Frage lautet nicht, retten wir das Klima oder retten wir die Wirtschaft, sondern wie retten wir das Klima mit Hilfe der Wirtschaft“, so der Senator. „Nur unter Beachtung von Klima- und Umweltschutz, unter Beachtung von Nachhaltigkeit, kann Wirtschaft in Zukunft bestehen. Nur so kann es gehen, damit auf die jetzt akute Krise nicht gleich eine noch viel schwerwiegendere folgt.“
Deshalb machte Professor Johannes Merck, Vorstand der Umweltstiftung Michael Otto, in seiner Keynote zum Wirtschaftsgipfel auch klar, dass er sich ein Ausrufezeichen statt eines Fragezeichens hinter dem Tagesmotto wünsche. „Der geschwächte Staat muss wieder ins Handeln kommen, um die ökologische Marktwirtschaft zu realisieren“, forderte Merck. Der Neoliberalismus habe zu hohen Rebound-Effekten geführt. „Viele glauben, wir hätten 20 Jahre verloren, in denen wir unsere Lebensverhältnisse an die Möglichkeiten unseres Planeten hätten anpassen müssen“, sagte der ehemalige Vorstand für Corporate Responsibility der Otto Group. Nach drei Dürresommern, Wassermangel und Waldbränden in Deutschland würden sich die meisten Menschen dem European Green Deal der Europäischen Kommission mit einer positiven Erwartungshaltung zuwenden. Zugleich machte Merck klar: „Unternehmer sind nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Jeder hat seine Möglichkeiten.“ Deutschland habe die richtigen Cluster, um beim Thema Klimaschutz eine weltweite Führungsrolle einzunehmen, Hamburg die Potenziale, innerhalb der Bundesrepublik Vorreiter zu sein. Rund eine Billion Euro stehen bis 2030 seitens der EU zur Verfügung, um Unternehmen beim Transformationsprozess hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu unterstützen und beispielsweise nach Jahren des Diskutierens endlich die Kreislaufwirtschaft zu etablieren.
Fachkräftemangel und Green Port
In der Diskussionsrunde, die von Monika Griefahn moderiert wurde, wurden einmal mehr die Herausforderungen des Green Deal sichtbar. Der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbandes Hamburg, Matthias Boxberger, unterstrich, dass die Industrie die Dekarbonisierung trotz Fördermitteln auch verdienen können müsse. Handwerkskammer-Präsident Hjalmar Stemmann betonte, dass Handwerker zwar so etwas wie die Klimawendetechniker seien. Aber insbesondere Nachwuchsmangel und hoher Qualifizierungsbedarf bremsen eine zügige Umsetzung des Transformationsprozesses. Auch die Unternehmen im Hamburger Hafen sagen „Ja“ zum European Green Deal, betonte Gunther Bonz vom Unternehmerverband Hafen Hamburg. Gleichzeitig machte er deutlich: Wenn dieser Tage das weltgrößte mit verflüssigtem Erdgas betriebene Containerschiff am Burchardkai anlege, es zugleich aber immer noch keine Möglichkeit gebe, LNG oder Wasserstoff im Hafen zu lagern, sei dies eine Diskrepanz, die die Wirtschaft nicht lösen könne. Nachhaltigkeitsexperte Johannes Merck hatte dafür eine klare Lösung: So, wie die Politik wieder mehr Rahmenbedingungen vorgeben müsse, brauche sie auch einen gewissen Druck, um handlungsfähig zu werden - am besten durch Innovationen aus der Wirtschaft.
Die UmweltPartnerschaft Hamburg ist das Netzwerk, das all diese Handlungsstränge zusammenführt und ein wichtiger Ansprechpartner dafür, wie sowohl die Corona-bedingte Wirtschaftskrise, als auch die drohende Klimakrise Hand in Hand bekämpft werden kann.
*Quelle: Initiative Plastikfreie Stadt, Statistisches Bundesamt (Zahlen von 2018)
https://plastik-freie-stadt.de
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167099/umfrage/weltproduktion-von-kunststoff-seit-1950/